Musik an sich


Artikel
TRUCK STOP - Deutschtes Country-Urgestein




Info
Gesprächspartner: Truck Stop

Zeit: 02.09.2006

Ort: Spelle

Interview: Face 2 Face

Stil: Country

Internet:
http://www.truck-stop.de/

Zum ersten Mal hieß es im südlichen Emsland "Die Elbe-Cowboys kommen!", denn die Trucker-Freunde Spelle hatten zur Truck-Show eingeladen und neben Maverick die "Cowboys der Nation" für den musikalischen Teil verpflichtet. Vor dem umjubelten Auftritt fanden Schlagzeuger Teddy Ibing, Pedal-Steel-Gitarrist Knut Bewersdorff und Frontmann Cisco Berndt von Truck Stop Zeit für ein Interview in lockerer Atmosphäre.

MAS:
Ihr seid seit mehr als 30 Jahren im Geschäft und bereist gemeinsam ganz Europa. Wie schafft man es, sich dabei nicht übermäßig auf die Nerven zu gehen?


Knut:
Selbstverständlich gibt es auch bei uns in der Band immer mal wieder Krach und Meinungsverschiedenheiten. Eigentlich nie persönliche Streitigkeiten, sondern immer nur Geschichten, bei denen es um den Job geht. Wir haben es aber seit 33 Jahren geschafft, uns immer wieder zusammenzuraufen und die Sachen auszudiskutieren. Und da wir keinen Chef in der Band haben, müssen wir das halt demokratisch entscheiden und letztlich ist jedem klar, dass wir alle an einem Strang ziehen müssen.

MAS:
Achtet ihr darauf, was sich aktuell in den amerikanischen Country-Charts tut und übernehmt ihr vielleicht Elemente daraus?


Cisco:
Sicherlich bekommen wir das mit. Toby Keith ist nicht ohne, Alan Jackson auch nicht, aber was ansonsten in den Charts läuft, das hak ich für mich ab. Ich ärger mich darüber, dass es Leute gibt, die sich nicht entscheiden können, ob sie nun Countrymusik, Südstaatenrock oder Pop machen wollen. Und das ist mir einfach zu blöd.

Knut:
Ich hab eigentlich überhaupt keinen Bezug zur amerikanischen Countrymusik. Die höre ich nebenbei, denn sie hat auf mein Wirken bei Truck Stop überhaupt keinen Einfluss. Wir haben ja unseren eigenen Sound kreiert und unsere Art, Countrymusik zu interpretieren, und die hat nun rein gar nichts mit Amerika zu tun.

MAS:
Gibt es eigentlich noch die deutsche Countryszene und wie geht es ihr? Vor Jahren war sie noch recht lebendig und ist dann doch ein wenig abgetaucht.


Cisco:
Die guten Bands sind ja immer noch da, und die, die noch fünf Jahre in den Keller müssen, haben sich auch dahin begeben – hoff ich mal. Das ist grob gesagt, stimmt aber so. Es muss ja auch einen Grund haben, dass die Truckerfestivals immer weniger werden und viele Veranstalter inzwischen abgesprungen sind.

MAS:
Liegt dies vielleicht auch an den zu hohen Kosten?


Cisco:
Teilweise bestimmt. Wer für zwei Personen 40,- Euro Eintritt bezahlen muss, überlegt es sich natürlich. Obwohl dies nicht an den Gagen liegt, was immer wieder gerne behauptet wird.

Knut:
Seit 17 Jahren haben wir einen konstanten Preis. An unseren Gagen kann es nicht liegen, dass die Veranstalter mit ihren Preisen so angezogen und teilweise nur das Währungszeichen auf Euro umgestellt haben.

MAS:
Gibt es für die Bands denn noch genügend Auftrittsmöglichkeiten?


