Musik an sich


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ELVIS PRESLEY - Ein Gott mit Bodenhaftung




Info
Autor: Peter Guralnick

Titel: Last Train to Memphis – Elvis Presley, Sein Aufstieg 1935-1958

Verlag: Bosworth, Berlin, 2005

ISBN: 3-86543-096-1

Preis: € 24,95

641 Seiten


Elvis Presley - kaum ein anderer Name in der Geschichte der Rock- und Pop-Musik hat einen derart heiligenscheinartigen Halo um sich aufgebaut. Selbst die Beatles erscheinen neben dieser Ikone der Musikgeschichte wie Normalbürger.

Um so überraschender, dass Elvis im Laufe der über 600 Seiten von Guralnicks erstem(!) Band seiner Biographie erst langsam als prägend handelnde Person in Erscheinung tritt. Die Hauptperson in der ersten Hälfte heißt Sam Phillips. Der Betreiber des kleinen Sun Record Labels in Memphis bemerkte als erster, was hinter diesem schüchternen, wohlerzogenen weißen Jungen steckte, der schwarzen Gospel mit weißem Country mischte und eine Musik entwickelte, die sich irgendwo im Niemandsland zwischen den damals streng voneinander getrennten Country-, Soul- und Pop-Charts bewegte.
Phillips ermöglichte ihm Aufnahmen ohne ihn zu bevormunden, pries seine Scheiben bei Disc Jockeys und Plattenladenbesitzern an und stellte das Engagement für Elvis mehr und mehr in den Mittelpunkt seiner Arbeit.

Elvis selber erscheint als zielstrebiger, aber eher zurückhaltender Jugendlicher. Was er musikalisch wollte, wusste er. Als kommender Superstar erscheint er aber bis zum Ende des Buches kaum. Seine Karriere scheint ihm fast nebenbei zu passieren und zuzufallen. Sie ist vorwiegend das Werk erst von Phillips und später des schillernden „Colonel“ Parker, der das Management von Elvis übernimmt, als dessen Karriere der Möglichkeiten des kleinen Sun Records Labels überstieg.

Bis zum Ende dieses Bandes bleibt Elvis ein eher durchschnittlicher Jugendlicher dessen Leben um seine Familie, seine Freunde und seine Musik kreist. Die Karriere erscheint im Wesentlichen als Möglichkeit diese Musik zu spielen und dabei Musiker zu treffen, die er verehrt. Das Geld, das er verdient ist kein Wert an sich, sondern der Weg seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen und sich selbst die Spielsachen zu besorgen, an denen er Spaß hat. Das sind vor allem Autos.

Möglicherweise endet das Buch an einer ganz entscheidenden Stelle. Wir verlassen Elvis als er Amerika – und zum ersten Mal für längere Zeit seine vertraute Umgebung von Familien und Freunden – verlässt, um seinen Dienst als GI in Deutschland anzutreten.

Guralnick gelingt es ganz hervorragend Elvis dort abzuholen, wo seine Karriere beginnt. Er schafft es, ihn als einen jungen Mann voller Träume, Hoffnungen und Ängste lebendig werden zu lassen. Zu keinem Moment hat man den Eindruck, hier einer Legende in ihren Anfangstagen zu begegnen. Das macht Last Train zu Memphis zu einem spannend zu lesenden Buch, das – obwohl jeder weiß, wohin der Weg geht - in jedem Moment einen offenen Ausgang zu haben scheint. “Alles in allem gesehen, war es eine eigentümlich faule, idyllische Art des Daseins, der Traum eines jeden Heranwachsenden, der scheinbar für immer andauern könnte.“ (S. 479)


Norbert von Fransecky



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