Der Vorwurf von Judas Priest-Goldkehlchen Tim "Ripper" Owens an die Adresse
seines berühmten Vorgängers Rob Halford, er wäre nur aus Geldgier zum
traditionellen Heavy Metal mit seinem Projekt "Halford" zurückgekehrt, löste heftige
Diskussionen in der Metal-Szene über Verrat, Treue und Ehrlichkeit aus. Doch
wieso sind diese Attribute den Fans härterer Gitarrenmusik so wichtig ?
Schauen wir uns die Fans dieser Musik doch ein mal etwas genauer an. Trotz der
Abgrenzung von der "normalen" Gesellschaft durch Äusserlichkeiten wie z.B.
schwarzer Lederkleidung, langen Haaren, Bandshirts usw. als Zugehörigkeitsmerkmal
eines bestimmten "auserwählten" Kreis, sind die Anhänger dieser
Musikrichtung im Prinzip spiessig, konservativ und keine Freunde von irgendwelchen
Veränderungen bzw. Weiterentwicklungen.
Aus welchem Grund sonst weisen die erfolgreichsten Bands dieses Genres wie
z.B. Iron Maiden, Motörhead, AC/DC usw. stilistisch in ihrer langen Karriere
nur minimal bis gar keine Veränderung auf ? Auch die junge Riege der
Thronfolger wie Primal Fear, Edguy und Hammerfall treten in dieser Beziehung in die
grossen Fussstapfen ihrer Idole und werden von Album zu Album erfolgreicher.
Der Metalhead hasst Veränderungen und will sich in dieser ereignisreichen
heutigen Zeit zumindest auf eine Konstante in Form seiner Musik verlassen können.
Nehmen wir zuerst das Beispiel Iron Maiden. Nachdem Goldkehlchen Bruce
Dickinson die Eisernen Jungfrauen verlassen hatte um auf Solo-Pfaden zu wandeln,
holten sich Steve Harris und Co. den jungen Wolfsbane-Shouter Blaze Bayley ins
Boot und verpassten ihrem Sound einen ungewohnt düsteren Touch. Obwohl das
erste Album "The X-Factor" musikalisch mehr als gelungen ist, wurden die Fans
mit dem neuen Stil nicht warm und die Rufe nach Herrn Dickinson wurden
lauter. Diesen Forderungen kam man mit dem nächsten Longplayer "Virtual XI"
entgegen, mit dem Iron Maiden wieder zu ihrem ursprünglichen Stil zurückkehrten,
jedoch mit der Tatsache das Herr Bayley statt Mr. Dickinson am Mikro stand, was
den meisten Anhänger vorkam wie ein Haar in der Suppe. Doch auch der
verlorene Sohn bekam von den potentiellen Käufern mit seiner ersten, etwas poppig
ausgerichteten Soloscheibe mehr oder weniger die kalte Schulter gezeigt und erst
die letzten zwei CD`s die sogar mit Hilfe des Ex-Maiden-Axemans Adrian Smith
doch sehr nach dem Maiden-Muster gestrickt wurden, brachten die erhoffte
Anerkennung, aber eine Kleinigkeit fehlte natürlich noch. So kam es wie es
kommen musste, Herr Dickinson und Maiden hatten sich wieder lieb, Blaze Bayley
wurde mit einem Vertrag für eine Solo-Karriere vom Management vor die Tür
gesetzt, die "alte" Besetzung der Jungfrauen setzte mit "Brave New World" zu neuen
Höhenflügen an und es war alles wieder so schön wie früher....
Kommen wir nun aber wieder zu unseren zwei Freunden vom Anfang unserer Story
zurück. Bei Judas Priest schlug das Schicksal nämlich ähnliche Wogen. "Metal
God" Rob Halford hatte nach dem Megaerfolg "Painkiller" keine Lust mehr auf
traditionellen Metal, lies Sprüche wie "Metal ist tod" vom Stapel und
flüchtete mit seinem zweiten Soloprojekt "Voyeurs" sogar in Industrialgefilde,
während die Story von Priest jedoch fast wie in einem Märchen weiterging, denn der
bisher unbekannte, in einer Priest-Coverband(!) tätige Tim Owens setzte sich
gegen seine teilweise namhafte Konkurrenz im Kampf um den vakanten
Sängerposten durch. Natürlich wollte man auch hier das berühmte Rezept anwenden: Neuer
Sänger = komplett neuer Sound, doch den Riesenschritt zu modernen Klängen
alà Pantera bzw. Machine Head nahm den doch schon etwas reiferen Herren wohl
keiner ab, das Album "Jugulator" blieb wie Blei in den Regalen liegen und das
Material daraus wurde aus der Live-Setlist fast komplett verbannt. Aus diesen
Fehlern lernten die zwei Parteien und Halford feierte mit "Ressurection" und
seinem neuen Longplayer "Crucible" die Vergebung seiner Sünden von der
Metalcommunity durch die Rückkehr zum klassischen Heavy-Metal und auch Judas Priest
machte mit dem aktuellen Output "Demolition" wieder einen grossen Schritt
auf die alten Fans zu. Aber etwas fehlt natürlich noch zur Vollkommenheit des
Glücks für die meisten CD-Käufer und man muss wirklich kein Hellseher sein um
vorauszusagen das den talentierten "Ripper" wohl das gleiche Schicksal ereilt
wie Blaze Bayley, aber dies interessiert nur am Rande, den Hauptsache der
"Metal God" ist wieder zurück und das bekannte Gleichgewicht der Kräfte
hergestellt.
Diese Liste an Beispielen kann fast endlos fortgesetzt werden (Queensyrche,
Savatage, Accept, Grave Digger, Black Sabbath usw.) und jeder muss für sich
selbst entscheiden er irgendwelche Reunions für glaubwürdig hält oder lieber
"open-minded" für Fortschritt und Innovationen ist. Jedem wie es ihm gefällt
und wobei er sich am wohlsten fühlt, aber wie gesagt mit Weiterentwicklungen
tut sich die Gattung des eingefleischten Metallers sehr schwer.
MANUEL LIEBLER