Mozart, W.A. (Guttenberg)
Requiem
HARDCORE
Trost? - "Den sehe ich nicht geschrieben in der Partitur. Ich wüsste nicht wo." So Enoch zu Guttenberg zu Mozarts Requiem. Und dementsprechend hat er sich das erklärte Ziel gesetzt, diese musikalische Auseinandersetzung mit dem Sterben "schrecklich darzustellen", ihr alle verklärende interpretatorische Milde auszutreiben.
Nun, ganz so wild ist es dann alles doch nicht geraten, aber Guttenbergs Lesart ist eine nach dieser Deutung zutiefst subjektive, dabei jedoch nie willkürlich und stets konsequent. Er nimmt sich gegenüber der Partitur einige Freiheiten heraus: Guttenberg streut am Ende des Eingangssatzes ("et lux perpetua") Pausen und Rückungen ein, überzeichnet das Dies irae durch Crescendi, wo sie nicht vorgeschrieben sind, konterkariert so manche musikalische Figur ("tantus labor non sit cassus"), indem er sie überdeutlich ins Leere fallen lässt. Zugleich hebt er immer wieder orchestrale Begleitstimmen hervor und lässt die Fugen schulmeisterlich exerzieren, um den Sinngehalt des Textes in Frage zu stellen.
Aber dies ist alles andere, als "Klamauk, pseudophilosophischer Exkurs und modischer Effekt", wie es Sixtus König dazu kürzlich in Klassik heute schrieb. Es ist eine Deutung, die jedenfalls aus dem Werk heraus möglich und dabei weit weniger auf ein künstlich-absichtsvolles Gegen-den-Strich-Bürsten angelegt ist, als etwa Harnoncourts letzte Einspielung des Requiems (dhm, 2004). Als Beispiel sei der attaca-Übergang vom Kyrie eleison zum Dies irae angeführt: Natürlich steht ein solcher nicht im Notentext. Aber ergibt es nicht Sinn, auf diese Weise vorzuführen, wie notwendig die Bitte um Erbarmen in den Schrecken des Gerichts ist? Oder das bewusst dünn und wackelig gehaltene "Voca me" im Confutatis - Guttenberg sieht es treffend als schüchtern-verzweifelte, fast hoffnungslose Bitte der Seele um Errettung und hält dementsprechend einen engelsgleichen Gesang für deplaziert.
Mit einer solchen Deutung löst sich die Musik zugleich aus liturgischen Kontexten heraus. Aber insofern ist dieses Requiem ohnehin ein autonomes Werk, das die Entwicklung der geistlichen Musik im 19. Jahrhundert vorwegnimmt, welche sich nicht mehr ohne weiteres in den Dienst stellt, sondern ihre Bedeutung aus sich selbst heraus bezieht. Das ist auch und gerade deshalb schlüssig, weil es ja Mozart war, der sich nicht mehr den starren Bindungen des kirchlichen Reglements im erzbischöflichen Salzburg unterwerfen, sondern künstlerisch frei agieren wollte.
Eine legitime, spannende Herangehensweise an ein scheinbar so wohlbekanntes Werk, der zuzuhören sich lohnt, auch wenn man an mancher Stelle anderer Ansicht seien mag. Mit der Chorgemeinschaft Neubeuern steht Guttenberg ein Klangkörper zur Verfügung, der seine Ideen kompromisslos und treffsicher umsetzt, wie auch das Orchester der Klangverwaltung. Im Solistenquartett sticht der vibratoreiche, schneidende Sopran von Anna Korondi unangenehm heraus, wohingegen insbesondere Jörg Dürmüller (Tenor) eine sehr beachtliche Leistung bietet. Das ganze ist mit trockenem Klang eingefangen - auch insofern wurde das Werk also konsequent aus dem Kirchenraum herausgelöst.
Sven Kerkhoff
Besetzung |
Anna Korondi, Sopran Gerhild Romberger, Mezzosopran Jörg Dürmüller, Tenor Jochen Kupfer, Bass
Chorgmeinschaft Neubeuern Orchester der KlangVerwaltung
Ltg. Enoch zu Guttenberg
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