Hard Road - die Anfangsjahre von Deep Purple in einer Box
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Kommt man auf die Hardrock-Dinos Deep Purple zu sprechen, verbindet man mit ihnen vor allem die erfolgreichen Jahre der Mark-II-Besetzung mit Alben wie In Rock, Machine Head, dem Liveklassiker Made in Japan oder auch dem ersten Comeback-Anlauf Perfect Strangers. Die Jahre mit David Coverdale am Mikro und Glenn Hughes am Bass werden auch immer wieder ganz gerne genommen. Die schon lange währende Zeit mit Gitarrist Steve Morse und unterhaltsamen Alben wie Purpendicular und Now what?! nimmt man dagegen eher nebenbei zur Kenntnis und freut sich, wenn die Live-Jukebox auf Tour kommt.
Bei all den Werken, die in diesen Jahren veröffentlicht wurden, vergisst man leider immer etwas die Urbesetzung der Band, die von Keyboarder Jon Lord zunächst als Roundabout gegründet wurde. Von Anfang an mit dabei: Gitarrist Ritchie Blackmore. Recht bald wurde die Band von immer-noch-Schlagzeuger Ian Paice sowie Sänger Rod Evans und Bassist Nick Simper ergänzt. Die so genannte „Mark I“-Besetzung hielt nicht allzu lange (nicht einmal zwei Jahre), doch brachte man in kürzester Zeit drei Alben heraus. Diese klangen noch gänzlich anders als ihre Nachfolger. Darauf zu hören: ein wildes Gemisch aus Psychedelic, Blues und Pop mit Anflügen von Klassik und einem ersten Aufbäumen, das im späteren Hardrock-Sound münden sollte.
Warner Music bringt jetzt die drei Alben Shades of Deep Purple, The Book of Taliesyn und Deep Purple in einer kleinen Box neu heraus. Die ersten beiden Platten gibt es darin als Mono- und Stereo-Versionen, wodurch sich fünf Rundlinge in der Verpackung finden lassen. Aufgepeppt wurden die Scheiben mit zahlreichen Bonus-Tracks, die vielleicht noch nicht alle vollends bekannt sind. Verpackt sind die einzelnen CDs in schicken Vinyl-Replikas. Weiter bekommt man mit der Box ein dickes Booklet mit einem ausführlichen historischen Abriss der turbulenten Anfangsjahre sowie aktuellen Interviews mit Nick Simper und dem damaligen Produzenten Derek Lawrance.
Werfen wir mal einen Blick auf die urigen Werke:
Shades of Deep Purple (1968)
Der erste Gehversuch von Deep Purple ist eindeutig von der Suche nach dem eigenen Stil geprägt. Viel Zeit schien man dafür nicht gehabt zu haben. Denn - wie damals allerdings oftmals üblich - finden sich zahlreiche Fremdkompositionen auf der Platte. Dabei griff man mit dem von Jimi Hendrix bekannt gemachten „Hey Joe“ und dem Beatles-Standard „Help“ zu ziemlich populären Nummern, die man allerdings nicht einfach nachspielte, sondern vergleichbar mit Vanilla Fudge durch den Wolf drehte. Was am Ende heraus kam, waren schleppende und äußerst verspielte Variationen. Die Federführung von Organist Jon Lord ist eindeutig herauszuhören. Doch schon damals bot ihm Gitarrist Blackmore stark Paroli, wovon die Musik ihre Spannung bezog. Bereits das eröffnende Instrumental „And the address“ ist hierfür ein gutes Beispiel.
Stilistisch war man sich am Ende nicht ganz einig und schlingert mal in Richtung schmeichelnden Pop („One more rainy day“), dann lässt man sich eindeutig von klassischen Melodien treiben („Prelude: Hapiness“ mit seiner Verneigung vor Rimsky-Korsakov) oder man haute richtig auf den Putz und gab einen Vorgeschmack auf spätere Jam-Orgien („Mandrake Root“). Zu Entdecken gibt es einiges, auch wenn so manches alles andere als ausgereift ist. Doch interessant ist das Debüt allemal, auch wenn man damit keinen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte. Das schaffte man alleine mit dem als Single veröffentlichten Joe-South-Cover „Hush“. Der Hit ließ die britische Heimat zuerst kalt, verschaffte der Band allerdings einen Popularitätsschub in den Vereinigten Staaten.
