Bach, J. S. (Holtz, C.)
Das Wohltemperierte Clavier I
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Info |
Musikrichtung:
Barock Cembalo
VÖ: 03.09.2021
(Ramée / Note 1 / 2 CD DDD / 2019 / Best. Nr. RAM 1912)
Gesamtspielzeit: 123:29
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WOHLTEMPERIERT UND WOHLGEMESSEN
Cembalist Cristiano Holtz ist nicht der erste, der sich mit Bachs "Clavier"-Musik auf einem Instrument mit einem zusätzlichen 16-Fuß-Register auseinandersetzt. Dadurch wird die klassische zweimanualige Dispostion mit 2x8- und 1x4-Fuß um eine tiefere Oktave erweitert. In voller Registrierungist das von fulminanter Wirkung! Kürzlich noch ist Vincent Bernhardt ebenfalls mit einer Einspielung auf einem deratigen Cembalo hervorgetreten (Label: Caliope).
Der Vergleich ist reizvoll, beide Interpreten bieten bei manchen Gemeinsamkeiten doch deutlich verschiedene Lesarten:
Virtuos, mit einer Bevorzugung schneller und auch sehr schneller Tempi sowie überraschender Zäsuren und Coups ist die Darstellung Bernhardts nicht nur ein Plädoyer für das lange Zeit verpönte deutsche „Riesencembalo“, sondern auch für einen musikantischen Bachstil, der den Präludien und Fugen überlegt die Zügel schießen lässt. Dies freilich immer sehr präzise und durchhörbar.
Cristiano Holtz spielt wie Bernhardt auf der Rekonstruktion eines Christian-Zell-Cembalos von 1728 von Matthias Kramer, das in diesem Fall zum erhaltenen historischen Deckel eines verschollenen Originalinstruments mutmaßlich dieses Hamburger Meisters hinzu rekonstruiert wurde. Die Dimensionen des Deckels lassen auf ein Instrument mit 16-Fuß-Register schließen. Holtz hat sich offenbar für eine „terzscharfe“ wohltemperierte Stimmung entschieden. (In seinem Bookletbeitrag verweist er auf die interessanten Theorien von Bradley Lehman im Bezug auf versteckte Hinweise in Bachs Autograph, leider ohne dass dies weiter erläutert würde.)
Auch nutzt er die vielen Registrierungsmöglichkeiten gleichfalls aus und setzt die einzelnen Stücke klangfarblich deutlich voneinander ab. Aber ansonsten ist der Ansatz recht verschieden von dem seines Kollegen: Im Vergleich zu Bernhardt spielt Holtz weniger extrem als „wohlgemessen“, biegsam und schwingend, mit schönen Proportionen in der Phrasierung und Artikulation. Auch die Tempowahl ist besonnener. Zwar gibt es virtuose Spitzen und auch entrückt-langsame Stücke. Doch zwischen diesen Polen schreitet Holtz die Möglichkeiten eher im mittleren Spektrum aus, wobei die Wahl der Tempi und der Registrierung (bzw. umgekehrt) oft miteinander korrespondieren. Also: 16-Fuß-bassverstärkte Registrierungen tendieren auch zu einer entsprechend gewichtigen Darstellung der Musik, die helleren Klangmischungen werden für schnellere Tempi bevorzugt.
So ist dies eine insgesamt ruhigere, ausgewogene Interpretation, auf ihre Weise ebenso konsequent wie diejenige Bernhardts. Diese Maßhaltung und die dadurch erreichte Luftigkeit im Spiel kommen dem gewählten Instrument entgegen. Denn dieser Zell-Nachbau klingt sehr rund, um nicht zu sagen elegant, kann sich mit den ansonsten bevorzugten Ruckers-Cembali und den Modellen der französischen Schule durchaus messen. Eine gewisse metallisch-nasale Schärfe, die die Instrumente deutscher Bauart manchmal etwas anstrengend klingen lassen, fällt weniger auf.
Kurz: Es ist ein Genuss, diesem Instrument zuzuhören, wenn auf ihm Bachs dichte und reiche Musik so fein austariert gespielt wird.
Georg Henkel
Besetzung |
Cristiano Holtz, Cembalorekonstruktion nach einem Modell von Christian Zell von 1728
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