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Musik an sich
 
Verdi: Il Trovatore (Der Troubadour)
Bereits erschienen (EMI)
Oper
Cover
 

Alagna, Gheorghiu, Hampson, London SO, Antonio Pappano

Der humanistischen Bildung Tribut zollend, zwei Zitate vorab: "Eine Aufführung des ´Trovatore´ ist ganz einfach: Man braucht nur die vier besten Sänger der Welt!" (Enrico Caruso). "Singe, wem Gesang gegeben!" (Ludwig Uhland).

Unter beiden Gesichtspunkten wirft diese Neueinspielung von Verdis wohl dramatischster Oper dieselbe Frage auf: Wieso um Himmels willen hat man Roberto Alagna engagiert?!?

Nun gut, er ist der Ehemann von Angela Gheorgiu, die die Leonora erwartungsgemäß brillant und mit einem schier atemberaubenden Stimmumfang singt. Aber es käme doch auch niemand auf die Idee, Doris Schröder-Köpf oder Karin Stoiber nur wegen des Ehepartners ins Kabinett zu berufen!!

Jedoch von Anfang an: "Il Trovatore" ist der beste Beweis dafür, daß Verdi in der Lage war, auch noch aus dem abstrusesten Libretto ein Meisterwerk zu schaffen. Die Geschichte zu erzählen, lohnt nicht. Es genügt vollauf zu wissen, daß Liebe, Haß, Eifersucht, Rache, Aberglaube, Scheiterhaufen, Duell und finstere Vergangenheit ausreichend Anlaß geben, Emotionen in Musik zu verpacken.

Antonio Pappano schnürt dieses Paket am Dirigentenpult perfekt und treibt das vermeintlich kühle London Symphony Orchestra zu südländisch-feurigem Spiel an. Es ist, als stünden die gut 2 Stunden der Aufführung unter ständiger Hochspannung und genau so muß es auch sein in einem Stück, in dem praktisch ständig jemand dem Tode, dem Wahnsinn oder sonst irgend etwas bedrohlich nahe ist. Wenn man bedenkt, welch schlampige und tödlich langweilige Einspielung unter Riccardo Muti im letzten Jahr erschien, die annehmen ließ, ein dramatisches Verständnis und Geschick, wie das Tullio Serafins in den 60er Jahren, würde wohl nicht mehr erreicht werden, kann man Pappanos Leistung nicht hoch genug loben.

Ihm steht ein Ensemble zur Seite, das fast durchgehend überzeugt: Neben der Gheorgiu wäre zuerst Thomas Hampson als Graf Luna zu nennen, der von ihm nicht als menschliches Ungeheuer, sondern als verzweifelt Leidender interpretiert wird und das mit viel theatralischem Geschick. Larissa Diadkova vermag vor allem in den tiefen Tonlagen zu gefallen. In der Höhe wirkt ihr Sopran leicht schrill, was aber bei den ständigen Wutausbrüchen der von ihr verkörperten Zigeunerin Azucena nicht unpassend ist. Auch Ildebrando D´Arcangelo als Ferrando macht seine Sache ausgezeichnet.

Die besten Sänger der Welt? Es mag dahinstehen, insoweit zumindest sicher Weltspitze.

Aber, aber, aber... Roberto Alagna ist eben eigentlich kein Tenor, sondern ein verkappter Bariton, so daß er die Töne mit Brachialgewalt in die Höhe stemmen muß und das ganze auch noch mit einer zähen Vibratosoße zu kaschieren bemüht ist. Der gellende Schrei, mit dem er im Schlußtrio des ersten Aktes versucht, das hohe C zu erreichen, läßt einem das Blut in den Adern gefrieren und selbst die vergoldeten Anschlüsse jeder Stereoanlage oxidieren.

Dabei kann man Alagna ein Gespür für die Situation im Stück nicht absprechen und auch den guten Willen nicht. Jedoch, wie besagt ein anderes Zitat: "Kunst kommt von Können, denn wenn sie von Wollen käme, hieße sie ´Wunst´!" (Karl Valentin)

Wer es schafft, in einer Aufnahme des "Trovatore" beim Auftritt der Hauptperson wegzuhören, oder wer ohnehin auf Pseudo-Tenöre á la Bocelli und Konsorten abfährt, darf bei dieser CD bedenkenlos zugreifen. Alle anderen stehen vor dem Problem, daß eine bessere digitale Einspielung kaum zu finden und angesichts der derzeitigen Knödeltenor-Hochkonjunktur auch nicht zu erwarten sein dürfte.

Repertoire: 4 Punkte
Klang: 5 Punkte
Interpretation: 3 Punkte
Edition: 4 Punkte

Gesamt: 16 von 20 Punkte

Sven Kerkhoff

 

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