Sabrina Malheiros – Brasilien auf zwei Kontinenten
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Kaum ein Land hat so viele hoch gelobte neue Sängerinnen vorzuweisen wie Brasilien. Da fällt die Auswahl einigermaßen schwer. Sabrina Malheiros sticht insofern heraus, wie sie vielleicht die beste Mischung vorweist, auch international Karriere zu machen. Und dies hängt auch damit zusammen, dass sie gleich stark auf zwei Kontinenten arbeitet.
Ihr drittes Album Dreaming erscheint wie bisher auf dem renommierten englischen Far Out-Label, welches einst dafür sorgte, dass in England und auch anderswo brasilianische Musik in den Danceclubs Einzug hielt. Entsprechend findet ihre Promotour auch in Großbritannien statt. Das Label holt immer wieder brasilianische Musiklegenden aus der Versenkung, produziert sie zeitgemäß, setzt aber gleichzeitig angesagte Remixer für einzelne Tracks ein und fördert junge brasilianische Musiker, die sich mit Tradition und Moderne gleich stark identifizieren können. Sabrina Malheiros ist nicht nur eine davon, sondern in dieser Hinsicht sogar die erfolgreiche Speerspitze des Labels.
Sie präsentiert eine äußerst entspannte Mischung aus alt und neu, aus entspannten Bossas und Sambas, die sowohl akustische Gitarre wie programmierte Beats des Post-Dubstep vertragen. Das alles wird mit weichen, federnden Rhythmen unterfüttert, einem Rhythmusteppich, der scheinbar endlos dahin fließt. Für Abwechslung sorgen Funk- und Soul-Stücke, die gekonnt ins Schema passen. Das größte Plus ist aber diesmal der Gesang. In etlichen Stücken schwebt sie frei vokalisierend daher wie einst Milton Nascimento und auch im Stück „Tem Dendê“ fühlt man sich an den Satzgesang von Sergio Méndes’ Brazil 66 erinnert. Da kommt selbst bei dem derzeit eher verregneten Sommer positive Stimmung auf.
Sabrinas Vater ist Alex Malheiros, Bassist der brasilianischen Sambajazz-Band Azymuth, die vom Far Out-Label vor Jahren mit großem Erfolg reaktiviert wurde. Azymuth pflegt einen keyboard-lastigen, relaxten Jazz, der rhythmisch auf Samba und Bossa aufbaut und seiner Zeit durchaus voraus war. Der Azymuth-Sound wirkt gar wie eine Blaupause für die brasilianischen Produktionen des Labels und beeinflusst atmosphärisch natürlich auch die Sängerin. Im Unterschied zur Brazilectro-Szene dominieren bei Sabrina Malheiros aber immer noch der Song und die hypnotischen brasilianischen Rhythmen und weniger die elektronischen Zutaten, was bei Brazilectro eher umgekehrt ist. Gleichzeitig ist Sabrina immer offen und veröffentlichte ihr letztes Album New Morning vor einiger Zeit erneut mit einem rund zwanzigminütigen Bonus-Mix für die Clubs. Ihr Freund Daniel ‚Venom’ Maunick, Sohn von Bluey Incognito, produzierte das Album – ein weiterer Hinweis dafür, dass Far Out fast wie ein Familienunternehmen funktioniert. Dreaming ist ein Album, das es schaffen könnte, für mehrere Generationen interessant zu sein und es geht neben den derzeitigen neuen brasilianischen Richtungen wie Nu-Bossa á la BebelGilberto, der Oi-Bewegung und dem schon wieder abgeebbten Brazilectro einen eigenen Weg.
Deine Musik auf Dreaming klingt für mich sehr luftig, schön zum hinweg driften. Das empfinde ich bei vielen Far Out-Produktionen so. Inwiefern wird denn auf so etwas wie einen typischen Far Out-Sound geachtet?
Nun, Far Out macht eher die Produktionsleitung im Sinne des Ermöglichens von Ideen. Ich bin sehr stolz, Teil dieses Label zu sein. Man gibt mir die Freiheit, meine Musik zu realisieren, ohne einzugreifen und das liebe ich besonders bei dieser Zusammenarbeit.
Du erinnerst mit deinem freien Gesang in Stücken wie „Fragil“ etwas an Milton Nascimento. Ist er einer deiner Einflüsse, zumal hier ja auch sein Drummer Robertinho Silva mitwirkt?
Das hast du gut herausgehört. Ich beschäftigte mich tatsächlich während der Produktion sehr mit Miltons frühen Aufnahmen. Ich wollte daher auf Dreaming eine Verbindung von afrikanischer Atmosphäre und zeitgemäßen Klängen. Daher bin ich froh, wenn das bei dir genauso angekommen ist, wie ich es mir gewünscht habe.
Bist du als brasilianische Sängerin auf einem englischen Label eigentlich mehr in Brasilien oder in Europa erfolgreich?
Ich arbeite international und konnte bisher mit musikalischen Legenden wie den Brasilianern Azymuth, Roberto Menescal, Arthur Verocai oder Bands wie Incognito und United Future Organisation zusammenarbeiten, bin aber auch der Remix-Szene verbunden, Leuten wie 4-Hero, Kenny Dope, Nicola Conte. Insofern wird meine Musik in beiden Kontinenten beworben, was aber harte Arbeit ist. Immerhin hatte ich bisher die Möglichkeit, drei Alben aufzunehmen und die werden auch noch der nächsten Generation zur Verfügung stehen.
War es schwer, aus dem Schatten deines bekannten Vaters herauszutreten oder war das eher hilfreich, ihn an der Seite zu haben?
Musik zu lernen, moralische Grundsätze zu übernehmen und Respekt zu entwickeln, dafür danke ich meinem Vater. Insofern betrachte ich es als Ehre, Teil seines Vermächtnisses zu sein.
Diskografie | Equilibria (2005)
Vibrasons (2006)
New Morning (2008)
Dreaming (2011)
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Wie stehst du zur Rolle von Electronica und Studioeffekten in brasilianischer Musik?
Für eine neue Generation ist es toll, damit eine neue Sprache in die brasilianische Musik einzuführen und sie zu erneuern. Ich glaube, ohne diese Zutaten würde sich niemand meiner Generation mehr für die ursprüngliche brasilianische Musik interessieren. Außerdem gewinnt man dadurch ein differenzierteres Publikum.
Worin siehst du den Unterschied zwischen deinen Alben Dreaming und New Morning?
Dreaming ist der Höhepunkt meiner Erfahrungen und Lernprozesse aus den beiden vorherigen Produktionen. Das Album kombiniert den elektronischen Soul Sound von Equilibria mit dem organischen Klang von New Morning mit einem eher afrikanischen Anflug.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Daniel Maunick dabei ausgewirkt?
Daniel ist eine toller Co-Writer, Partner und Produzent, der mir jede Menge Freiheit für meine Visionen gab. Außerdem ermutigte er mich, zuerst die akustischen Gitarren aufzunehmen. Es ist schön, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der an meine Musik glaubt.
Bisher waren Far Out-Musiker nicht so oft in Deutschland zu sehen. Wie steht es mit dir?
Für nächstes Jahr suchen wir gerade einen Agenten für Konzerte in Deutschland. Ich habe allerdings eines meiner ersten Konzerte überhaupt 2005 bei einem Festival in Karlsruhe gegeben und bei meinem zweiten Album war ich auf Promotion Tour bei einigen Radiosendern in Berlin. Deutschland interessiert mich schon allein deshalb, weil die Vorfahren meiner Mutter aus Hamburg stammen und deshalb träume ich davon, einmal dort zu spielen.
Hans-Jürgen Lenhart
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