Musik an sich


Reviews
Moulinié, E. u. a. (Christie)

Französische Barockmusik in Versailles


Info
Musikrichtung: Barock Geistliche Musik

VÖ: 01.09.2007

Tone5 / Cascade Medien
DVD(AD 2003) / Best. Nr. 97004


Gesamtspielzeit: 68:00



DAVID HAMILTON IN DER VERSAILLER SCHLOSSKIRCHE

Französische Barockmusik in Versailles. Eine seltsame Musik-DVD: Das Cover wirkt wie selbstgebastelt. Auch der Preis (5.- €) spricht eher für eine Billigproduktion. Schlicht gestrickt präsentiert sich das Menü, die eng gesetzten Programmtexte in den Extras sind unfreundlich für die Augen. Untertitel gibt es keine – dabei wird auf Latein gesungen, und die Ausführenden kommen in kurzen Interviews auf Französisch zu Wort. Die Bildqualität ist sehr mäßig und offenbar auf den durchschnittlichen TV-Konsum abgestellt (tatsächlich wurde die Aufnahme u. a. vom französischen Fernsehen mitproduziert).
Angesichts der pastellfarbig ausgeleuchteten und mit viel Weichzeichner verkleisterten Bilder denkt man eher an Filmszenen von David Hamilton als an die Schlosskirche von Versailles, wo dieser Konzertmitschnitt im Jahre 2003 gemacht wurde. Teilweise wirkt das unfreiwillig komisch, z. B. wenn die Protagonisten eine Art Heiligenschein um ihr Gesicht bekommen oder der Lipgloss der Theorbistin vor lauter Reflexionen von selbst zu leuchten scheint. Von der schönen Ausstattung der Kirche sieht man leider kaum etwas. Dafür erkennt man – und das ist mal ein interessantes Detail – an einer Partitur in Braille-Schrift, dass der Bassist blind ist.
Also, die optische Seite des Unternehmens lohnt die Anschaffung dieser Platte wirklich nicht.

Aber dafür um so mehr die musikalische: Denn die geistlichen Werke von Etienne Mouliníe und einigen Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts erfahren eine spitzenmäßige Interpretation durch ausgewählte Solisten von Les Arts Florissants unter der Leitung von William Christie. Fünf der Sänger/innen entstammen dem Jardin des Voix des Jahres 2002 und haben mit Christie dieses Programm im Anschluss an den Wettbewerb erarbeitet. Christie spielt auch die Orgel und lässt in zwei Solostücken deren eigenwillige Klangfarben prachtvoll aufleuchten.
Die vielstimmigen Stücke von Mouliníe, Guillaume Bouzignac, Luigi Rossi und Michel Lambert werden direkt von der über dem Altar liegenden Orgelempore herab gesungen: Motetten im expressiven Gewand frühbarocker Madrigale. Die Tontechnik hat ganze Arbeit geleistet. Man hört die individuellen Timbres heraus, ohne dass die Ensembleleistung darunter leidet. Das Klangbild ist präsent, wirkt aber nicht aufdringlich. Die Musik ist abwechslungsreich und spielt mit den unterschiedlichsten Stimmkombinationen.

In den Übergängen von einem Stück zum nächsten gestattet die Kamera Einblicke in Christies französisches Landhaus, wo die Musiker offenbar ein sinnenfrohes und kulinarisches Probenwochenende verbracht haben. In jeder der kurzen Intermezzi kommt eine/r der Ausführenden mit eine paar Sätzen zu Wort und berichtet über sich und seine Arbeit mit Christie. Das rundet die Konzertproduktion auf freundliche Weise ab.

Fazit: die ergreifende und prachtvolle Musik in dieser schönen Interpretation kann man unbeschwert genießen, dafür 20 Punkte. Das kitschige Bild sollte man besser ausschalten.



Georg Henkel



Trackliste
1Mouliné, Veni sponsa mea
2Mouliné, Eso flos campi
3Mouliné, Cantemus Domine
4Mouliné, Caro mea vere est
5Roberday, Fuge
6Mouliné, Nunc Dimittis
7Mouliné, Litanies de la vierge
8Mouliné, Domine salvum fac regem
9Bouzignac, Ecce festivitas amoris
10Rossi, Un peccator pentito
11Lambert, Tout l'univers obéit à l'amour
Besetzung

Orlanda Velez-Isidro, Sopran
Christophe Dumaux, Haut-Contre
Jeffrey Thompson, Tenor
Marc Mauillon, Tenor
Joao Fernandes, Bariton
Bertrand Bontoux, Bass

Atsushi Sakai, Gambe
Elisabeth Kenny, Theorbe

William Christie, Ltg. und Orgel


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