Nach den letzten beiden Scheiben, die - textlich einem SF-Konzept gewidmet - auch musikalisch etwas hochpoliert waren, sind Dänemarks
Finest auf dem aktuellen Output erheblich erdiger geworden. Back to the Roots kann man das eigentlich nicht nennen; jedenfalls nicht zurück zu den
eigenen Wurzeln. Man kann sich dagegen des Eindrucks kaum erwehren, dass Royal Hunt diesmal stark am alteingesessenen Hard
Rock-Adel orientiert sind. Sänger John West klingt immer wieder massiv nach Ian Gillan und auch ansonsten sind Parallelen zu den 1984 re-unierten
Deep Purple nicht zu leugnen.
Das aber ist keineswegs als Negativ-Kritik zu verstehen. Im Gegenteil: Die Neu- (oder bessser Alt?-)Orientierung
gibt dem sympathischen Power-Metal der Dänen mächtig zusäztliche Substanz und der neuen Scheibe einen eigenständigen Charakter. So ist
Eye Witness weder mit dem eigenen Backkatalog noch mit den Klassikern der Rock-Geschichte zu verwechseln. Für eine Band, die
schon so lange im Geschäft ist wie Royal Hunt, eine erfreuliche stilistische Beweglichkeit, die dennoch kein Jota an Identität aufgibt.
Gleich die ersten drei Tracks zeigen, welche stilistische Bandbreite Royal Hunt abdecken können. Der Opener holt die eher
konservativen Fans dort ab, wo sie ihre Lieblinge erwarten. Pfeilschnelle Gitarren, triumphalistische Chöre und eine überwältigend
positive, lebensbejahende Ausstrahlung prägen einen typischen Royal Hunt-Knaller. Dann folgt mit "Can't let go" ein Stück, das
wesentlich düsterer ist, als alles, was man bisher von RH gewohnt ist. Dabei erinnert es ein wenig an Gary Moore zu "After the War-
Zeiten. "The Prayer" setzt dann einen sehr ruhigen Akzent. Passend zum Titel wird der Geang nur von einer sakral klingenden
(Kirchen- )Orgel begleitet.
"Edge of the World" ist dann das viellleicht typischte Stück dieses Albums. Sehr erdig könnte es mit der hier sehr stark an Ian Gillan
angelehtnen Stimme sowohl von einem moderneren Depp Purple-Album, als auch von einer Gillan-Solo-Scheibe stammen. Das Eingangsriff
scheint dagegen von Midnight Oil geklaut zu sein. Im Spannungsfeld von disesem Track und "Hunted" bewegt sich dann der größte
Teil der weiteren Tracks. Mit Ausnahme von "Wicked Lounge", das - nomem es omen - ungewöhnlich chillige Musik für den Abend in
der Hotelbar präsentiert.
Eins der besten Werke einer überdurchschnittlichen und eigenständigen Band.
18 von 20 Punkten
Norbert von Fransecky
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