Rameau, J.-Ph. (Reyne)
La Naissance d’Osiris. Ballet allégorique
GEBURTSTAGSKONFEKT
Bei dem „allegorischen Einakter“ La Naissance d’Osiris aus dem Jahre 1754 handelt es sich um eines der zahlreichen so genannten Gelegenheitswerke, die Jean-Philippe Rameau für Aufführungen am Hof schrieb. Anlass war in diesem Fall die Geburt Ludwig XVI., der 1793 unter der Guillotine sterben sollte. Von daher kann man den Bezug auf den ägyptischen Gott Osiris, der im Mythos ein gewaltsames Ende durch Zerstückelung nimmt (bevor er freilich wiederaufersteht!), nur prophetisch nennen …
Hugo Reyne, Jg. 1961, ist ein Allrounder: Flötist und Oboist, Musikwissenschaftler, Ensembleleiter und künstlerischer Direktor des Barock-Festivals La Chabottiere. In den letzten Jahren ist er unter anderem mit einer großen Reihe von Lully-Einspielungen (Accord/Universal) hervorgetreten. Vol. 9 mit Musik zur Hochzeit Ludwig XVI. ist in Vorbereitung. Mit seinem Hausensemble La Symphonie du Marais bestreitet er nun auch die erste CD einer eigenen Festivalkollektion. Der Rameau-Einakter wurde 2005 live mitgeschnitten. Demnächst soll mit Jean-Ferry Rebels Ulysse eine weitere, noch exotischere Repertoire-Rarität das Licht der Welt erblicken.
La Naissance d’Osiris, dessen Aufführungsmaterial aus mehreren verstreuten Quellen rekonstruiert werden konnte, zeigt den Komponisten trotz seines Alters – er war damals 71 - jugendfrisch und ideenreich. An die Stelle der spätbarocken, häufig gravitätischen und würdevollen Musik der frühen Bühnenwerke ist nun ein sehr viel virtuoserer, wenn man so will: rokokohafterer Stil getreten. Rameau nimmt Kurs auf das Spätwerk – Les Boreades (1763) kündigt sich bereits an, und das liegt nicht nur daran, dass der Komponist einige originelle Tänze aus La Naissance in seiner letzten Tragedie wiederverwendet hat. Der brillante Einsatz von ungewöhnlichen Instrumentalfarben – sehr hoch oder tief spielende Fagotte –, einem „durchbrochenen“ Orchestersatz (z. B. in den Tambourins) und merkwürdig unregelmäßigen Rhythmen (die Sinfonie, die das Erscheinen Jupiters begleitet) sorgt beim Hören immer wieder für Überraschungen. Schwere Kost in leichter Verpackung, sozusagen. Die Plastizität der Tänze, bei denen man die Choreographie vor seinem inneren Auge zu sehen meint, ist immer wieder ein Genuss. Fitzelig klingen dagegen die mit Koloraturen gespickten Arietten, leicht hysterische Einlagen, die demonstrieren, dass sich französischer und italienischer Stil nicht wirklich vertragen. Spektakulär nimmt sich im weitgehend pastoralen Ambiente ein vertrackter Donner-Chor aus, bei dessen blitzgeschwinder Ausführung die Sänger/innen des Choer du Marais allerdings etwas in Bedrängnis geraten. Auch sonst ist bei den klanglich nicht ganz ausgewogenen Chorpartien am ehesten zu spüren, dass es sich um einen Live-Mitschnitt handelt. Stärker als z. B. der geschmeidig phrasierende William Christie betont Reyne einen hüpfenden Duktus mit bisweilen bauchiger Phrasierung. Die temperamentvollen jungen Solisten machen ihre Sache sehr gut.
Auch wenn dieses Geburtstagskonfekt nicht zu den großen Werken des französischen Meisters gehört, bereitet es viel Vergnügen und zündet wegen des weitestgehenden Verzichts auf Rezitative musikalisch vielleicht sogar mehr als manch abendfüllendes Werk von Rameau. Beiheft mit französischen und englischen Erläuterungen, Libretto nur auf Französisch.
Georg Henkel
Trackliste |
01-26 La Naissance d'Ossiris 27 Zugabe: Danse du Grand Calumet de la Paix (Les Indes Galantes) |
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Besetzung |
Stéphanie Révidat, Céline Ricci – Sopran Francois-Nicolas Geslot – Haut-Contre Betrand Chuberre – Bariton Florian Westphal – Bass
Le Choer du Marais La Simphonie du Marais
Ltg. Hugo Reyne
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