Bang-Your-Head!!!-Festival 2012 - Regen, Sonne und blutige Nasen
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Sommerzeit, Open Air-Zeit. In den letzten Jahren wachsen immer mehr kleine wie große Rock- und Metalfestivals wie Pilze aus dem Boden. Das Bang-Your-Head!!! in Balingen kann man aufgrund seiner Historie da gut und gerne als Klassiker bezeichnen. Und wie das mit „Oldies“ manchmal ist, bröckelt mit der Zeit etwas der Putz ab. Jedenfalls konnte es der Veranstalter dieses Jahr nicht verbergen, dass man mit leichten Lineup-Problemen zu kämpfen hatte. Denn mit Ausnahme derzeit recht populärer, aber auch zu oft zu sehender Acts, standen am Ende des Billings nicht gerade die absoluten Publikumsmagneten - sicherlich auch aufgrund der großen (finanzstärkeren?) Konkurrenz. So fanden dieses Jahr eben auch einige Headbanger weniger den Weg nach Balingen. Diese hatten aber trotzdem einen Mordsspaß dort. Denn am Ende rissen sich die Gruppen ihren Allerwertesten auf und die perfekte Organisation spricht für sich. 2012 hat man auch bei dem unsinnigen Pfandbon-System vom letzten Jahr etwas Abstand genommen, was noch eher den Unmut der Verkäufer als der Besucher auf sich zog, die sich problemlos nach Alternativen umgesehen hatten. Nur das Wetter war etwas durchwachsen und präsentierte sich als Mix zwischen purem Sonnenschein und Regen. Letzterer ergoss sich zwar Freitagabend lange, aber nicht so stark, als dass man ihn nicht ausgehalten hätte. Unangenehmer war da schon der ständige Wind, der dafür sorgte, dass das was aus den Lautsprechern drückte ziemlich weggeblasen wurde und die Männer hinterm Mischpult mit so einigen Problemen zu kämpfen hatten.
Bevor der erste Festivaltag offiziell startete, fand natürlich auch dieses Jahr wieder eine Warmup-Show statt, der man für um die 30 Euro einen Besuch abstatten konnte. Dieses Mal ohne bestimmtes Motto, dafür mit quasi Stammgast Jon Oliva, der den Savatage-Klassiker Hall of the Mountain King in seiner Gänze präsentierte. Daneben noch zu hören: Bonfire, Freedom Call und Majesty. Also keine wirklichen Besonderheiten.
Freitag, 13.07.12
Richtig los sollte es am Freitag mit einer Band gehen, welche die Besucher über die Homepage des Festivals wählen konnten. Doch bevor dieses die Bühne enterten, bewiesen die Veranstalter ein Herz für Newcomer und ließen die britischen Thrasher COLLAPSE, die gerade mit Armored Saint auf Tour waren, zum Einlass ein wenig lärmen. Wirklich viele mitbekommen haben das natürlich nicht.
Danach Punkt 10 also die württembergischen Wettbewerbsbeginner FORENSICK. Und die junge Band nutzte ihre Chance gut und konnte die Aufmerksamkeit der Metalfans auch zum Teil auf sich ziehen, die ansonsten eher mit der Suche nach dem ersten Bier oder einem entspannten Flanieren über das Festival, mit seinen zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten beschäftigt waren. Ihr etwas morderner angelegter, aber nicht übermäßig spektakulärer Traditionssound war das eine, die engagierte Performance das andere. Denn hier hatte jemand mächtig Spaß und ließ es auch spüren. Das hat gepasst.
Spaß, das hatten unverkennbar auch die Holländer VANDERBUYST. Von der ersten Minute an gab man Vollgas. Und obwohl es um diese Zeit noch recht frisch war, ließ es sich Willem Verbuyst nicht nehmen oben ohne auf die Bühne zu hechten - alleine schon der Coolness willen. Vielleicht sprang er deswegen noch ein bisschen mehr als sonst herum, weil es ihm frisch war? Jedenfalls war ihr Classic Rock-mäßiger Heavy Rock genau das Richtige um diese Uhrzeit, nachdem viele noch den Schlaf aus den Knochen schütteln mussten. Und mit Ausnahme vom Gesang war das was aus den Verstärkern schallte wirklich lässige Mucke. Sogar noch ein bisschen spaßiger als auf CD. Wobei diese ja auch schon ziemlich lebendig klingen. Einen Besuch von ex-Kollege und The Devil's Blood-Spezi Selim Lemouchi gab es leider nicht. Ansonsten war das schon ziemlich unterhaltsam.