Als Boni findet man auf den beiden CDs der Box unter anderem gute Remixe von 2003. Doch interessanter ist der Outtake „Shadows“ - eine stampfende Nummer mit Beat-Flair und psychedelischem Gitarrenspiel - sowie die instrumentale Version von „Love help me“, die ohne Gesang wesentlich rockiger rüber kommt. Rod Evans war eben ein angenehmer, feinfühliger Sänger, fühlte sich stimmlich aber bis zum Schluss offensichtlich nicht so recht wohl in der Band. Zumindest war er in Sachen Power seinem Nachfolger Ian Gillan weit unterlegen.
Mono Mix:
1. And The Address
2. Hush
3. One More Rainy Day
4. Prelude: Happiness / I’m So Glad
5. Mandrake Root
6. Help
7. Love Help Me
8. Hey Joe
Bonus Tracks - Outtakes & Versions:
9. Shadows (Album outtake)
10. Love Help Me (Instrumental version)
11. Help (Alternate take)
Stereo Mix:
1. And The Address
2. Hush
3. One More Rainy Day
4. Prelude: Happiness / I’m So Glad
5. Mandrake Root
6. Help
7. Love Help Me
8. Hey Joe
Bonus Tracks - Alternative mixes:
9. And The Address (2003 Remix)
10. Hush (1968 Monitor Mix)
11. I’m So Glad (2003 Remix)
12. Hey Joe (2003 Remix)
The Book of Taliesyn (1968)
Nur ein paar Monate nach dem charmanten, poppigen Debüt erschien The Book of Taliesyn. Auch hier hatte man wieder ein paar Fremdkompositionen mit an Bord, von denen man vor allem das von Ike & Tina Turner bekannte „River deep, mountain high“ als mutig bezeichnen kann. Statt der puren Stimmgewalt einer Tina Turner geht man relativ zäh an die Sache heran und erzeugt durch weitere Klassikzitate Dramatik. Die schmissige Version von Neil Diamonds „Kentucky Woman“ zeigt eher in die spätere Richtung der Band - war das Ganze doch ziemlich rockig und treibend angelegt. Überhaupt präsentiert sich die Band auf dem Album knackiger als noch beim ersten Anlauf. Die Songs wurden länger, die Performance energetischer. Vor allem der Opener „Listen, learn, read on“ und die instrumentale Blues-Variation „Wring that neck“, die sie auch später noch im Liveprogramm von Deep Purple wiederfinden sollte, zeigten die Spiellaune der Band.
Aber noch widmete man auch ganz andere Facetten. Das akustische, leicht barock wirkende „Anthem“ ist luftiger Pop, während „Exposition“, das Intro zum Beatles-Cover „We can work it out“, abermals die künstlerische Seite Jon Lords hervor hob. Im Zusammenspiel kann man dem Doppel-Titel zweifellos einen Hang zum Proggigem attestierten, wie ihn auch eine Band wie The Moody Blues auslebte. Wilder und losgelöster ist dagegen das leicht mystisch anmutende „Shield“, bei dem eindeutig die solistische Leistung der Band im Vordergrund steht.