Knut:
Es ist sicherlich in den Jahren schon recht schwierig geworden für junge Bands und Solokünstler, die sich teilweise gratis anbieten, nur um irgendwie in ein Vorprogramm reinzurutschen bei einem größeren Festival. Aber ich glaube, das Hauptproblem dieser jungen Bands ist, dass sie zuwenig Durchhaltevermögen besitzen. Die spielen zwei, drei Jahre und haben ein wenig Erfolg gesammelt, und dann geraten sie sich in die Haare und laufen auseinander. Ja, wenn man das so macht, dann kommt man nicht vom Fleck. Wir müssen uns seit 33 Jahren immer wieder zusammenraufen, um letztendlich an einem Strang zu ziehen.

MAS:
Macht die Nähe zum Schlager euch und euer Musik zu schaffen?


Knut:
Was ist denn Schlager? Schlager ist nichts anderes als deutschsprachige Popmusik! Natürlich haben unsere Songs, und da gerade die Single-Auskopplungen, Schlager- und populäre Einflüsse, denn wir wollen die Leute erreichen und im Rundfunk gespielt werden. Wir machen keine Musik für Minderheiten, wir wollen die Menge erreichen.

Teddy:
Im Fernsehen sieht es noch trauriger aus. Wo hast du heute noch die Möglichkeit, deutschsprachige Musik im Fernsehen unterzubringen. Außer den volkstümlichen Sendungen bleibt nicht mehr viel übrig.

Cisco:
Die Melodien sind teilweise ein wenig schlagerhaft. Was uns aber abhebt, ist, dass wir meistens bessere Texte haben; aus dem Leben gegriffen, nicht immer „Ich lieb dich“.

MAS:
Aber wenn man mal an die 80er denkt, als eure Texte noch recht frech waren, hat man nun das Gefühl, ihr seid ein wenig zahmer geworden.


Knut:
Was nützen freche Texte, solange es Sender gibt, die diese Titel boykottieren. Davon haben wir nichts. Wir leben davon, dass wir Musik machen und in den Medien präsent sind.

Teddy:
Wir haben aber auf allen Alben irgendeinen Bolzen oder ein Schmankerl drauf, das wir uns einfach mal erlauben.

MAS:
Wer bestimmt, welche Titel auf ein Album kommen? Die Plattenfirma oder ihr?


Teddy:
Wir haben mit der Plattenfirma einen so genannten Bandübernahmevertrag, d.h. im Gegensatz zum Künstlervertrag, bei dem dir die Platenfirma alles vorschreiben kann, werden die Titel so übernommen, wie wir sie einreichen. Und dabei haben wir völlig freie Hand.

MAS:
Welche Musik würdet ihr gern machen, wenn ihr nicht bei Truck Stop wärt.


Knut:
Ich wollte immer mal gerne in einer Bigband spielen, denn ich steh unheimlich auf Swingmusik. Vor meiner Zeit als Pedal-Steel-Gitarrist hab ich Bass gespielt und hätte gerne in einer Bigband mit großem Bläsersatz gespielt.

Teddy:
Auch für einen Drummer ist Bigband das größte. 1970 hab ich ein Konzert von Count Basie gesehen, das mich sehr fasziniert hat.

MAS:
Cisco, du sitzt hier im Western-Outfit. Ist das nun Freizeit- oder Bühnendress?


Cisco:
Das ist meine Freizeitkleidung. Für´s Bühnenoutfit kommt noch ein Bolotie dazu. (Gelächter) Ich mach es mir nicht leicht.

Knut:
Aber gerade das ist doch authentisch, denn Cisco transportiert das real life auf die Bühne. Bei anderen „Cowboy-Bands“ da stellen sich Künstler in teuren Gewändern auf die Bühne und sind trotzdem nicht authentisch. Unser Cisco ist das!

MAS:
Mit welchen Countrymusikern würdet ihr gerne einmal zusammenspielen?


Cisco:
Für mich ist es schon fast zu spät! Die einzigen, auf die ich noch stehe, sind Don Williams und George Jones. Johnny ist ja leider von uns gegangen.