Kurz vor High Noon war es schon an der Zeit für alle Sleazer aus ihren Löchern zu kriechen. Die Schweden CRASH DIET hatten sich angesagt. Und was erwartet man von einer Band wie ihnen? Klar, lässige, eingängige Songs, ein extravagantes Outfit und viel Gepose. Bei letzterem hielt sich die Band mit Ausnahme ihres Frontmanns Simon Cruz relativ zurück. Wobei wir auch schon bei Punkt 2 wären: dem Outfit. Mit seinem blondierten Iro ist der Sänger der optische Fixpunkt der Band. Aber irgendwie wirkt das was der Herr auf der Bühne veranstaltet etwas aufgesetzt und gekünstelt. Ein Eindruck, dem man sich auch bei der Band als Ganzes nicht erwehren kann. Denn auch die Mucke selbst ist eher Zweitliga-Glam und reichlich unspektakulär. Das rockt zwar - man hat es aber auch recht schnell vergessen. Trotzdem hatten sie bei einigen einen ziemlich guten Stand. Nett, aber der Funke sprang nicht auf alle über.
Ein Fazit welches man so auch für DIAMOND HEAD ziehen könnte. Das liegt aber vor allem daran, dass die Gruppe nur noch den wirklich Eingefleischten ein Begriff ist. Und so hält sich der Rest recht zurück und guckt erst einmal. Wobei es an der Band selbst nicht liegt. Vor allem Sänger Nick Tart gibt mal wieder einen äußerst feinen Aushilfs-Robert Plant und interpretiert die alten Kamellen ziemlich leidenschaftlich. Neueres Material gibt es (zum Glück) nur wenig. Im Mittelpunkt stehen Songs wie „In the heat of the night“, „Sucking my love“ oder „Helpless“. Diese sind glücklicherweise viel besser gealtert als Brian Tatler, der das Schiff als letztes Originalmitglied noch auf Kurs hält. Eigentlich immer noch schade, dass es diese Band nie wirklich geschafft hat. Aber ohne Metallica und ihre Coverversion von „Am I evil?“ wären Diamond Head wohl voll im Orkus versumpft. Und so ist es mal wieder dieser Song, der das Publikum aus der Reserve lockt. Danach war es auch schon Schluss.
Wesentlich frischer wurde es danach mit FIREWIND. Auch wenn man derartigen Sound nicht so mag, kann man sich freuen, dass Gus G. neben seinen Aktivitäten als Klampfer bei Ozzy Osbourne Zeit gefunden hat hier aufzutreten. Denn die Power Metal-Mucke der Griechen war ein Spaßgarant. Das muss sich auch vorher rumgesprochen haben, denn langsam sammelte sich doch eine recht ordentliche Menschenmenge vor der Bühne und feierte die Band ab. Neben Gus selbst war es vor allem Sänger Apollo der für jede Menge Sympathie sorgte. Ihr Eröffnungsstück „Wall of sound“ war dann auch programmatisch. Denn hier reihten sich die Noten ohne Pause und sehr schnell aneinander. Das kann mit der Zeit schon etwas anstrengend werden. Aber die Band verpackt das doch in recht ansprechende Songs. Das sah auch das Publikum so und ließ seine Sympathie mit lautem Applaus spüren. Gute, unterhaltsame Vorstellung!
