Lully, J.-B. (Alarcón, L. G.)
Dies Irae - De Profundis - Te Deum
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Info |
Musikrichtung:
Barock Geistliche Musik
VÖ: 02.08.2019
(Alpha / CD / live / DDD / 2018 / Best. Nr. Alpha 444)
Gesamtspielzeit: 82:50
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THEATERMUSIK FÜR DIE KIRCHE
Wie die Zeit vergeht ... und die Interpretationen sich verändern. Als Philippe Herreweghe mit seiner Chapelle Royale 1984 zwei Grand Motet von Jean-Baptiste Lully einspielte, darunter das Dies Irae, stand diese Produktion am Anfang einer Renaissance des berühmt-berüchtigten Hofkomponisten von Ludwig XIV. Die historisch informierte Aufführungspraxis, zu deren führenden Interpreten Herreweghe damals schon gehörte, hatte und hat an der Wiederbelebung dieses speziellen Repertoires ganz wesentlichen Anteil: Ohne ihre Bemühungen um das korrekte Instrumentarium, ein rhethorischs Verständnis der vokalen und instrumentalen Parts wäre die Wiederbelebung der lange als formalistisch und steif deklarierten Kompositionen Lullys kaum denkbar gewesen. Bei Herreweghe allerdings wird das Latein noch nicht französisiert, der Zugriff ist eher breit, die Musik strömt gemessen, sozusagen sinfonisch, die Phrasierung schwingt weit aus, der Klang ist dunkel und durchaus lyrisch.
Wie anders dagegen über dreißig Jahre später die Einspielung des Dies Irae durch den Choeur de Chambre de Namur und das Millenium Orchestra unter Leonardo García Alarcón: Kontrastreiche Tempi, eine markante Phrasierung und geschärfte Artikulation sowie eine rhethorische Zuspitzung, die im Vokalen, v. a. den Soli, die Theatralik im Stil der Tragedie lyrique nicht verleugnet, eher noch darüber hinaus geht: Das alles ist deutlich affektbetonter, opernhafter, eindringlicher aufgefasst als bei Herreweghe - ein barockes "theatrum sacrum" à la française. Eine Meditation über den Tod und ein Jüngstes-Gericht-Drama. Da glaubt man sofort, dass das Publikum seinerzeit zu Tränen bewegt wurde - zumal bei der Trauerfeier für die französische Königin im Jahr 1683 - und dass die Musik starke kathartische Wirkungen entfaltete. Im Beiheft von Herreweghes Einspielung schwärmt Philippe Beaussant von gerade diesen theatralischen und emotionalen Qualitäten. Überzeugend entfaltet werden sie freilich in der neueren Aufnahme.
Darüber hinaus dienten Lullys Kompositionen nicht allein der Verherrlichung Gottes, sondern auch des Königs. Zu diesem Zweck hat Lully 1677 insbesondere sein Te Deum komponiert, bei dessen Wiederaufführung 1687 er sich mit dem Taktstab bekanntlich den Fuß verletzte, was zu Wundbrand und schließlich seinem Tod führte. Auch dieses Werk erfährt durch die genannten Interpreten eine in allen Belangen stimmige, temperamentvolle Interpretation, die dem Pauken-und-Trompeten-Prunk ebenso wie den Momenten verinnerlichter Andacht gerecht wird. Trotz einer recht schlanken Besetzung ist der Klang ausreichend kraftvoll und intensiv. Für die Agilität und Lebendigkeit erweist sich der Verzicht auf Klangmassen letztlich als Vorteil.
Dennoch gebe ich in diesem Fall der Einspielung von Le Poéme Harmonique unter Vincent Dumestre beim gleichen Label den Vorzug, wird hier doch der archaische militärisch-martialische Aspekt z. B. durch Piccolo-Flöten und eine manchmal perkussiv genommene Rhythmik betont. Immerhin hat Lully seinerzeit die Musiker der Hofkapelle wie der Marställe zusammengebracht, ein Te Deum war Staatsmusik par excellence und wurde gerne anlässlich von erfolgreichen Friedensschlüssen aufgeführt. Außerdem ist der Tanzmeister Lully bei der temperamentvollen, elastisch-federnden Wiedergabe Dumesteres ebenfalls präsent.
Zwischen dem Dies Irae und dem Te Deum bringen die Musiker der neuen Aufnahme noch das ergreifende, auslandende De Profundis zu Gehör, auch dies eine Trauermusik, die beim Begräbnis der französischen Königin aufgeführt wurde. Hier wie bei den beiden anderen Grand Motets überzeugen die Solisten, die mit diesem Repertoire viel Erfahrung haben und ihre schönen, volltönenden Stimmen ganz in den expressiven Dienst des Sakral-Dramas stellen und Lullys monumentalen Musik-Predigten individuellen Nachdruck verleihen.
Der Live-Mitschnitt entstand in der Hofkapelle von Versailles, deren Akustik von Ludwig XIV. persönlich überwacht wurde. Er setzt die Solisten präsent in Szene, ist arm an Nebengeräuschen, klingt im Hintergrund aber etwas unruhig und insgesamt ein wenig griesig.
Georg Henkel
Trackliste |
01-13 Dies Irae LWV 64/1
14-15 De Profundis LWV 62
17-26 Te Deum LWV 55 |
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Besetzung |
Sophie Junker, Judith van Wanroij: Sopran
Mathias Vidal, Cyril Auvity: Hautes Contres
Thibaut Lenaerts: Bariton
Alain Buet: Bass
Choeur de Chambre de Namur
Millenium Orchestra & Capella Mediterranea (Continuo)
Leonardo Garcá Alarcón, Leitung
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