Als Bonus gibt es auch hier wieder ein paar Remixe sowie Studioouttakes. Zum einen das groovige Instrumental „Playground“, das wohl als Basis für ein Gesangsstück hätte dienen sollte, zum anderen das lässig-eingängige „Oh no no no“, das mit ein wenig Feinschliff durchaus eine gute Nummer geworden wäre. Am Ende wird dadurch ein weiteres interessantes Album abgerundet, das heute allerdings nach wie vor wie ein kleines Kuriosum wirkt. Aber der richtige Weg wurde beschritten…
Mono Mix:
1. Listen, Learn, Read On
2. Wring That Neck
3. Kentucky Woman
4. Exposition / We Can Work It Out
5. Shield
6. Anthem
7. River Deep, Mountain High
Stereo Mix:
1. Listen, Learn, Read On
2. Wring That Neck
3. Kentucky Woman
4. Exposition / We Can Work It Out
5. Shield
6. Anthem
7. River Deep, Mountain High
Bonus Tracks - Single Edits, Outtakes & Alternative mixes:
8. Playground (Instrumental outtake)
9. Kentucky Woman (2003 remix)
10. Oh No No No (Studio outtake)
11. Playground (Remixed instrumental outtake)
12. River Deep, Mountain High (US Single Edit)
Deep Purple (1969)
… den man wieder ein paar Monate später mit dem selbst betitelten dritten Album fortsetzte. Auch hier ging die Band recht abwechslungsreich zu Werke. Los ging’s mit Ian Paice’ Paradenummer „Chasing Shadows“, die voll und ganz vom Schlagzeugspiel lebt und gut und gerne als deftiger Hardrock bezeichnet werden kann. „The Painter“ ist noch ein wenig knackiger - allerdings im Blues-Format. „Why didn’t Rosemary?“ schlägt in eine ganz ähnlich Kerbe. Ein kompletter Gegensatz hierzu ist „Lalena“ - die bis dato ruhigste Nummer, die fast nur vom Gesang, etwas Gitarrenzupfen und einem leichten Keyboard-Teppich getragen wird. Dieses von Donovan geschriebene Lied war auch das einzige Cover auf diesem Album, auf dem sich die Band ziemlich selbstbewusst präsentierte.
Am meisten im Ohr blieb wahrscheinlich das mit einer scharfen Gitarre startende und von einem treibenden Rhythmus getragene „The bird has flown“. Das Lied kann man gerne in das Fach „übersehener Klassiker“ packen. Die aufsehenerregendste Nummer dürfte dagegen das überlange „April“ sein. Im ersten Drittel ruhig, instrumental und von Blackmores Gitarre getragen, erfolgt danach ein kompletter Schwenk ins Kammermusik-Fach. Statt der Band gibt es hier auch ein Streichquartett zu hören, bevor das Ganze mit melodiösem Midtempo-Rock endet. Das nennt man wohl Kunst.
Die Nummer, die Deep Purple allerdings am ehesten Hit-Ehren eingebracht hätte, war gar nicht auf dem Album enthalten. Die Single „Emeretta“ findet sich dafür im Bonusmaterial. Auch wenn der Sound keineswegs für spätere Jahre steht, hat man es hier doch mit einem vielleicht etwas schlichten, aber eingängigen Song zu tun. Ansonsten wartet die Bonus-Sektion lediglich mit Single-Versionen und frühen Studio-Versionen auf, die vor allem für Hardcore-Fans interessant sein dürften, aber das Bild angenehm abrunden.
1. Chasing Shadows
2. Blind
3. Lalena
4. Fault Line
5. The Painter
6. Why Didn’t Rosemary?
7. The Bird Has Flown
8. April
Bonus Tracks - Singles & Alternative mixes:
9. Emmaretta (2012 Stereo mix - previously unreleased)
10. The Bird Has Flown (Early version, 2012 stereo mix - previously unreleased)
11. Why Didn’t Rosemary? (Early instrumental take - Previously unreleased)
12. Blind (2003 Remix)
13. Lalena (Instrumental)
14. April (Part 1) (Single B-side)
15. Emmaretta (Original single A-side)
16. The Bird Has Flown (Original US single B-side)
Der Rest ist sozusagen Geschichte. Evans und Simper mussten aufgrund der Soundvorstellungen der restlichen Band ihren Hut nehmen und wurden durch Ian Gillan und Roger Glover ersetzt, die zusammen nach dem Klassik-Experiment Concerto for Group and Orchestra zum Sturm auf den Hardrock-Himmel ansetzten. Hard Road: The Mark 1 Studio Recordings 1968-69 stellt allerdings auf gute Art und Weise den Blick auf die Anfangszeit von Deep Purple in den Fokus, in der man sich etwas an Bands wie The Nice sowie den genannten Vanilla Fudge und The Moody Blues anlehnte. Zwar sind die einzelnen Alben der Mark-I-Besetzung für kleineres Geld einzeln erhältlich, doch hiermit bekommt man trotzdem kleines Schmuckstück für den Platten-Schrein geliefert.
Mario Karl
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