ARMORED SAINT bekommt man mittlerweile fast nur noch auf Festivals zu sehen. In Balingen gehört „LA's most headbanging band“ aber schon regelrecht zum Inventar. Man ist hier schon oft aufgetreten und immer war es gut. Dieser Auftritt machte davon keine Ausnahme. Zwar wirkte Sänger John Bush Outfit-technisch, als sei er gerade vom Golfplatz eingetrudelt, was sich musikalisch abspielte war aber nur große Klasse - vom eröffnenden Neuling „Loose cannon“ bis zum Oldie „Mad house“. Es gibt wohl nur wenige Bands die so tight zusammenspielen, wie diese hier. Und man lieferte den Fans ohne große Überraschungen das was sie hören wollten: „Reign of fire“, „Chemical euphoria“, „After me, the flood“, „Can u deliver“, „March of the saint“ und die Gänsehautnummer „Last train home“. Jeder Song ein Treffer, was entsprechend auf Gegenliebe stieß. Einziger Kritikpunkt: Es war mal wieder zu schnell zu Ende. Das spricht dann wohl für die Kurzweil dieses Auftritts.
Während Armored Saint doch eher etwas für die Spezialisten waren (man muss es so sagen), kommt jetzt eine Band die fast alle sehen wollen: POWERWOLF. Als die bleich geschminkten Saarländer (kommt mir ja nicht wieder mit euren Transsylvanien-Unsinn!) mit „Sanctified with dynamite“ einsteigen, war klar, dass der Headliner an diesem Tag schon kurz vor vier auftrat. Denn diese großartige Stimmung und den Spaß konnte am restlichen Tag keine andere Gruppe mehr erzeugen. Von der ersten Sekunde an wird gegrölt und mitgeklatscht, dass es eine wahr Pracht ist. Zwar hat Herr Attila Dorn nur mal wieder dieselben Sprüche wie immer drauf, aber das juckt heute anscheinend niemanden so wirklich. Hymnische Mitsingnummern vom Schlage „We drink your blood“, „Raise your fist evangelist“, Saturday Satan“, „Resurrection by erection“ oder „Kiss of the cobra king“ verfehlen mal wieder nicht ihre Wirkung. Powerwolf haben eben das richtige Rezept für eingängige Songs mit jeder Menge Augenzwinkern und ohne zu viele Peinlichkeiten gefunden. Mit „Lupus dei“ endet dann ein vom Anfang bis Ende unterhaltsamer Auftritt. Im Prinzip zwar wie immer, aber sehr gut angenommen.
Der Kontrast zur nächsten Band war danach recht groß, obwohl man im Grundsatz im gleichen Genre fischt. KAMELOT geben sich aber auch stets sehr anspruchsvoll und dem Redakteur wird deswegen auch recht schnell klar, warum er mit der Band nie so recht warm wurde. Das hier ist einfach alles viel zu prätentiös und man nimmt sich einfach zu ernst. Viel Getöse gehörte dazu: jede Menge Bühnennebel, große Posen, Background-Sänger/innen Feuer und Podeste zum Pushen des eigenen Egos. Die meisten Augen waren aber trotzdem vor allem auf Neusänger Tommy Karevik gerichtet, der schließlich in ziemlich große Fustapfen zu treten hat. Und stimmlich ist er seinem Vorgänger Roy Khan gar nicht so unähnlich. Seine Unsicherheit und die Nervosität merkte man ihm unzweifelhaft an. Er legte gesanglich trotzdem einen guten Job hin, auch wenn es ihm an der Ausstrahlung fehlt. Aber das kann ja noch werden. Was gar nicht ging, war der undifferenzierte Soundmatsch, den es zu hören gab. Hier schlug der Wind wieder unbarmherzig zu und dadurch hörte es sich ziemlich schrecklich an. Aber handwerklich und in Sachen Setlist (u.a. „Ghost Opera“, „The great pandemonium“, „Karma“, „March of the Mephisto“) war es natürlich wieder gut. Aber man muss die Band mögen. Eine Stimmungskanone ist die pathosschwangere Band keineswegs.
