(26. + 27. Juli in Rieneck)
Wer schon Wochen vor diesem Event durch das kleine Spessartstädtchen Rieneck
gefahren ist und von Rock am Tunnel nichts mitbekommen hat, ist entweder der
deutschen Sprache nicht mächtig oder blind, den die vielen, in Signalfarbe
gehaltenen orginellen Hinweisschilder waren nicht zu übersehen.
Das wirklich nett hergerichtete Festivalgelände lag einen langen Fussmarsch
durch einen dunklen Wald alà Hänsel&Gretel entfernt an einer Bahnstrecke, wo
man während den Konzerten diverse Züge der Deutschen Bahn AG sehen und vor
allem vorbeirauschen hören konnte. Dies und vor allem der freie Eintritt
gehören einfach zum Kult um dieses schon seit langer Zeit bestehende Festivals und
liessen das Publikum, vielleicht auch Dank des gnädig gestimmten
Wettergottes, wieder sehr zahlreich in das Städtchen zwischen Aschaffenburg und Würzburg
strömen.
Aber der Grund für MUSIKANSICH dort anwesend zu sein, waren natürlich die
teilweise sehr interessanten Bands, bei denen man sah das sich der Veranstalter
wirklich viele Gedanken um das Billing gemacht haben muss.
Freitag 26. Juli
Diesen Freitag konnte man Wettertechnisch gesehen bis Abends wirklich
vergessen, doch pünktlich zum Festivalbeginn um 20.45 Uhr abends, war für die
gesamte Dauer der Veranstaltung kein Regentröpfchen mehr zu spüren. Jedoch wurde
meine Laune aus einem anderen Grund etwas getrübt, den die Alternativ-Metaller
BASEMENT6 mussten ihren Auftritt kurzfristig canceln und dafür wurde in
einer Nacht- und Nebelaktion die Gruppe TOKIO verpflichtet. Der Dreier coverte
bekannte ältere Songs wie z.b. "Proud Mary" auf eine Art wie ich mir eigentlich
das covern vorstelle. Also nicht die Orginale 1:1 Note für Note nachspielen,
sondern die Songs auf eigene Weise interpretieren, was für einen hohen
Wiedererkennungswert, denoch aber für eine eigene Note sorgte und das Publikum
hervorragend bei Laune hielt. Als Zugabe spielten die etwas reiferen Herren noch
den Song "Tokio" mit dem der Bandleader der Combo mal in besseren Tagen
einen recht erfolgreichen Hit landen konnte.
Für Leser die unser nettes Mag regelmässig verfolgen, dürften die Würzburger
SHYLOCK schon alte Bekannte sein und auch diesmal haben sich die Jungs mit
ihren hochklassigen Hardrock-Eigenkompositionen auf alle Fälle wieder ein paar
neue Fans erspielt. Die Band überzeugte durch eine routinierte, fast
fehlerlose Performance und nur Menschen die öfters mal einen Shylock-Gig besuchen,
dürfte aufgefallen sein das sich die Setliste kaum ändert und Schenky bei
seinen Ansagen ruhig mal eine andere Platte auflegen dürfte. Dies machte er
jedoch wett, indem er mit dem Rücken zum Publikum zwei Shylockshirts zufällig in
die Menge warf, um ein paar Fans eine Freude zu bereiten, was sichtlich
gelang. Nette Aktion auf jeden Fall und eine gelungene Probe für weitere Auftritte
als Support-Act für Acts wie Primal Fear, Shakra, Bonfire usw.
Wenn es eine Band gibt, die alle Fans härterer Gitarrentöne irgendwie
sympathisch finden, ist dies AC/DC ! Daher war es keine schlechte Wahl als
sogenannten "Headliner" des Freitags, die wohl beste AC/DC-Coverband Deutschlands zu
verpflichten. Die Aschaffenburger von AB/CD boten eine tolle Show, inklusive
live dargebotenen Dudelsackintro bzw. der AC/DC typischen Elemente wie der
Angus-Strip bei "Bad Boy Boogie" und sorgten für eine bombige Stimmung im
nächtlichen Rieneck. Was die Jungs, die übrigens vor 10 Jahren schonmal bei Rock
am Tunnel spielten, richtig kultig erscheinen lies war neben dem
orginalgetreuen Look auch die Setlist, die sich vor allem an der Bon Scott-Phase
orientierte. Also bleibt das Motto: Wenn schon nicht das Orginal, dann auf jeden Fall
AB/CD.
