Fangen wir gleich genauso heftig an, wie Silent Exile selber: "Dancing with Death" ist eine der stärksten Prog-CDs, die ich in den letzten Monaten in die Finger bekommen habe. Und wenn ich das sage, bezeihe ich in den vergleich Genre-Giganten wie Vanden Plas, Dream Theater, Threshold, Spock´s Beard und Transatlantic durchaus mit ein.
Die Progressiven Kanadier gehen mit "Walls of Society" gleich äußerst heftig zur Sache. Keyboard, Schlagzeug, Gitarren und Sänger dürfen alles zeigen, was sie können - streckenweise sogar gleichzeitig. Trotzdem bleibt der Sound immer klar, transparent und gut organisiert. Damit überholen die Eigenproduzenten diverse etablierte Acts sozusagen auf der Standspur. Mich erinnert das Ganze ein wenig an die neue Threshold - allerdings ohne den schalen Nachgeschmack, den ich bei den etablierten Briten verspürte. (s. das Review in dieser Ausgabe.)
Bei "Stratosphere" wirkt die Stimme von Chriss J.Y., wenn sie sich kraftvoll über das ruhige Grundgerüst erheben will, ein wenig angestrengt. An dieser Stelle ist das aber nicht einmal negativ zu vermerken, denn es passt durchaus zum Text.
Nach zwei ruhigeren Nummern tritt "On the Hill" das Gaspedal wieder durch. Da man auf die Materialschlacht des Openers verzichtet, kommt das Stück sehr eingängig daher. Bei entsprechender Promotion könnte so was Hitpotenzial haben. Allerdings nervt der Gesang hier wirklich ein wenig.
Ein kraftvolles Durchsetzungsvermögen, ein sensibles Gefühl für Melodien und Harmonie, songdienliche und abwechslungsreiche Kompositionen geben den Quebec-Quintett alles was ein Progressive-Act braucht. Leichte Schwächen im Arrangement, in der Produktion und vor allem - wie schon erwähnt - beim Gesang sind bei einer Eigenproduktion allemal verzeihbar. Eigentlich müssten InsideOut, denn in deren Repertoire gehören Silent Exile, hier sofort zugreifen.
Der absolute Hammer kommt dann am Ende mit dem überlangen Doppeltrack "Images at War". Allein die Vielzahl unterschiedlicher Keyboardsolos, Grand Piano, Kirchenorgel, Hammond- und Dream Theater-Orgeln, machen das Stück zu einem Leckerbissen. Selbst Chriss J.Y. macht hier alle Fragezeichen vergessen, die er im Laufe der CD gelegentlich in den Raum gestellt hatte.
Progjünger haben die Finger hoffentlich bereits auf den Tasten, um die gierige e-mail abzulassen.
Norbert von Fransecky
18 von 20 Punkte
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