Klanglich nicht viel besser wurde es danach bei ARCH ENEMY. Zwar meint Sängerin Angela Gossow mit ihren deathigen Growls zu den Harten zu gehören, doch passt die Band mit ihrem Sound recht gut ins Programm. Denn wirklicher Death Metal sind die Schweden nicht. Und dementsprechend gute Stimmung herrscht hier. Nach dem Kamelot-Dämpfer hat das Publikum wieder Lust richtig ausgelassen zu feiern. Zu Nummern wie „Ravenous“, „In this shallow gragve“, „Dead eyes see no future“ und dem unvermeidlichen „We will rise“ lässt sich auch wunderbar die Matte schütteln und dazu die Fäuste in die Luft recken. Nicht mal vom langsam einsetzenden Regen lässt man sich aus dem Konzept bringen. Etwas schade ist, dass Michael Amotts Bruder Christopher nicht mehr mit an Bord ist. Aber mit Nick Cordle scheint er sich auch recht gut zu verstehen. Denn an den Klampfen geht es genauso wild und traumwandlerisch ab wie eh und je. Etwas lustig wirkt dagegen das leicht schüchterne Auftreten von Sängerin Angela, die beim Gesang sonst die Amazone raushängen lässt. Am Ende war es ein starker Auftritt mit dem Arch Enemy auch in Balingen ihren Status zementierten.
Tja, dann hörte der Regen nicht mehr auf... Bestes irisches Wetter also? Na da müssten sich die verbleibenden irischen Mitglieder der THIN LIZZY TRIBUTE BAND richtig wohlgefühlt haben. Beste Laune herrschte jedenfalls auf der Bühne. Man schien motiviert bis in die Haarspitzen, den Leuten vor der Bühne eine tolle Rockshow zu liefern. Und das tat die Band dann auch. Ricky Warwick ist ein richtiger Glücksgriff, macht er den sehr zurückhaltenden John Sykes schnell vergessen und bringt einen feinen, kantigen Rockcharme mit. Aber am Ende bleibt es halt doch nur eine solide Tribute-Veranstaltung. Aber zumindest eine die ziemlichen Spaß macht. Und das liegt nicht nur an der starken Performance, sondern eben auch an den zeitlosen Songs. Bei einem Start mit „Killer on the loose“ und „Emerald“ kann man nicht viel falsch machen. Überraschend waren das entspannte „Dancing in the moonlight“ und „Suicide“. Ansonsten gab es die volle Greates Hits-Packung geliefert. Vor allem die Gitarrenduelle (teilweise auch zu dritt angetreten) beim „Cowboy song“ und „Black rose“ waren sehr beseelt. Stimmungshöhepunkte waren (wie zu erwarten) „Whiskey in the jar“ und „The boys are back in town“. Den Deckel zu machte man mit der alten Bob Seger-Nummer „Rosalie“. Am Ende war es ein sehr schöner Auftritt, keine Frage - einer mit richtigen Songs und viel Musikalität.
Musikalität - das ist etwas das man VENOM immer wieder gerne abspricht. Aber die überraschend als Headliner verpflichtete Band versuchte gar nicht erst den Gegenbeweis anzutreten. Warum sollte man sich auch die Mühe machen um Zweifler zu bekehren? Und so gab es als Schlusspunkt auf der Hauptbühne eine satte Rumpelshow wie erwartet (oder erhofft - je nachdem). Die Eröffnung mit „Black Metal“ war ziemlich satt und der letzte Mohikaner Cronos gab sich sehr sympathisch und kündigte eine Show mit Songs aus ebendiesem Album und dem aktuellen Langdreher Fallen angels an. Der Rahmen war also abgesteckt. Ansonsten war die Show relativ spartanisch. Außer viel Bühnennebel gab es wenig das von den drei Musikern ablenkte. Nicht mal viel Pyrotechnik oder Feuer. Etwas schade. Denn wirklich ausfüllen konnte das Trio die Bühne nicht wirklich. Wer aufgrund des wieder stärker werdenden Regens aushielt, hatte seinen Spaß. Venom zogen ihr Ding durch, und das sehr konsequent. Dafür kann man sie schätzen, muss es aber nicht. Die Band ist halt sehr speziell.
Zwischendurch war es auch mal Zeit in der Halle bei MOONSORROW vorbei zu schauen, die fast parallel mit Venom auftraten. Etwas schade war es schon, dass gleichzeitig zwei Gruppen spielten, die zwar per se zwar unterschiedlich klingen, aber ein ähnliches Publikum ansprechen. Jedenfalls entschied sich eine ansehnliche Menge für die Finnen - auch wenn es nur am Wetter lag. Der Sound in der Halle war angenehm differenziert und nicht zu laut. Eine richtige Wohltat. Die Leute ließen sich von den kratzigen, aber auch hymnischen Epen recht schnell verzaubern und beim Doppelschlag „Jotunheim“ und „Sankaritarina“ war die Stimmung fast magisch.
