Petrova, Di Felice, Schmunck, Czech Chamber Soloists, A. Zedda
"Eine bizarre Täuschung", so müßte man wohl den Titel dieser neuentdeckten Rossini-Perle übersetzen. Und wer um ihre Entstehung nicht Bescheid weiß, wird sich gewiß zunächst darüber täuschen, wann das Werk entstanden ist. Hört man die raffinierten Ensembles, den unermüdlich vorwärtsstrebenden musikalischen Duktus, die typischen melodischen Wendungen, so mag man kaum glauben, daß dies die erste große Oper des kaum 19 Jahre alten Komponisten war.
Dem international beachteten und renommierten Festival "Rossini in Wildbad" ist es zu verdanken, daß wir das Stück - wenn auch nicht ganz ungetrübt - wieder genießen und bewundern können.
Bei der vorliegenden CD-Produktion handelt es sich um einen Live-Mitschnitt vom Juli letzten Jahres. Das macht sich zwar negativ bei der Klangqualität bemerkbar, vor allem, wenn die Akteure im hinteren Teil der Bühne agieren und ihre Stimmen kaum durchdringen, andererseits hört man, wie ungeheuer viel Spaß Künstler und Publikum an der Sache gehabt haben.
Kein Wunder, reizt doch nicht nur die Musik, sondern auch das Libretto, das für eine komischer Oper durchaus pfiffig und trotz aller traditionell zu nennenden Verwechselungen, Irrungen und Liebschaften originell ist. Schade, daß mangels einer Übersetzung des italienischen Textes Wortwitz und historische Anspielungen nicht voll zur Geltung kommen.
Im Sängerensemble überzeugen diesmal - überraschend angesichts der sonst zu beobachtenden Entwicklung auf den Bühnen und in den Studios - die Männer. Insbesondere Dario Schmunck wartet mit einem lyrischen Tenor auf, der nuanciert und kraftvoll zugleich ist, jedoch ohne die übliche Kraftmeierei auskommt. Sein Gegenpart Marco Vinco als reicher, aber dümmlicher Verlobter, reicht da stimmlich nicht ganz heran, gestaltet die Rolle aber ungeheuer lebendig. Das gelingt auch dem Bariton Marco Di Felice, der den stets polternden neureichen Bauern mit viel musikalischem Humor interpretiert.
Enttäuschend demgegenüber die Mezzo-Sopranistin Petia Petrova in der weiblichen Hauptrolle als Ernestina. Noch vor wenigen Jahren konnte man Petrova bei internationalen Gesangswettbewerben als hoch gehandelte Zukunftshoffnung erleben. Dies indes erweist sich heute gleichfalls als "bizarre Täuschung", denn ihre Stimme ist eng und in der Höhe glanzlos. Mit den Koloraturen zeigt sie sich meistenteils überfordert. Hoffen wir, daß sie einfach nur einen schlechten Tag erwischt hat - Live-Aufnahmen sind da gnadenlos.
Auch in den kleineren Rollen steht nicht alles zum Besten. Eduardo Santamaria als Frontino provoziert beispielsweise fürwahr (seinem Namen gerecht werdend) die Anrufung der Heiligen Jungfrau - mit der Bitte nämlich, daß seine Auftritte kurz seien mögen.
Rossini-Spezialist Zedda dirigiert straff, manchmal vielleicht etwas zu brav und glatt, aber alles in allem angemessen. Das Orchester zeigt sich souverän, muß aber auch keine besonderen Schwierigkeiten meistern.
So ist eine Einspielung entstanden, die den Wunsch weckt, das Werk demnächst öfter auf der Bühne zu sehen, steht es doch den bekannteren Opern Rossinis musikalisch in nichts nach.
Repertoire: 4 Punkte
Klang: 3 Punkte
Interpretation: 3 Punkte
Edition: 3 Punkte
Gesamt: 13 von 20 Punkte
Sven Kerkhoff