Dämme brechen lassen - der Ozean kommt
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Gesprächspartner: The Ocean
Zeit: 06.08.2004
Ort: Berlin, Magnet Club
Interview: Face 2 Face
Stil: Ambient / Doom
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Mit The Ocean wächst in Berlin gerade eine Band heran, der die Presse querbeet eine große Zukunft voraussagt. Man nennt die Band in einem Atemzug mit wunderbarsten Bands verschiedener Genres, in Reviews geht es darum die ausgefallene, sperrige Musik mit einfallsreichsten Superlativen zu überdecken. Schön zu wissen, dass die Menschen recht haben. The Ocean sind der Hammer!
MAS: Auf eurem neuen Album Fluxion habt ihr zum ersten Mal auch auf Gesang zurückgegriffen. Bis auf den letzten Song ist der ja metallisch, in Richtung Breach vielleicht. Gab’s Überlegungen einen anderen Stimmklang zu verwenden?
Robin: Auf den letzten beiden Songs ist auch cleaner Gesang vertreten, allerdings nicht so sehr dominant. Das macht im übrigen der Gerd. Dominant sind die aggressiven Vocals bei uns, aber das ist auch Teil des Konzepts, weil wir keine Melodiegesang-Band sind und sein wollen. Der Gesang soll eher der Dynamik dienlich sein, was wenn der Song losgeht dann noch eins draufsetzen soll statt noch zusätzliche Melodielinien hinzuzufügen. Da passiert schon so viel mit Samples und Gitarren, der Bass spielt auch fast nur Solo-Lines. Die Musik ist also da schon ziemlich voll, da bleibt eigentlich gar kein Platz für zusätzliche Melodien. Für die Zukunft möchte ich das aber nicht ausschließen.
MAS: Die Kritiken über euch sind immer überhäuft mit Referenzen wie Breach, Neurosis, Dillinger Escape Plan, Mogwai, Godspeed You Black Emporer!, usw. Wird es bei dem was da alles von der Presse kommt auch ein Streben von euch, euch da ganz klar von abzugrenzen?
Robin: Auf jeden Fall. Bei den Bands handelt es sich aber auch um so verschiedene Sachen, dass wenn all diese in einem Atemzug als Referenzen genannt werden, wir uns nur drüber freuen können. Würde man jetzt sagen, dass wir nur wie Breach klingen würde das eben nicht der Realität entsprechen. Alleine durch die Instrumentierung ist das ja schon eine andere Grundlage, da Breach ja eine Standardbesetzung haben. Wenn man so verschiedene Bands nennt wie DEP oder GYBE! ist das ein Kompliment.
Andreas: Man wird ja oft verglichen, aber man hört auf jeden Fall das Eigenständige.
Robin: Es gibt auch nichts wahrhaft Neues unter der Sonne. Es gibt nur zwölf Töne, die in allen erdenklichen Reihenfolgen schon kombiniert worden sind und im Prinzip schon vor 100 Jahren, da macht auch Punkrock keine Ausnahme, von daher kommt es für uns eher darauf an, diese altbekannten Mittel neu zu kombinieren und zusammenzusetzen. Neue Musik wird niemand erfinden, um das geht es nicht, das ist 'ne Anmaßung, wenn man das zum Gegenstand macht.
MAS: Wie ist das für euch als Band, wenn ihr die Musik als Medium betrachtet, mit dem ihr irgendetwas an Gefühlen oder Gedanken übersetzen wollt, fällt das schwer bei einer achtköpfigen Band?
Gerd: Das ist einfach gelöst, das macht alles nur einer. Robin ist unser Mastermind, er setzt seine Ideen um in den Liedern, wir setzen das dann live um.
Andreas: Wobei wir da natürlich schon einen Konsens haben. Da ist jetzt keiner dabei, der mit Robins Idee nicht klarkommt.
Robin: Der Ozean ist der Körper für mein Herz. Ganz einfach. Damit löst man auch die Sache ganz elegant. Das ist so 'ne Konzeptfrage. Es gibt Bands, die treffen sich, jammen zusammen und es kommt geile Musik dabei raus. Bei uns ist das anders, da ist alles durchkomponiert von A bis Z. Ich komme mit einer Vorproduktion an, auch die Drums sind bis auf's letzte Roll programmiert. Das hat seine Vor- und Nachteile, es ist live null spontan. Für viele Leute dann aber auch nicht mehr Rock’n’Roll, das ist uns aber scheißegal, das ist sowieso nur 'ne leere Worthülse. Man kann beim Komponieren in große Tiefen vordringen, wenn man das selbst alles durchkomponiert kann man sich da Gedanken machen und alle Optionen ausprobieren wie sich ein Song entwickeln. Wenn da im Proberaum acht Leute durcheinanderquasseln wird das oft nix. Ich will das nicht abwerten, das ist nur eine Konzeptfrage, aber der Vorteil bei einer One-Man-Show ist eben, dass man da auch ein Stück mathematisch hingehen kann. Unsere Musik ist ja auch mathematisch.
Gerd: Die Technologie macht das eben möglich zig Spuren auszuprobieren.