Magie - das ist etwas das THE DEVIL'S BLOOD ja auch immer vorgeben, auf der Bühne zu erzeugen. Als Tagesabschluss konnten sie den Beweis antreten, dies zu schaffen. Wie immer waren die mit Blut besudelten Musiker sehr in sich versinken, während ihre Sängerin wie ein Olgötze vor ihrem Mikro stand und die Bühne in unheilvolles rotes Licht gehüllt war. Das erzeugte schon diese gewisse Atmosphäre, die man sich vorstellt. Tatsächlich schaffte die Band es dann auch eine gewisse Gänsehautstimmung vor allem mit den tollen Gitarrensounds zu erzeugen. Ob sie antikosmisch war? Nein. Es ist halt einfach angenehmer Classic Rock, der klingt wie in einer großen Jamsession dargeboten. Auch wenn das vor allem die drei Klischee-Blackmetaller vor mir anders auffassten. Ebenfalls anders sah das auch ein etwas rundlicher Herr, der meinte sich mit voller Wucht nach vorne drängen zu müssen und Herrn Lemouchi seine ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen. Dieser war davon nicht besonders erbaut, stieg unvermittelt von der Bühne und haute dem Nicht-Fan die Nase blutig. Nicht gerade die feine Englische Art von diesem Holländer. Sollte man eigentlich drüber stehen - oder gar nicht bemerken, wenn man sich ja so sehr in eine andere Welt spielt. Jedenfalls machte er nach dem Auftritt Bekanntschaft mit den württembergischen Gesetzeshütern.
Zu später Stunde traten auch noch ORDEN OGAN auf. Doch nach einem langen Tag mit viel Musik zog sich das Team von MAS erst mal - wie die meisten anderen auch - zurück...
Samstag, 14.07.12
Dreckiger Rock’n’Roll schon früh morgens um zehn? Das ist schon eine harte Probe. Dementsprechend leer war es dann auch als die Newcomer SISTER um diese Zeit die Bühne betraten. Das Wetter ist aber schon mal ziemlich gut und es sollte auch den restlichen Tag so bleiben. Ach ja, die Musik. Zumindest aus der Ferne rockte das ganz ordentlich und für dieses Genre relativ hart. Als Eröffnung o.k.
„About 99,71 % underrated Metal“ - so das ironische Selbsterkenntnis von LANFEAR auf ihrer Homepage. Also ist dieser Auftritt genau das Richtige, um sich ein wenig bekannter zu machen. An der Qualität der Musik liegt es ja nicht wirklich. Wer eine weniger verstockte Version von Kamelot möchte, ist hier genau richtig. Leider war der Sound eher suboptimal. Außer Schlagzeug und Gesang war recht wenig zu hören. Nicht gerade gute Voraussetzungen. Trotzdem sammelte die Band jede Menge Sympathiepunkte, da man mit Sänger Nuno einen richtig sympathischen und unterhaltsamen Frontmann in seinen Reihen hat, der es offensichtlich genoss das Publikum zu unterhalten. Da gab es mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Ob der Mann jetzt trotzdem zurück in die schwäbische Mine zum Maultaschenabbau muss?
Wer jetzt noch nicht wach war, den schüttelten WARBRINGER im Anschluss richtig durch. Die jungen Kalifornier hatten eine Ladung brachialen, komplett unmelodischen Thrash Metal mitgebracht, der sogar Slayer virtuos erscheinen lässt und den man mit voller Inbrunst aufs Publikum abfeuerte. Irgendwie klang alles gleich. Für das Bilden erster Moshpits reichte es aber und der Elan mit der die Band sich durchs Set zockte, steckte an. Hier wurde zweifelsohne jede Menge Energie freigesetzt. Ob sie das in ein paar Jahren auch noch schaffen werden? Egal, heute zählt. Highlight des Auftritts war, als man eine zackige Version von Motörheads „(We are) The Road Crew“ ausspuckte. Das hat gesessen!
