Desprez, J. (Da Col, P.)
Giosquino. Josquin in Italien
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Info |
Musikrichtung:
Renaissance Vokal
VÖ: 02.09.2021
(ARCANA / Note 1 / CD / DDD 2020 / Best. Nr. ARCANA 489)
Gesamtspielzeit: 77:17
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POLYPHONE GLOCKENKLÄNGE
Die Berufung des damals schon berühmten Josquin Desprez von Rom an den Hof der d'Este in Ferrara im Jahre 1503 bot dem Komponisten beste Möglichkeiten, verfügte der Fürst, Ercole I. d’Este, doch über ein großes Ensemble von mehr als 20 Sängern. Überdies dürfte das außerordentlich hohe Jahresgehalt von 200 Gulden dem anspruchsvollen Künstler den Wechsel versüßt haben. Zwar währte der lukrative Aufenthalt am Ende kaum ein Jahr, weil die Pest wütete und Josquin deshalb erneut auf Stellensuche ging. Doch immerhin entstanden in der kurzen Zeit einige reife, groß disponierte und zugleich experimentelle Werke wie die „Missa Hercules dux Ferrarie“, dessen ostinatoartiger Cantus firmus aus den Vokalen im Namen des fürstlichen Auftraggebers, Hercules I. von Ferrara, gebildet wurde: re – ut – re – ut – re – fa – mi – re. Eine Premiere!
Diese vierstimmige Messe wird im Agnus Dei nochmals um zwei Stimmen erweitert – eine Gelegenheit für die Interpreten, die Besetzung ins Grandiose zu steigern: Nicht nur wird die in dieser Einspielung per se chorische Formation insgesamt durch eine weiteres Vokalensemble vergrößert, sondern es werden auch noch zwei Schalmeien und zwei Posaunen hinzugezogen. Die finale Friedensbitte bekommt so einen protobarocken Effekt! Überhaupt zeichnet sich die vorliegende Aufnahme, deren Schwerpunkt auf dem Ferrara-Jahr Josquins legt, durch eine flexible Klang- und Besetzungsregie aus, die die diskreten wie prächtigen Momente der Musik auskostet.
Das ausschließlich mit Männerstimmen besetzte 15-köpfige Ensemble „Odhecaton“ sorgt in der „Normalbesetzung“ für eine immer noch durchhörbare Klangfülle, in die aber je nach Möglichkeit immer wieder auch solistisch besetzte Passagen eingebettet sind. Beim besagten Agnus Dei verstärken neben dem Bläserquartett von „La Pifarescha“ noch die sieben Sänger von „Gesualdo Six“. Die „Gesualdo Six“ singen u. a. auch das eröffnende herrliche sechsstimmige „Praeter rerum seriem“ oder die fünfstimmige Motette „O virgo prudentissima“ in kleinerer Besetzung. Beim abschließenden monumental zwölfstimmigen „Inviolata, integra et casta“ vereinigen sich dann alle vokalen Kräfte und die Bläser zu einem majestätischen polyphonen „Glockenklang“. Zwei kurze instrumentale Zäsuren, die Bearbeitung weltlicher Chansons, sind dem Zupf-Trio von „La Reverdie“ bzw. den Bläsern von „La Pifarescha“ anvertraut, der Schwerpunkt liegt wie meistens auch bei dieser Produktion auf dem vokalen Schaffen Josquins.
Der Gesamteindruck ist oft erhaben, feierlich, aber nicht statisch, vielmehr beweisen die Ausführenden unter der Leitung von Paolo Da Col Sinn für Josquins oft rhetorische Text-Behandlung. Gerade die herb-dunkle Färbung eines rein männlichen Vokalensembles passt in seiner melancholischen Strenge vorzüglich zu dieser Musik, verleiht ihr eine zusätzliche innere Spannung. Auch die Licht-Schatten-Spiele z. B. in den unterschiedlich registrierten „Wechselchören“ von „Praeter rerum seriem“ gelingen eindrücklich. Zum Gesamtkonzept fügt sich schließlich auch die Aufnahmetechnik. Bei einer gewissen Weiträumigkeit im Ganzen weist sie den einzelnen Sängergruppen oder Solisten einen genauen Ort zu, ohne die Musik zu sezieren. Darüber hinaus verleiht die leicht diffuse Kirchenakustik der Ausführung einen authentische Atmosphäre.
„Giosquino“ ist ein reiches und wohlklingendes Geschenk zum 500. Todestag des Komponisten, den Martin Luther einst ganz zu Recht als „der Noten Meister“ pries!
Georg Henkel
Besetzung |
Odhecaton & Gesualdo Six
La Pifarescha
La Reverdie
Paolo Da Col: Leitung
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