Teddy:
Ich würde ganz gern mit den Bellamy Brothers spielen. Wir treffen uns ja alle paar Jahre mal und haben einen ganz guten Draht zueinander. Wenn die dann mal wiederkommen, kenn die noch alle unsere Namen, das ist schon erstaunlich. Im Moment würde ich jedoch sehr gern mit Josh Turner arbeiten, der gefällt mir.

Knut:
Ich hab da keine speziellen Wünsche. Aber ich erinnere mich gern an ein Zusammentreffen mit Garth Brooks. Bei einer Fernsehaufzeichnung in Hamburg hatte ich seiner Band meinen Steel-Guitar-Amp zur Verfügung gestellt, und danach kam Garth zu mir, hielt einen kleinen Smalltalk und bedankte sich für das Ausleihen.

MAS:
An welche Auftritte erinnert ihr euch besonders gerne?


Cisco:
Da gibt es viele. Das Größte war aber wohl das Festival in Fort Worth, Texas. Da waren wir eine Woche lang und bekamen noch einen höllisch schweren Bronze-Preis als bester Act aus Deutschland.

Teddy:
Da waren 32 Acts aus der ganzen Welt vertreten, die Bellamys, Bobby Bare usw., und Tom Jones war auch noch da, zu einer Zeit also, als er noch Country machte. Er war der einzige, der mit Playback gearbeitet hat. Das war also ziemlich erbärmlich. Sogar das Kreischen der Fans kam vom Band, wenn er die Hüften schwang. Aber ansonsten waren dort hervorragende Musiker dabei. Viele deutsche Bands schielen ja nach Amerika und wollen nach Nashville ... vergiss es!

Cisco:
Da kriegen die kein Bein an den Grund. Und gerade Nashville als Hochburg legt überhaupt keinen Wert auf ausländische Musiker. Schon in den 70ern war man als Ausländer chancenlos. Da wartet man nicht auf jemanden, der aus Posemuckel anreist und sagt: „I´m a countrysinger“. Die ganzen Straßen in Nashville sind voll von Musikern, die auf der Suche nach einem Agenten sind. Das ist fast wie ein Viehauftrieb.

MAS:
Kann man den ständigen Tourstress noch ab? Ist man es nicht irgendwann mal leid, immer auf Achse zu sein?


Cisco:
Die reinen Auftritte liebe ich ja über alles. Aber was ich zu hassen anfange, ist das stundenlange Herumgurken in den Autos, teilweise 6, 7 oder mehr Stunden.

Knut:
Aber auch daran gewöhnt man sich. Wenn man nur noch 300 km zu fahren hat, sagt man schon: Wir sind gleich zuhause. Wenn man als Beifahrer einschläft und macht nach zwei Stunden die Augen auf, erkennt man sofort jeden Hügel und jeden Baum und kann bis auf 10 km genau sagen, wo man sich gerade aufhält.

MAS:
Wie lange wird es Truck Stop noch geben? Gibt es irgendeine Deadline, nicht nur nach Jahren bemessen, sondern auch an Personen geknüpft?


Teddy:
Das Ende ist offen. Diese Kapelle löst sich biologisch auf. Und solange die Leute uns noch hören wollen, machen wir weiter.

Knut:
Das Gute ist ja, man hat Musik geschaffen. Und die Lieder bleiben.

MAS:
Das könnte auch bei Elvis auf dem Grabstein stehen.


Knut:
Selbstverständlich, und deshalb sehe ich es auch als „Open end“, solange es noch Spaß macht. Vor drei Jahren haben wir mit Dirk Schlag einen neuen Gitarristen bekommen – Erich hat nach 30 Jahren aufgehört – und es waren tolle neue Einflüsse, die wir dadurch gewonnen haben. Das heißt also, wenn irgendwann ein bisschen Bewegung in die Besetzung kommen sollte, muss das nicht unbedingt schaden, sondern kann in eine andere Richtung positiv nach vorne gehen.

MAS:
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!


Lothar Heising



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