Irgendwie freute ich mich auf BREAKER. Denn ihr energiegeladener Auftritt beim Keep-it-true im letzten Jahr war ziemlich stark. Doch an diesem Tag war irgendwie der Wurm drin. Und das lag gar nicht mal an den Instrumentalisten, denn diese gaben wie gewohnt Gas und ließen nichts anbrennen. Allen voran mal wieder das Gitarrenduo Don Depew und Michael Klein. Der Knackpunkt war der Gesang. An sich ist es ja schön, dass man mit Jim Hamar den Originalsänger vom einzigen Album Get tough! dabei hatte. Aber der Mann wirkte absolut lustlos und hatte eine Ausstrahlung wie ein trockener Tafelschwamm. Deswegen gingen auch nur die allerhärtesten Oldschool-Fans steil, die die Songs der Platte noch nie live gehört hatten. Doch insgesamt war das leider nicht das Gelbe vom Ei. Schade!
Ein erstes richtiges Tageshighlight waren für viele die Frankfurter Spaßmacher TANKARD. Denn vor der Bühne wurde es jetzt ziemlich voll und die Stimmung war während des Intros schon ziemlich ausgelassen. Als der Vierer mit „Zombie attack“ loslegte, gab es kein Halten mehr. „Chemical invasion“, „Rectifier“, „Stay thirsty“, „The morning after“ und das brandneue „A girl called Cerveza“ (inkl. dunkelhaariger Tänzerin) hießen die gezündeten Partyraketen - der ständig wie ein Flummi umherhüpfende (Un-)Sänger Gerre mimte dazu den passenden Spaßvogel. Der Mann hatte definitiv seine Gaudi und riss seine Witzchen. Höhepunkt war mal wieder der obligatorische Rausschmeißer „(Empty) Tankard“, bei dem sich der Vierer nicht alleine auf der Bühne stellen musste. Gerre lud jede Menge weiblichen Publikumsbesuch ein und da mussten sich Bassist Frank und Gitarrist Andy fast in Sicherheit bringen, derart viele Damen bevölkerten anschließend die Bretter. Aber netter Anblick. Strahlender Sonnenschein, gute Laune und Bierdurst, dazu Tankard mit ihrem Rumpelsound - eben das perfekte Quartett.
Wie auch schon auf ihrer letzten Tour zockten auch heute AXXIS nur Lieder ihrer ersten drei Alben. Die Band weiß offenbar, dass die meisten im Endeffekt auch nicht viel anderes hören möchten. Und so kamen Bernhard Weiß & Co. auch gut an. Nicht nur die Sonne lächelte, als man Nummern wie „Kingdom of the night“, „Brother moon“ oder „Living in a world“ zum Besten gab. Neben seinen vielen üblichen Sprüchen (wie immer: lieber mehr spielen, weniger Blödsinn labern!), suchte sich Herr Sänger auch dieses Mal wieder ein Kind aus dem Publikum, machte mit ihm seine Späße und ließ es am Tamburin mitspielen. Damit schoss er aber ein richtiges Eigentor. Denn der mit aufblasbarer Gitarre und Langhaarperücke bestückte Junge stahl der Band ziemlich die Show. Wenn Axxis auch immer wieder belächelt werden, auf dieses Festival passen sie gut und dementsprechend laut waren auch die Publikumsreaktionen.
Ebenso gut auf dieses Festival passen (immer wieder) PRIMAL FEAR. Dazu hat man auch noch ein regelrechtes Heimspiel und mit „Metal is forever“ auch noch so etwas wie eine inoffizielle Festivalhymne mit im Gepäck. Man kann ja von der Band halten was man will, doch dass sie ihre Sache gut machen, muss man neidlos anerkennen. „Meister Propper“ Ralf Scheepers war an diesem Tag formidabel bei Stimme und er stellte abermals unter Beweis, wer den „Painkiller“ (der hier halt „Chainbreaker“ heißt) richtig mimen könnte - wenn man ihn nur ließe. Die Band genoss es offensichtlich sehr hier spielen zu dürfen und erfreute damit ihre Fans. Alles gut im Primal Fear-Land also.