MAS: Spielst du dann alle Instrumente selbst?
Robin: Nein, nein. Ich komponiere sie, aber ich spiele sie nicht alle selbst. Die Cello-Noten schreib ich am Rechner und die Cellistin spielt sie dann eben ein. Bei den Drums ist es so, dass ich das programmiere und unser Schlagzeuger dann alles mit Kopfhörern raushört und spielt. Ich spiel das nicht alles selbst ein. Ich spiel die Gitarren und mach die Samples. Die Leute machen alle ihre Sachen, nur die Herangehensweise ist fast klassisch. Man spielt mehr nach vorgegeben Formen statt einem Selbstverwirklichungsanspruch hinterherzulaufen.
MAS: Hat der Rest der Band Probleme damit oder war das von vornherein klar?
Gerd: Es ist klar, dass einem nicht alles gefallen kann. Da wird dann auch mal ein bisschen gedoktert. Gerade wenn unser Schlagzeuger Torge anmerkt, dass er keine fünf Arme hat, muss da etwas geändert werden.
Andreas: Und es ist ja auch nicht so, dass man nur den Ozean macht. Torge hat ein Grindcore-Metal-Projekt zum Beispiel. Gerd hat verschiedene Sachen.
Gerd: Mein Muschelorchester. Oder Klanginstallationen mit Eis.
Andreas: Es tobt sich jeder wenn er will auch noch woanders aus, der Ozean ist aber schon das Zentrum, was auch sein muss, sonst kommt man damit nicht hin. Wir wollen das alle machen.
MAS: Ihr habt ja Oceanland gegründet. Arbeitet ihr da alle oder ist das nur dein Revier, Robin?
Robin: Das ist unser Domizil in dem wir proben, wir unsere Alben aufnehmen und auch ne Menge gesellschaftliches Leben stattfindet. Wenn wir sehr intensiv proben von morgens bis abends für drei, vier Wochen, was manchmal vorkommt, wenn Touren oder Aufnahmen anstehen halten wir uns da schon sehr viel auf. Es ist nicht mein Studio oder so, ich betreibe das nicht kommerziell, wo ich andere Bands noch aufnehmen würde oder. Da nehmen wir auf. Unser Soundingenieur hatte da mal noch sein Studio drin, ist jetzt aber ausgezogen und kommt nur wenn Alben anstehen dazu und bringt sich mit ein. Es ist ein großer Kellerkomplex, der im 2. Weltkrieg eine Aluminium-Fabrik war, die lange brach lag. Wir mussten da erst mal zwei Monate schuften bis das halbwegs begehbar war. Jetzt haben wir das rund um die Uhr zur Verfügung, was die Arbeit ungemein erleichtert. Wir haben da riesig viel Platz um auch die riesigen Percussion-Instrumente aufzubauen.
Gerd: Meine kleinen Lieblinge.
Robin: Wir können da den ganzen Tag Lärm machen und in der Atmosphäre ist das auch sehr produktiv. So’n alter Keller mit Rohren und allem, kann man sich vielleicht ein bisschen vorstellen. Das ist schon beflügelnd.
MAS: Das ist auch ein sehr gutes Bild, das sehr gut zu eurer Musik passt, so ne Industrieruine.
Robin: So ist das auch ein bisschen.
MAS: Du bist ja nach Berlin gezogen um deine Vorstellung von The Ocean zu verwirklichen. Was ist der größte Unterschied zwischen dem, was du dir vorgestellt hast und dem, wie es jetzt ist?
Robin: Das ist ein himmelschreiender Unterschied. Ich komm aus ner Kleinstadt aus Nordwestdeutschland, hab da auch schon viel Musik gemacht, aber eben nicht die Leute gefunden, die ich haben wollte um so ein Projekt aufzuziehen. Wir hatten jahrelang keinen Basser in der Stadt, das war zum Kotzen. Da hab ich mir gedacht, dass das natürlich alles kein Problem ist, wenn ich nach Berlin gehe, da hat’s 3 Millionen Leute und die warten ja alle förmlich darauf meine Musik zu spielen, das war dann natürlich gar nicht so. Es hat sehr lange gedauert diese Band zusammenzukriegen. Da müssen so unglaublich viele Sachen stimmen, die Leute müssen technisch fit sein, müssen Bock haben auf so’n Konzept, müssen coole Leute sein, mit denen man sich vier Wochen in nen Bus setzt ohne sich anzukacken und es sind so viel Komponenten, die da reinspielen. Die Musik ist ja jetzt auch nicht so leicht zugänglich, dass man da jeden Rockmusik dafür gewinnen könnte. Es gibt unglaublich viele Musiker hier, aber wenige, die Bock haben so’n Projekt von grundauf aufzubauen und da ne Menge Energie reinzustecken. Die guten Leute sind dann in tausend Projekten, deshalb war das schon sehr, sehr schwierig. Rückblickend muss ich aber schon sagen, dass Berlin ne geile Stadt dafür ist. Es ist schwer die Leute zu finden, aber man findet sie dann doch. Der Gerd zum Beispiel ist von Anfang an dabei.
