"Scantropolis" machte diese Band zu meinem persönlichen Vfl Bochum der härteren Rockmusik. Vor Veröffentlichung dieser CD hätte ich einige Schmuckstücke meiner Sammlung darauf verwettet, dass Scanner ein Dauerabonnement auf Ewigkeit für die unauffälligen Plätze des hinteren Mittelfelds der 2. Liga gepachtet haben. Mit "Scantropolis" haben sie das Unmögliche möglich gemacht. Gemeinsam mit Messiah´s Kiss (Hansa Rostock ??) rollen sie das Feld von hinten auf und besetzen die Pole Position des melodiösen Power Metals.
Möglich wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch die Auswechslung des Spielmachers. Abgesehen von denm sagenhaft kindischen Pseudonym Lara, äh pardon, Lisa Croft, überzeugt die neue Frau(!) am Mikrophon nämlich in jeder Lebenslage. Die perfekte Symbiose von rotzigem Girlie-Charme und gestandener Power-Rock-Röhre ist hier in einem hautengen Lederkleid vereint. Ob krachende Uptempo-Nummer oder schmeichelnde Ballade - Lisa kann´s. Sollten solche Frauen im härteren Rock-Segment zur Regel werden, müssen sich altbackene Quoten-Rock-Ladys á la Doro Pesch ernsthafte Gedanken um ihre Rocker-Rente machen.
Auch wenn die Keyboards wichtige Bestandteile von Scanner sind, dienen sie nicht dazu mit Soundwällen oder -kleister die Schwächen der Kompositionen zu überspielen. Im Mittelpunkt stehen - so gehört sich das - krachende Gitarren und eben die besagte Stimme von Lisa C. Die Keyboards setzen mit Phantasie und überraschend viel Humor verspielte Akzente, die Frische und Lebendigkeit ins Spiel bringen.
Als Anspieltipps eigenen sich "Till the Ferryman dies", gleichzeitig Opener und - in einer Live-Version - Rausschmeißer der CD, "Hallowed be my Name", das mit krachendem Refrain, sanften Strophen und einem superben Gitarren-Solo fast alle Stärken der Band ausspielt, und "Engel Brecht´s", das als Brecht/Weil-Adaption kulturellen Anspruch in den Metal bringt. Croft´s Stimme erinnert dabei an die Skandalnudel Nina Hagen.
Norbert von Fransecky
17 von 20 Punkte
www.massacre-records.de