Danach war es für die Iren PRIMORDIAL eine Stunde lang Zeit zu zeigen, dass düstere Musik nicht unbedingt Dunkelheit braucht, um zu funktionieren, wenn man einen Sänger wie Alan Averill seinen Reihen hat. Sein Auftreten (bleich/blutig geschminkt und in verschlissenen Klamotten gekleidet) war wieder sehr martialisch, seine Gesten reich an Ausdruck und die Performance äußerst leidenschaftlich. Es scheint fast so, als lebe er seine Texte. So zieht man das Publikum in seinen Bann, auch wenn es sich spärlicher als bei den letzten beiden Gruppen vorhanden war. Die Anwesenden tauchten aber voller Genuss in die Welt der Band ein. „As Rome burns“, „Bloodied yet unbound“, „The coffin ships“ und „Empire falls” waren absolute Höhepunkte in Sachen Dramatik, geschaffen eigentlich durch einfachste, aber wirkungsvolle Mittel. Ein bärenstarker Auftritt und eines der absoluten musikalischen Highlights, sogar für Leute die sonst nicht so viel für derart düstere Sounds übrig haben.
Eines der wunderlichsten Phänomene der letzten Jahre sind sicherlich die Schweden SABATON. Warum die Band mit ihrem simplen und mit sinnlosen Keyboards angereicherten Traditionssound derartigen Erfolg haben, erschließt sich mir nicht so wirklich - ähnlich wie bei Hammerfall damals. Doch die Konsequenz mit der man das Ganze durchzieht nötigt Respekt ab. Was den Publikumszuspruch anbelangt, waren Sabaton auch so etwas die der Headliner des Wochenendes. Denn so dicht gedrängt stand man sonst nie. Und man hatte für seine Freunde auch ein großes Spektakel vorbereitet. Als die Security zu den Tönen von Europes „The final countdown“ die Fotografen mit dem Spruch „Viel Spaß beim Grillen!“ in den Graben schickte, war das schon verdächtig. Ja, es gab fast im Sekundentakt Feuerfontänen und Pyroeffekte. Es war eine wahre Freude. Zusammen mit den simplen Nummern ergab das ein großes Metalfest, von dem sich sogar der eine oder andere Zweifler anstecken ließ. Denn auch in Sachen Peformance ließ man nicht locker. Es fiel auch gar nicht auf, dass Sänger Joakim Brodén und Bassist Pär Sundström erst kürzlich ihre komplette Hintermannschaft austauschten. Denn außer den beiden war der Rest früher schon ziemlich gesichtslos (was jetzt nicht viel anders ist). Die Ballermann-Hits des Tages waren „Ghost division“, „Cliffs of Gallipoli“, „The art of war“, „Primo Vicotria“ und das abschließende „Metal Crüe“.
Danach musste man sich entscheiden: entweder die Thrasher SUICIDAL ANGELS oder GOTTHARD mit ihrem neuen Sänger Nic Maeder sehen. Die meisten hatten sich natürlich für die Schweizer entschieden. Vielleicht auch nur weil es ihre Freundinnen so wollten? Jedenfalls war ein Großteil sehr gespannt, wie sich der neue Vokalist als Gotthard-Frontmann schlagen würde. Der tragisch verstorbene Steve Lee ist schließlich unvergesslich. Und als die Band mit „Dream on“ und „Gone too far“ loslegte, schien der Herr auch reichlich nervös und recht schüchtern. Dies legt sich allerdings mit der Zeit ein wenig. Stimmlich passt Nic jedenfalls perfekt. Und wenn er auch eine etwas andere Stimme hat, ist Nics Intonation der seines Vergängers sehr ähnlich. Songs wie „Mountain Mama“ oder „Fist in your face“ klingen fast wie gewohnt, durch seine Ausstrahlung verleiht er ihnen aber ein bisschen jugendliches Flair. Ein regelrechter Gänsehautmoment war die Aufführung der Akustikballade „One life, one soul“. Wer hier als Fan kein Tränchen verdrückte, dem kann auch nicht mehr geholfen werden. Die größten Stimmungsmacher hörten am Ende auf die Namen „Lift u up“ und „Anytime anywhere“ - dazu noch das abschließende Bob Dylan-Cover „The mighty Quinn“. Etwas das es nach bescheidener Meinung des Redakteurs neben der zweiten Coverversion („Hush“) nicht gebraucht hätte. Aber wie meinte eine jüngere Damen neben mir: Leider geil!
