Die kanadischen Bären sind los: Bears Of Legend überzeugen nicht nur in Rudolstadt, sondern auch in Leipzig
Da kommt eine noch relativ unbekannte Band aus dem französischsprachigen Teil Kanadas zu ihren ersten Deutschlandgigs nach Rudolstadt – und dort passiert etwas Eigenartiges: Bears Of Legend sollen auf dem 2017er Tanz- und Folkfest eigentlich zwei kleinere Auftritte spielen, aber eine algerische Formation hat keine Visa erhalten, und so kommt das Ahornblatt-Septett noch zu einem dritten Gig: auf der Hauptbühne und mit Fernsehübertragung bei arte. Das sorgt natürlich für einen Popularitätsschub (den Gigmitschnitt kann man sich zum Rezensionszeitpunkt immer noch bei YouTube anschauen), und die Nachfrage nach den mitgebrachten CDs beginnt schnell die Vorräte zu übersteigen. Trotzdem bleibt die Formation auf dem Boden der Tatsachen. Ein Jahr später kehrt sie nach Europa zurück, spielt zunächst etliche Konzerte in Frankreich und dann auch ihre ersten zwei Clubgigs in Deutschland. Der erste der beiden steigt an einem Montagabend in Leipzig, und die Moritzbastei ist für diesen Wochentag, noch dazu an einem warmen Sommerabend, auffällig gut ge-, wenn auch nicht überfüllt. Das Publikum zeigt sich von der ersten Nummer an gut gelaunt und mitsingfreudig, und Sänger David fordert nach einigen Songs Handzeichen ein, wer die Band schon vor diesem Abend kannte. Es meldet sich der überwiegende Anteil der Anwesenden, und die überraschte Frage des Frontmannes, woher denn diese Kenntnis stamme, wird mit einem vielstimmigen „Rudolstadt!“ beantwortet – der große Festivalgig hat also nachhaltige Eindrücke hinterlassen, und nach Konzertende hört man am Merchstand etliche Male den Dialog, dass der Käufer nur eine der beiden CDs erwerben wolle – die andere besäße er nämlich schon und hätte in Rudolstadt auch schon beide gekauft, wenn denn die eine nicht schon ausverkauft gewesen wäre ... Offensichtlich haben die Kanadier also einen bestimmten Nerv des Publikums getroffen, und da sie „so ganz nebenbei“ auch noch exzellente Musiker und Songwriter sowie offensichtlich bodenständige und nette Typen sind und zudem auch noch recht originell musizieren, wäre ihnen ein Aufstieg auf der Erfolgsleiter natürlich ganz besonders zu gönnen. Dabei machen sie Musik, die durchaus schwierig zu kategorisieren ist. Der Rezensent ist kein Folkexperte, aber aus seiner ausschnittweisen Kenntnis dieser Szene fällt ihm keine Band ein, die so klingt wie Bears Of Legend. Sieben Musiker zwängen sich auf die nicht eben große Bühne der Moritzbastei, einige haben zudem mehrere Instrumente zu bedienen, fünf singen – eine äußerst herausfordernde Arbeit für den Soundmann in dem nicht einfach zu beschallenden Gewölbekeller, aber er schafft es, fast alle Komponenten tatsächlich durchgängig hörbar zu gestalten, sogar das Cello von Chrystelle, ein Instrument, welches in einem rockenden Umfeld bekanntlich gern mal akustisch zugedeckt wird. Nun ist das mit dem Rock bei dem Septett freilich so eine Sache: Zwar haben sie am Drumkit den aktuellen VoiVod-Produzenten sitzen, der ganz früher mal in einer Death-Metal-Kapelle namens Decayed Remains lärmte und der natürlich auch heute noch weiß, wie man Schlagzeugwucht erzeugt. Aber er tut das wohldosiert und an den richtigen Stellen, weiß sich auch zurückzunehmen, streichelt sein Kit nur oder legt einen