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Interview mit Hollenthon

 
Schon mit dem ersten Album "Domus Mundi" konnten Hollenthon sich als eine der wenigen positiv hervorstechenden Ausnahmen unter den derzeitigen Newcomern im Bereich Heavy Metal hervortun. Dem ureigenen Stil, der auf einer Synthese diverser schwermetallischer Spielarten sowie verschiedenster Einflüsse unter anderem aus dem Ethno- Sektor basiert, blieb das Projekt von Martin Schirenc auch auf dem Zweitwerk "With vilest of worms to dwell" treu, das den Vorgänger sogar noch übertrifft und in der letzten Ausgabe von MAS mit wirklich nicht zu verachtenden 15 Punkten meiner Meinung nach sogar noch unterbewertet wurde. Ein solches Hammeralbum weckte natürlich das Interesse der MAS-Redaktion, die einmal bei Martin höchstpersönlich nachfragte.


MAS:
Zuerst Herzlichen Glückwunsch zu einem der hervorstechendsten Werke der letzten Monate und die kaum für möglich gehaltene fantastische Steigerung gegenüber dem Debüt. Wie zufrieden bist Du selbst mit beiden Werken und wo siehst Du die hauptsächlichen Unterschiede?

MS:
Danke für die Blumen. Ich bin sehr zufrieden mit beiden CDs, aber es gibt immer wieder einzelne Dinge die man besser machen könnte. "With Vilest of Worms..." ist insgesamt einheitlicher als "Domus Mundi" ausgefallen und auch wesentlich härter. Ich habe versucht eine düstere Gesamtstimmung zu erzeugen und der Ethnoaspekt ist auch in den Hintergrund getreten.

MAS:
Immer wieder begeisternd finde ich die Selbstverständlichkeit, mit der Hollenthon in jedem Song die aberwitzigsten Wendungen verwenden und den Hörer somit überraschen. War diese Entwicklung hin zu komplexen und ungewöhnlichen Strukturen von Anfang an das Ziel oder vollzog sie sich unbewusst?

MS:
Ich hatte schon vor, mit Hollenthon etwas ungewöhnliches zu schaffen, aber einen Plan gab es nicht wirklich. Ich bin kein sehr organisierter Mensch und daher ist meine Arbeitsweise beim Schreiben der Songs auch eher chaotisch. Ich arbeite meistens an mehreren Songs gleichzeitig. Wenn mir bei einem Lied nichts mehr einfällt mache ich eben bei einem anderen weiter und so bleibt alles in Bewegung. Ausserdem entstehen so die ungewöhnlichsten Dinge, weil man immer einen gewissen Abstand zu den einzelnen Stücken behält und sich nicht so leicht festfährt.

MAS:
Auffällig sind die nicht alltäglichen Titel des Albums und einiger Songs. Letztere werden jeweils in einem anderen Lied wieder aufgenommen, was schon auf ein Gesamtkonzept hinweist. Könntest Du dieses näher erläutern?

MS:
Es ist tatsächlich ein Konzeptalbum mit einer zusammenhängenden Geschichte. Es geht im wesentlichen um einen fiktiven Krieg in einer nicht real existenten Welt, obwohl es auf einem historischen Ereignis basiert. Ich will da jetzt nicht grossartig viel erzählen, denn die Geschichte ist wie alle Texte von Hollenthon sehr metaphorisch und es kann sich jeder seinen eigenen Reim drauf machen.

MAS:
Liege ich in diesem Zusammenhang mit der Vermutung richtig, dass es auch eine zweite Ebene der Lyrics gibt, die über die Fantasy-Thematik hinausgeht? "With vilest of worms..." lässt mich spontan an eine schwarzmetallisch-misanthropische Kritik an der Gesellschaft denken - die Abscheulichsten der Würmer...

MS:
Wie schon gesagt basiert die Story auf einer wahren Begebenheit und ist vielleicht auch ein bisschen kritisch, aber der Albumtitel ist eigentlich ist eher eine Umschreibung für den Tod - Mit den abscheulichsten Würmern verweilen. Man könnte natürlich auch die Menschheit als Gewürm bezeichnen. Es steht jedem frei die Texte nach seinen eigenen Vorstellungen zu interpretieren.

MAS:
Sowohl die Musik als auch die wunderbare Gestaltung des Covers lassen auf Interesse an der Vergangenheit schließen. Wie stehst Du zur recht angesagten Verklärung früherer Zeiten und würdest Du selbst z.B. im Mittelalter leben wollen?

MS:
Um es gleich mal vorweg zu nehmen: Ich möchte niemals im Mittelalter leben! Ich kann mir nichts schlimmeres vorstellen als in diesem primitiven Zeitalter ein jämmerliches Dasein zu fristen. Das Mittelalter wird zur Zeit geradezu idealisiert und ist ein richtiger Trend geworden, aber ich kann jedem versichern, es war wirklich keine romantische Epoche, sondern eine Zeit der Unterdrückung und Korruption, Seuchen und Verfolgung von Minderheiten. Ausserdem gab es jede Menge Kriege und Gewalt. Wenn ich es recht bedenke hat sich da eigentlich nicht viel geändert...