Gerd: Ja, das waren auch nicht Monate bis das lief sondern echt Jahre bis das Line-Up stand.
Robin: Das waren insgesamt drei Jahre und Leute sind immer wieder gekommen und gegangen.
Gerd: Man trifft die Leute aber auch immer wieder in anderen Bands. Der Kreis von Musikern scheint doch recht klein zu sein. In so ner Großstadt wie Berlin hätte ich nicht gedacht, dass die Leute, die mal in den Proberaum kommen, vorspielen, dass man die gleichen Leute dann immer wieder trifft eigentlich. Da gibt’s schon nen Kern.
MAS: Hast du ne Art Ausbildung gemacht um dich den anderen Musikern da genau mitteilen zu können?
Robin: Nein, ich bin kompletter Autodidakt. Ich spiel seit zwölf Jahren Gitarre und hatte ziemlich früh das totale Musikerlebnis und ich wusste dann, dass es das ist. Mir war klar, dass ich morgens aufstehen kann, da an was rumbastle und mir das bis Mitternacht nicht langweilig wird. Alle anderen Dinge wie das Programmieren haben sich dann alle so ergeben. Ich bin auch nicht wirklich notenfit, wenn ich da vom Blatt spiele. Ich bin da total langsam. Der Rechner, die moderne Technik, ermöglicht es eben da sehr produktiv damit umzugehen. Bei der heutigen Technik, die es gibt, ist es auch leicht komplexe Musik zu machen.
MAS: Ist euer Albumtitel eigentlich an die Fluxus-Konströmung der 50er/60er angelehnt?
Robin: Nein, ist aber ne geile Assoziation. Du hast das neulich auch gemeint, Gerd, richtig?
Gerd: Ja, genau.
MAS: Da hätte ne Art Ironie, da ihr ja keinen Kontakt zum Publikum habt während der Show, wobei Fluxus das Publikum als Teil der Kunst verstanden hat.
Robin: Der Titel „Fluxion“ bezieht sich eher auf das Gesamtkonzept, es sollte zum einen zum Artwork passen und dieses Fließen bezieht sich auch auf die Live-Show, es gibt da keine Pausen. Wir möchten das Ganze so rucklos wie möglich über die Bühne zu bringen um eine Gesamtatmosphäre zu schaffen. Es gibt auch keine klaren Grenzen zwischen den einzelnen Stücken. Auch auf der CD sind die Trackmarks recht willkürlich gewählt. Darauf bezieht sich „Fluxion“, alles miteinander zu verbinden und eine Show auf die Bühne zu bringen statt Songs. Das Gesamtkunstwerk, um das mal ganz pathetisch zu sagen.
Diskografie | Islands/Tides (2001) 2nd Demo (2002) Fogdiver LP (2003) fluXion LP (2004) |
| MAS: Eure Kunst ist ja sehr vielschichtig, hat auch viele visuelle Momente. In welchem Rahmen würdet ihr das gerne mal präsentieren? Mal was anderes als ne Clubbühne.
Robin: Ja, da gibt’s sicherlich ne ganze Menge geiler Möglichkeiten.
Andreas: In Leipzig hatten wir mal nen Auftritt in einem Theater mit ner riesigen Bühne und Säulen.
Robin: Das war wohl ein altes Kino. Mit ner riesigen Kuppeldecke und bestimmt 40 Meter hohen Wänden. In so nem Ambiente ist das natürlich noch viel besser für uns, da bröckelte der Putz von der Decke. Wir haben auch mal überlegt Theater ganz gezielt anzugehen und es da auf die Bühne zu bringen, wobei das Problem ist, dass wir live ne sehr harte Band sind. Der Eindruck, der durch „Fogdiver“ entstanden ist trügt auch ein bisschen, wenn man uns live sieht. Es ist keine Musik, zu der man sich hinsetzt und zuhört, live zumindest, auf Platte mag das funktionieren und das ist auch schön, doch live ist das schon ein ganz schönes Brett. Deshalb weiß ich nicht ob bestuhlte Locations so das Wahre für uns sind. Leipzig war bestuhlt und war geil. Ich will das nicht ausschließen, aber auch nicht ne reine Theater-Tour machen.
Gerd: Wir möchten jetzt auch noch mehr mit bewegtem Bildern im Rahmen der Show arbeiten, da ist auch einiges am Laufen. Mit Licht ist das schon sehr geil, aber es kann noch mehr sein, find ich.
Robin: Wir sind ja auch abhängig davon was uns angeboten wird. Wir kommen alle aus dem Punk/Hardcore-Bereich und da spielt man immer in bestimmten Locations, die alle mehr oder weniger gleich sind. Das ist der Stand der Dinge. Ich könnte mir das alles natürlich auch auf großen Bühnen mit optimalen technischen Bedingungen vorstellen. Das wäre auch irgendwie angemessen für das, was wir machen, aber da muss man erst mal die Hallen füllen und wir sind ja noch am Anfang. Schau’n wir mal was kommt...
Kevin Kirchenbauer
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