Samstag 27. Juli
Auf den Namen 4BACKWOODS hörte der Opener dieses Festivalsamstags,
glücklicherweise jedoch machten die vier Hinterwäldler ihrem Namen keine Ehre.
Stattdessen waren die Jungs aus Köln mit ihrem melodischen Crossover, der an die
Spritzigkeit von den H-Blockx an ihren Anfangstagen erinnerte für mich die
Entdeckung dieses Open Airs. Zu der eingängigen, groovigen Musik gesellte sich das
freche, selbstbewusste, leicht prollige Auftreten der Truppe, die mit dieser
speziellen Mixtur schon etliche Talentwettbewerbe für sich entscheiden
konnte. Wer also mit den neuen Sachen der "Hochsicherheitszellen" nix mehr
anfangen kann und auf leicht kommerziellen Crossover steht, sollte in die Debüt-CD
"These little things" mal reinhören, die bei dem Auftritt der Rheinländer in
Rieneck für die Person als Preis ausgesetzt wurde, die am wildesten zu der
Musik des Quartetts abgeht.
Tja, da 4Backwoods aus Köln einen so guten Eindruck hinterlassen hatten, war
ich für die nächste Truppe aus Düsseldorf, die sich ebenfalls dem
Crossoversound verschrieben haben, ganz zuversichtich. FIDGET aus der Altbierstadt
spielten etwas heftigeren, punkbeeinflussten Crossover mit hauptsächlich
weiblichen Vocals und die exotische Frontfrau mit den grüngefärbten Haaren war zu
Beginn des Gigs durch ihr temperamentvolles Auftreten bzw. flummiartigen
Tanzstil der Blickfang der Band. Anfangs konnte auch die Musik einigermassen
überzeugen, doch mit zunehmender Spieldauer stieg der Gähnfaktor im Publikum rapide
an, da sich ein Lied dem anderen zu stark ähnelte und der gitarrespielende
Co-Sänger war ehrlich gesagt, auch wenn man alle Hühneraugen zudrückt, der
Sangeskunst einfach nicht mächtig. Aber es ist auch nicht leicht vor U.D.O zu
bestehen ....
Und dann war es also soweit, man vernahm futuristische Geräuschsamples,
Blaulicht erhellte das Festivalgelände, ein in Robotermontur verkleideter Udo
Dirkschneider betrat mit seinen Mannen die Bühne und eröffneten den Set mit dem
Titeltrack des neuen U.D.O-Longplayers "Man and Machine". Die Metalikone
spielte dieses Jahr schon zum dritten Mal bei Rock am Tunnel vor und auch dieses
Mal war es eine gute Wahl Mr.Dirkschneider zu verpflichten, was man an der
Ressonanz der Fans sehen konnte. Die Band hielt die geniale Stimmung mit einem
simplen, aber genialen Rezept aufrecht, indem sie zwischen dem neueren
U.D.O-Material immer wieder mal ein paar altbekannte Accept-Klassiker zum Besten
gaben. Ähnlich wie bei Rob Halford holt Udo Dirkschneider die Vergangenheit
scheinbar immer wieder ein und ein Konzert ohne Hits seiner ehemaligen Band wäre
wohl auch nicht das Gelbe vom Ei, jedoch nimmt ihm das "covern" keiner übel,
den Udo ist einfach Accept und basta.
Von den Brettern die die Welt bedeuteten heizte Udo den Besuchern ein ums
andere mal durch Mitsingspielchen ein, die dankend von den Fans angenommen
wurden und bei wohl jeder anderen Truppe ein wenig lächerlich gekommen wären,
aber bei U.D.O absolut zum Flair passten. Auch an diesem Samstag ist aufgefallen
das so manche jünge Hüpfer oder Rentner im Reunionwahn sich ein Beispiel an
der Power und dem Einsatz von Herrn Dirkschneider nehmen könnten, den
ebenjener hat in Rieneck wieder mal bewiesen das er 101% Heavy-Metal ist.
So ging die 14. Auflage des Rock am Tunnel-Festivals zu Ende und es wird
schwer das dieses nette, gemütliche Event im nächsten Jahr noch zu toppen. Aber
wie heisst doch der Slogan eines Autoherstellers aus Fernost...... Nix is
unmöglich.
MANUEL LIEBLER
Internetseiten der Bands:
shylockmusic.de
4BACKWOODS.de
fidget1.de
udo-online.de