Musik an sich


Reviews
Pro und Kontra zu: Sarah Kaiser - Gast Auf Erden. Paul Gerhardt neu entdeckt
(Gerth Music)
Jazz
Trackliste:
1. Sollt ich meinem Gott nicht singen
2. Befiehl du meine Wege
3. Wie soll ich dich empfangen
4. Die güldne Sonne
5. Ist Gott für mich so trete
6. Herz
7. O Haupt voll Blut und Wunden
8. Nun lasst uns gehn und treten
9. Du meine Seele, singe
10. Gast auf Erden
11. Ich steh an deiner Krippen hier
12. Gib dich zufrieden
13. Nun ruhen alle Wälder

KONTRA

Paul Gerhardt (1607-1676) schrieb religiöse Texte, nicht mal besonders gut, die sich nun in teils alten (etwa: Melchoir Teschner (1584-1635)) teils neuen (Sarah Kaiser) Vertonungen auf dieser Platte finden. Finden lassen, besser: das Label ist scheinbar ein Christliches welches, soll heißen: religiöse Thematik etc. Das ist kein Problem. Das war auch bei Marvin Gaye kein Problem, oder bei Sam Cooke. Nur ist das hier Schwachsinn erster Güte.

Man mag argumentieren, dass der Verlag so klein ist, also kann man nicht annehmen, das Album wäre für einen allgemeinen Markt aufgenommen.

Nicht, dass Sarah Kaisers Stimme nicht ihre guten Momente hätte. Aber jedesmal, da ich das Wort "gediegen" verwendet habe, hatte ich unrecht. DAS IST DIE VERKÖRPERUNG VON UNSINNIGER, SPANNUNGSLOSER UND UNAUFREGENDER(=LANGWEILIGER) MUSIK. Wieso man sich die Mühe machen sollte, das ganze auf CD zu pressen gehört zu den Mysterien des Plattenbusiness.

Die Begleitung wäre selbst für Barjazz noch zu schwach und die Melodien sind platt dahingeträllerte Platitüden und Ärgernisse. Man wird es nicht schaffen, das Album selbst im Hintergrund durchzuhören, es sei denn man selbst steht unter der Dusche, staubsaugt den Boden oder ist tot.

Nicht falsch zu verstehen: Ich bin nicht böse, ich bin nur ehrlich. Das ganze wird früher oder später im Mistkübel landen.

0 von 20 Punkte

Daniel Syrovy

PRO

Auf einen groben Klotz gehört ein großer Keil. Subjektive Meinung hin und her. Der Verriss der Sarah Kaiser-CD darf so nicht stehen bleiben.

Dass Daniel das Label Gerth nicht kennt, ist verzeihlich. Zwar gehört es zu den drei führenden christlichen Lables in Deutschland - ähnlich wie vielleicht Nuclear Blast für den Black Metal oder InsideOut für die progressive Schiene. Aber, wer in den genannten Genres absolut nicht zu hause ist, muss sie nicht kennen.

Aber wer Paul Gerhardt mit den Worten "schrieb religiöse Texte, nicht mal besonders gut" charakterisiert, befindet sich nicht nur in sehr einsamer Lage, sondern disqualifizert sich selber gründlich. Immerhin ist Paul Gerhardt der bedeutendste protestantische Kirchenliederdichter überhaupt. Man übertreibt wohl kaum, wenn man sagt, dass er für das evangelische Kirchenlied dieselbe Bedeutung hat, wie Johann Sebastian Bach für die Kirchenmusik. Welche Tiefe er in seinen Texten erreicht, sollte man - ob man ihn mag oder nicht - auch bei den von Sarah Kaiser interpretierten Liedern erkennen können.

Neuinterpretationen von Klassikern sind immer zwiespältige Unternehmen. Und so wäre es nicht überraschend, wenn Kritiker von Sarah Kaiser ihre Versionen als zu leicht befänden. Darauf geht unser guter Daniel (möglichweise aus Unkenntnis der Originale) aber nicht einmal ein. Er bewertet die modernen Versionen aus sich selbst heraus - und kommt zu einem vernichtenden Urteil, das in verbalen Entgleisungen wie "Schwachsinn erster Güte" gipfelt, die sich selbst ein aufbrausender Schülerzeitungsredakteur, der etwas auf sich hält verkneifen würde.

Erst im vierten Absatz beginnt Daniel mit etwas, was an substantielle Kritik erinnert - und hier kann ich ihm sogar ein Stück weit folgen. "Für Barjazz zu schwach und "dahingeträllert" urteilt er. Immer noch überzogen, aber auch ich würde mir gelegentlich eine Schaufel Kohlen mehr im Tender wünschen, etwas mehr Power, etwas mehr Leben. Vielleicht sollte man sich die Dame mal im Live-Auftritt zu Gemüte führen.

Was Daniel aber nicht einmal am Rande zur Kenntnis nimmt, sind die äußerst sensiblen Interpretationen, mit denen Sarah Kaiser den alten Paul Gerhardt-Nummern ein völlig neues Leben einhaucht. Gut, das funktioniert nicht bei jedem Stück. Aber das mit karibischen Rhythmen arbeitende "Güldene Sonne" bringt die lebensbejahende Botschaft des über 300 Jahre alten Stückes völlig neu zum Leuchten. Ansonsten gelingt es der talentierten Sängerin, auf beeindruckende Art alte Lieder und modernen Jazz zu neuen Perlen zu verschmelzen. Interessanter Weise gehört die Sarah Kaiser-CD zu den wenigen Scheiben, die zwischen mir (Metal/Ska/Prog-Fan) und meiner Frau (Klassik) konsensfähig sind.

Gast auf Erden ist keine Überflieger-Scheibe, auch kein Anwärter auf meine Scheibe des Monats oder des Jahres. Wahrscheinlich wird sich auch tatsächlich nur für einen begrenzten Personenkreis von Interesse sein. Aber die 0 Punkte, die Daniel (nicht) verteilt hat, sind eine Abstrafung, die sachlich völlig unbegründbar ist - und (vor allem in der Art, in der die Kritik formuliert ist) auch mit persönlichem Geschmack nicht rechtfertigt werden kann. Daher durften sie nicht ohne Gegenwort bleiben

14 von 20 Punkte

Norbert von Fransecky

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