KONTRA
Paul Gerhardt (1607-1676) schrieb religiöse Texte, nicht mal besonders
gut, die sich nun in teils alten (etwa: Melchoir Teschner (1584-1635))
teils neuen (Sarah Kaiser) Vertonungen auf dieser Platte finden. Finden
lassen, besser: das Label ist scheinbar ein Christliches welches, soll
heißen: religiöse Thematik etc. Das ist kein Problem. Das war auch bei
Marvin Gaye kein Problem, oder bei Sam Cooke. Nur ist das hier
Schwachsinn erster Güte.
Man mag argumentieren, dass der Verlag so klein ist, also kann man nicht
annehmen, das Album wäre für einen allgemeinen Markt aufgenommen.
Nicht, dass Sarah Kaisers Stimme nicht ihre guten Momente hätte. Aber
jedesmal, da ich das Wort "gediegen" verwendet habe, hatte ich unrecht.
DAS IST DIE VERKÖRPERUNG VON UNSINNIGER, SPANNUNGSLOSER UND
UNAUFREGENDER(=LANGWEILIGER) MUSIK. Wieso man sich die Mühe machen
sollte, das ganze auf CD zu pressen gehört zu den Mysterien des
Plattenbusiness.
Die Begleitung wäre selbst für Barjazz noch zu schwach und die
Melodien sind platt dahingeträllerte Platitüden und Ärgernisse. Man
wird es nicht schaffen, das Album selbst im Hintergrund durchzuhören, es
sei denn man selbst steht unter der Dusche, staubsaugt den Boden oder
ist tot.
Nicht falsch zu verstehen: Ich bin nicht böse, ich bin nur ehrlich. Das
ganze wird früher oder später im Mistkübel landen.
0 von 20 Punkte
Daniel Syrovy
PRO
Auf einen groben Klotz gehört ein großer Keil. Subjektive Meinung hin und her. Der Verriss der Sarah Kaiser-CD darf so nicht
stehen bleiben.
Dass Daniel das Label Gerth nicht kennt, ist verzeihlich. Zwar gehört es zu den drei führenden christlichen Lables in Deutschland - ähnlich
wie vielleicht Nuclear Blast für den Black Metal oder InsideOut für die progressive Schiene. Aber, wer in den genannten Genres absolut nicht
zu hause ist, muss sie nicht kennen.
Aber wer Paul Gerhardt mit den Worten "schrieb religiöse Texte, nicht mal besonders gut" charakterisiert, befindet sich nicht nur in
sehr einsamer Lage, sondern disqualifizert sich selber gründlich. Immerhin ist Paul Gerhardt der bedeutendste protestantische Kirchenliederdichter
überhaupt. Man übertreibt wohl kaum, wenn man sagt, dass er für das evangelische Kirchenlied dieselbe Bedeutung hat, wie Johann Sebastian
Bach für die Kirchenmusik. Welche Tiefe er in seinen Texten erreicht, sollte man - ob man ihn mag oder nicht - auch bei den von Sarah Kaiser
interpretierten Liedern erkennen können.
Neuinterpretationen von Klassikern sind immer zwiespältige Unternehmen. Und so wäre es nicht überraschend, wenn Kritiker von Sarah
Kaiser ihre Versionen als zu leicht befänden. Darauf geht unser guter Daniel (möglichweise aus Unkenntnis der Originale) aber nicht einmal ein.
Er bewertet die modernen Versionen aus sich selbst heraus - und kommt zu einem vernichtenden Urteil, das in verbalen Entgleisungen wie
"Schwachsinn erster Güte" gipfelt, die sich selbst ein aufbrausender Schülerzeitungsredakteur, der etwas auf sich hält verkneifen würde.
Erst im vierten Absatz beginnt Daniel mit etwas, was an substantielle Kritik erinnert - und hier kann ich ihm sogar ein Stück weit folgen.
"Für Barjazz zu schwach und "dahingeträllert" urteilt er. Immer noch überzogen, aber auch ich würde mir gelegentlich eine Schaufel
Kohlen mehr im Tender wünschen, etwas mehr Power, etwas mehr Leben. Vielleicht sollte man sich die Dame mal im Live-Auftritt zu Gemüte
führen.
Was Daniel aber nicht einmal am Rande zur Kenntnis nimmt, sind die äußerst sensiblen Interpretationen, mit denen Sarah Kaiser den alten
Paul Gerhardt-Nummern ein völlig neues Leben einhaucht. Gut, das funktioniert nicht bei jedem Stück. Aber das mit karibischen Rhythmen
arbeitende "Güldene Sonne" bringt die lebensbejahende Botschaft des über 300 Jahre alten Stückes völlig neu zum Leuchten. Ansonsten
gelingt es der talentierten Sängerin, auf beeindruckende Art alte Lieder und modernen Jazz zu neuen Perlen zu verschmelzen. Interessanter
Weise gehört die Sarah Kaiser-CD zu den wenigen Scheiben, die zwischen mir (Metal/Ska/Prog-Fan) und meiner Frau (Klassik) konsensfähig
sind.
Gast auf Erden ist keine Überflieger-Scheibe, auch kein Anwärter auf meine Scheibe des Monats oder des Jahres. Wahrscheinlich wird
sich auch tatsächlich nur für einen begrenzten Personenkreis von Interesse sein. Aber die 0 Punkte, die Daniel (nicht) verteilt hat, sind eine
Abstrafung, die sachlich völlig unbegründbar ist - und (vor allem in der Art, in der die Kritik formuliert ist) auch mit persönlichem Geschmack
nicht rechtfertigt werden kann. Daher durften sie nicht ohne Gegenwort bleiben
14 von 20 Punkte
Norbert von Fransecky
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