MAS:
Themawechsel: In aller Munde ist derzeit die Pungent Stench-Reunion. Derzeit seid Ihr dabei, die Platte aufzunehmen - wie gestaltet sich die Arbeit und was dürfen wir erwarten?

MS:
Die Platte ist mittlerweile fertig aufgenommen und wird Anfang November erhältlich sein. Sie heisst "Masters of Moral - Servants of Sin" und ist sehr aggressiv und schnell geworden. Textlich haben wir auch diesmal wieder aus dem Vollen geschöpft und ich denke, dass es eine wirklich gute Platte geworden ist.

MAS:
Unterscheidet sich die Arbeitsweise an einem Pungent Stench- Album sehr von der an einer Hollenthon- Scheibe? Wenn ja, welche ist Dir lieber?

MS:
Absolut! Hollenthon-Songs entstehen im Studio und ich arbeite alleine, während Pungent Stench-Songs im Proberaum als Band entstehen. Die Arbeitsweise bei Pungent ist wesentlich dynamischer, weil ein gewisser "Jam-Faktor" vorherrscht. Das heißt, dass wir ein Riff haben und versuchen, den Song einfach weiterzuspielen nur um zu sehen was dabei rauskommt. Das funktioniert aber nur deshalb, weil wir schon so lange zusammenspielen und uns musikalisch blind verstehen. Ich kann aber nicht sagen welche Arbeitsweise ich bevorzuge, da beides interessant sein kann. Bei Pungent wird auf alle Fälle mehr dabei getrunken...

MAS:
Was willst Du persönlich noch erreichen? Gibt es von musikalischer Weiterentwicklung abgesehen höhere Ziele, etwas, das Du verwirklichen oder bewegen möchtest?

MS:
Ich habe sehr viel erreicht in meinem Leben. Das hat jetzt nichts mit finanziellen Dingen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Menschen meinen Traum erfüllen konnte, Musiker zu werden und damit auch halbwegs erfolgreich zu sein. Nichts ist schöner als einen Beruf zu haben den man liebt. Ich stelle auch keine grossen Ansprüche was Luxus betrifft, ich habe kein Auto und nur eine kleine Wohnung, aber gib mir eine Gitarre und stell mich auf eine Bühne, dann bin ich glücklich und zufrieden.

MAS:
Etwas ganz Anderes: Du bist schon verhältnismäßig lange in Sachen Metal dabei und kannst somit Vergleiche anstellen. Siehst Du dich heute als Mitglied einer "Szene" und was denkst Du von einigen Entwicklungen innerhalb dieses Kreises? Von angeblicher Kommerzialisierung bis zu Unterwanderung durch Nazis gibt es ja einige oft vorgebrachte Anschuldigungen, die nicht alle vollkommen haltlos sind.

MS:
Es ist immer leicht zu behaupten, die Szene habe sich verändert und früher war alles besser, aber ich glaube dass man sich im Lauf der Zeit selber verändert und dadurch eine andere Einstellung zum Leben bekommt. Ich denke oft, dass die heutigen Bands nichts mehr taugen, aber das stimmt nur zum Teil. Es ist schon ein Unterschied wenn man als Teenager auf sein erstes Konzert geht oder heute auf das 1000ste. Man hat viel gesehen und die Begeisterungsfähigkeit lässt mit den Jahren auch nach. Die Kommerzialisierung entspricht dem Zeitgeist. Es gilt als erstrebenswert finanziell erfolgreich zu sein. Geld und Statussymbole sind gleichbedeutend mit Glück, Dekadenz wird als verdienter Ausgleich zum Alltagsstress propagiert. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nimmt jedoch ständig zu, was einen Rechtsruck zur Folge hat wie man ihn momentan fast überall in Europa aber auch Amerika beobachten kann. Die Metalszene ist von alldem natürlich nicht ausgenommen, also verwundern mich diese Anschuldigungen überhaupt nicht. Diese Entwicklung ist sehr bedenklich und ich kann nur hoffen, dass die Leute bald zu denken anfangen, sonst wird´s irgendwann ein böses Erwachen geben.

MAS:
Deine Aktivitäten lassen darauf schließen, dass Du vielen Stilen gegenüber aufgeschlossen bist. Was hörst Du privat für Musik und welche Musiker würdest Du als Einflüsse auf Dein eigenes Schaffen nennen?

MS:
Hauptsächlich höre ich Metal, aber ich bin im Grunde für fast jeden Musikstil offen. Ich habe eigentlich keine Lieblingsmusiker, sondern bin eher von Bands beeinflusst. Für mich zählt nicht die musikalische Virtuosität des einzelnen, sondern das Gesamtwerk. Ein guter Gitarrist ist wertlos ohne seine Band und wenn diese dann auch keine guten Songs schreiben kann, nützt es auch nichts wenn jeder ein Meister auf seinem Instrument ist. Bands die meinen musikalischen Werdegang geprägt haben sind Kiss, Judas Priest, Venom, Slayer, Manilla Road und Celtic Frost, um nur einige zu nennen.

MAS:
Ich danke für das Interview. Die letzten Worte gehören freilich Dir...

MS:
Danke für das Interview. Wenn alles klappt, werden wir heuer noch auf Europatour gehen und eventuell noch einen Song für ein Led Zeppelin-Tribute beisteuern.

Thorbjörn Spieß
 

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