Danach ging es sehr straff dem Endspurt entgegen. Während sich in der Halle Peter Tätgrens PAIN warm spielten, lag es nun an EDGUY das Festival auf der Hauptbühne zu beenden. Die Frage ob sie dafür die Richtigen sind, hatten sie ja selbst schon vor ein paar Jahren beantwortet, was solche Fragen überflüssig machte. Auch 2012 präsentierte sich die Fuldaer Band wieder sehr agil und spielfreudig - höchstens ein bisschen routiniert, wenn man etwas anprangern möchte. Das schmälerte den Spaß der Anwesenden aber nicht wirklich. Dafür versuchte Frontkasper Tobi Sammet (wie bekannt: „kein Mann der vielen Wort“) mal wieder bewusst anzuecken, um das Publikum aus der Reserve locken. Das sollte sich noch rächen. Beim fünften Song „9-2-9“ plumpste der Mann plötzlich von der Bühne - schwups weg war er. Das blieb nicht ganz ohne Konsequenzen. Er brach sich die Nase und prellte sich etliche Knochen. Nach einer kurzen Pause sang er aber bis zum Ende weiter. Das sage mal einer, er hätte keinen Rock’n’Roll im Blut, Respekt! Das bleibt wohl für Band wie für Fans ein unvergessliches Konzert. Aber Sammet sollte nicht der einzige lädierte Musiker an diesem Tag bleiben…
Wie viele andere auch, zog ich mich langsam von Edguy zurück, um noch einen Platz in der Halle zu ergattern, da dort EXODUS den Schlusspunkt mit einem eineinhalbstündigen Thrash-Massaker setzen sollten. In Sachen Setlist zeigten sich Exodus auch sehr gut aufgestellt. Wie üblicherweise gab es viel von Bonded by blood (u.a. wieder mal „Metal command“), gerne Gehörtes wie „Toxic waltz“ und den Demoklassiker „Impaler“ oder auch Highlights der jüngern Bandgeschichte wie „Scar sprangled banner“ und „War is my shephard“. Alles wurde mit gewaltiger Inbrunst in die Halle gefeuert und es war eine wahre Pracht, wie viel Energie immer noch in den Musikern schlummert. Dass es jede Menge Mosphits und bei „Strike of the beast“ am Ende auch noch eine Wall of Death gab, verwunderte nicht. Für nicht wenige waren Exodus damit der wahre Headliner. Als Vertretung von Gary Holt, der derzeit noch immer bei Slayer aushilft, hatte die Band Ur-Gitarrist Rick Hunolt dabei. Dieser war derart euphorisiert von dem Spektakel, dass auch er nach dem zweiten Song („Iconoclasm“) von der (wesentlich niedrigeren) Bühne purzelte. Bilanz hier: eine gebrochene Rippe. Der Herr war anscheinend so mit Adrenalin vollgepumpt (oder auch mit anderen Substanzen), dass er sich nicht aus dem Konzept bringen ließ und bis zum Ende mit nicht viel weniger Elan durchspielte. Harte Musik, harte Kerle - passt wohl zusammen. Die Band beäumelte sich jedenfalls sehr über sein Abtauchen. Aber es lag wohl nicht nur daran, dass die Musiker ziemlich gut gelaunt waren. Denn trotz der an den Tag gelegten Aggressivität übertrug sich der Spaß auf der Bühne ohne weiteres aufs Publikum. Ein großartiger Auftritt!
So, nachdem das Programm im Vorfeld nicht so spannend wirkte, war das Wochenende doch auch dieses Jahr fast schon wieder etwas zu schnell zu Ende. Also haben die Veranstalter wieder alles richtig gemacht? Der Termin für das nächste Jahr und ein Teil des Programms stehen bereits fest. Mit dem Vorverkauf begann man sogar bereits am diesjährigen Festival. Die erste Ankündigung liest sich folgendermaßen: Saxon, Accept, Lordi, Iced Earth, Rage, Sanctuary, Die Apokalyptischen Reiter, Hell und Thunder.
Mario Karl
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