tanzbaren geradlinigen Beat unter den Klangteppich, den die anderen mit Kontrabaß, Baßgitarre, E-Gitarre, Ukulele, Banjo, Cello, Akkordeon, Glockenspiel und Keyboard erzeugen – und wenn doch noch Extrapower gebraucht wird und einer der Musiker gerade nicht im Einsatz ist, dann steht noch eine große Zusatztrommel da, die in einigen Songs zum Erzeugen einer dramatischen Stimmung dient. Durch Jacynthes Akkordeon bekommt der dominierende Folkaspekt automatisch eine Art maritimen Charakter, der sich auch in einigen der Songthemen widerspiegelt, Claudine gebraucht ihr Keyboard nicht selten als klassisches Piano, und summiert ergibt sich eine eigenartige Mixtur aus Folk, Klassik und (Prog-)Rock, die zwar hier und da diffus an andere Bands erinnert (Fairport Convention oder die Pretenders winken mal um die Ecke, aber sie bleiben weit entfernt), aber unterm Strich doch einen erkennbaren BOL-Stil ergibt. Dazu trägt auch der vokale Sektor bei – wie erwähnt singen gleich fünf der sieben Mitglieder (alle außer der Rhythmusgruppe), auch mehrstimmige Satzgesänge sind keine Hexerei und werden auch live sauber umgesetzt. Dazu kommt die weiche, aber nicht käsige Stimme von David, der bisweilen stimmfarblich an einen tiefergelegten Morten Harket erinnert. Von der Setlist her konzentrieren sich Bears Of Legend logischerweise auf das Material ihres noch aktuellen Albums Ghostwritten Chronicles, vergessen aber auch ihr Debüt Good Morning, Motherland nicht, von dem vier Songs erklingen, und garnieren den Set noch mit „Only You“, einer noch unveröffentlichten Nummer, die auf dem im Oktober zu erwartenden neuen Album A Milion Lives stehen soll und klarmacht, dass vielleicht mit Feinjustierungen im Sound, aber wohl nicht mit Stilbrüchen zu rechnen sein dürfte. Der Set weist ein fast einheitlich hohes Niveau auf, und erstaunlicherweise fällt nur eine Nummer ein klein wenig ab: „When I Saved You From The Sea“, ein geschickt zwischen einem balladesken Rahmen und einem druckvolleren Mittelteil pendelnder Song, zu dem man bei YouTube auch ein Video anschauen kann, erweist sich live an diesem Abend als Problem, da sich die Stimmen nicht zueinanderfügen wollen, sondern sich akustisch im Wege stehen. Aber dieses Problem hat man angesichts der hohen Qualität der anderen Nummern, wobei mit dem dramatischen „She Breaks Me Down“ gleich ein Highlight auf dem Fuße folgt, schnell wieder vergessen. Das sieht auch das durchgehend positiv gestimmte und feierfreudige Publikum so, das sich zudem noch zu einem Ständchen für Gitarrist Guillaume hinreißen läßt, der an diesem Abend Geburtstag hat, und sich nach „Stand Up“ noch zwei Zugabesongs erklatscht, dessen erster kurioserweise „Encore“ heißt und somit berechtigterweise seinen Platz im Zugabenteil findet, im Gegensatz zum sonstigen Schaffen der Band aber keine englischen, sondern französische Lyrics beinhaltet. „The Mornings I’ve Let You Down“ beendet dann den leider nur etwa anderthalbstündigen Gig, hinterläßt prima Stimmung allerorten und den Eindruck einer Band, die in einer gerechten Musikwelt längst viel größer sein müßte. Setlist Bears Of Legend: Be Mine, All Mine Let Me Be Beside Me The Arkansas River We’re Dead Wait The Forest Guide A Life Like Rose Only You You When I Saved You From The Sea She Breaks Me Down Stand Up -- Encore The Mornings I’ve Let You Down Roland Ludwig |
|
|
|