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Reviews
Haydn, F. J. (Haselböck)

Sinfonien Nr. 6-8: Die Tageszeiten


Info
Musikrichtung: Sinfonie

VÖ: 28.06.2004

ARTS / Klassik Center Kassel
CD DDD (AD 2002) / Best. Nr. 47701-2


Gesamtspielzeit: 65:56



EMPFINDUNGSMALEREI IN MUSIK

Eine Aufnahme, die ich sofort ins Herz geschlossen habe: Joseph Haydns Sinfonien Nr. 6-8, die unter dem Titel Die Tageszeiten bekannt geworden sind und in diesem Fall nicht nur den damals knapp dreißigjährigen Komponisten auf der Höhe seiner Fähigkeiten zeigen. Denn die Eleganz, Eloquenz und Klangkultur, mit der die Wiener Akademie unter Martin Haselböck hier aufwarten – ganz zu Schweigen vom hintergründigen Spielwitz – werden allen Facetten dieser ebenso unterhaltsamen wie innovativen Musik gerecht.

Haydns neuem Brötchengeber, dem musikbesessenen Paul Anton Fürst von Esterházy, hatte eigentlich eine programmatische Musik in der Art von Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ vorgeschwebt. Der hatte seine berühmten Streicherkonzerte ja auf vier Sonette komponiert, die mit ihren prägnanten Bildern zur Vertonung im Stil der barocken Nachahmungsästhetik bestens geeignet waren. Das war 1725. Nun hatte sich das Musikempfinden aber seither gewandelt: Anfang der 60er Jahre des 18. Jahrhundert standen die Zeichen auf Klassik und damit auf Abkehr von der Nachahmungsästhetik hin zu einer Empfindungsästhetik. An die Stelle kontrapunktischer und metrischer Komplexität waren melodiebetonte Einfachheit und klare rhythmische Periodik getreten. Die Musik „malte“ nicht mehr nach dem Vorbild Natur, sondern schuf musikalische Welten nach ihren eigenen Gesetzen; an die Stelle des zopfigen Barock-Pathos traten Empfindsamkeit und Leichtigkeit.
So verzichtet auch Haydn auf die kompositorische Nachzeichnung eines literarischen Programms. Er arbeitet mit angedeuteten, mehr atmosphärischen Bildern (z. B. einer „Morgendämmerung“ im kurzen Adagio-Beginn der 6. Sinfonie). Mit seinen Themen und Klangeffekten evoziert er einen Reichtum von imaginären Situationen, Stimmungen und Assoziationen, die man als Hörer zwar mit etwas Phantasie in die Bilderwelten von Morgen, Mittag und Abend übertragen kann – aber nicht muß. Dafür agiert diese Musik schon zu autonom. Wenn z. B. ein Thema nacheinander von unterschiedlichen Instrumenten intoniert wird, hat das was von unterschiedlichen Charakteren, die auf einer Bühne auf- und abtreten. Nur, daß die Musik eben diese Charaktere aus sich selbst hervorbringt und nicht „abbildet“. Auch der „Sturm“ im Presto-Finale der Abend-Sinfonie läßt nicht mehr einfach den rasenden Wind sprechen (wie es bei Vivaldi der Fall ist), sondern verknüpft unterschiedliche Motive und „Affekte“ zu einem vielschichtigen Geschehen, bei dem sich das Naturereignis allein in der Musik abspielt.

Das alles gelingt in diese Produktion sehr überzeugend – und wird durch eine entsprechende Aufnahmentechnik vollends geadelt. Fürst Paul Anton würde bestimmt auf seine Kosten kommen …



Georg Henkel



Trackliste
101-04 Sinfonie D-Dur Nr. 6 (Der Morgen)
205-09 Sinfonie C-dur Nr. 7 (Der Mittag)
310-13 Sinfonie G-Dur Nr. 8 (Der Abend)
Besetzung

Wiener Akademie
Martin Haselböck, Ltg.


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