The Daptone Super Soul Revue – Mehr Soul geht nicht
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Künstler: The Daptone Super Soul Revue
Zeit: 02.07.2014
Ort: Kulturzentrum Schlachthof in Wiesbaden
Fotograf: Hans-Jürgen Lenhart
Internet: http://www.daptonerecords.com
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Ja, es war eines dieser Konzerte, die man am besten nicht versäumt haben sollte. Die New Yorker Daptone Super Soul Revue bot am 2.7.2014 im Kulturzentrum Schlachthof in Wiesbaden bei ihrem einzigen Deutschland-Auftritt das Beste und Energiereichste was man derzeit in der Soul-Szene auftreiben kann. Fünf Acts, stark am authentischen 1960er-Sound des Soul orientiert, eine Vereinigung von jungen weißen Musikern mit schwarzen Vokal-Acts, die man getrost als Spätzünder bezeichnen kann, brachten in einem über dreistündigen Konzert ohne Pause das Publikum derart zum Toben, dass der Schweiß von der Decke tropfte. Da trafen sich Fans, für die Soul in den Sechzigern das angesagte neue Ding war, genauso wie die Youngsters, die die Dapstone Stars wahrscheinlich erst nach dem Jahr 2000 entdeckt haben mochten, zur gemeinsamen Ekstase, wie man es höchstens von Gospel-Gottesdiensten her kennt.
Es ist schon faszinierend, dass Old School Soul Music nach der Jahrtausendwende plötzlich wieder so gut funktioniert. Die Stars des Daptone Labels wie Sharon Jones oder Charles Bradley mischten in den letzten Jahren z. B. das berühmte Jazzfestival in Montreux mehrfach auf und sind diesen Sommer schon wieder dort. Und wer dort spielt, hat es ja irgendwie geschafft. Aber dafür mag es Gründe geben. Deep Funk und Retro-Soul wandten sich gegen den von Samples und künstlichen Sounds dominierten R&B und die Männerdominanz im Hip Hop der letzten 20 Jahre. Eine der großen Qualitäten farbiger Sänger bestand schon immer darin, das Publikum am Schmerz von Liebesleid und gesellschaftlichem Außenseitertum körperlich mitleiden zu lassen. Die tierischen Schreie peitschen auf, es sind gleichzeitig kaum verhüllte Beischlaf-Töne und sportliche Verausgabung mit Schweiß, Tanzartistik und religiöser Verzückung. Das fehlte oft den neuen R&B-Stars, die gerne mal in die Kuschelecke abdrifteten, und auch den Rappern, die sich meist der Dramaturgie eines Songs völlig entsagen. Musiker, die ohne Elektronik auskommen, die ihr Instrument quälen können, Sänger, deren Ausdruckskraft durch Körpereinsatz und nicht durch Lichteffekte erzeugt wird, waren plötzlich wieder gefragt. Und das Daptone Records-Label ist dabei das Musterbeispiel eines Revivals, in dem auf diese alte Qualitäten gesetzt wird, ohne jedoch eine pure Soul- Oldies-Revue zu liefern.
Daptone griff mit seiner Soul Revue eine alte Idee auf, die schon früher funktionierte: In den Spät-Fünfzigern war es die Johnny Otis Show, in den Sechzigern die Soul Revues des Stax-Labels mit Musikern wie Otis Redding, oder Sam & Dave, die den Soul in Deutschland populär machten. Auch hier begleitete eine Hausband eines Labels wie die Mar-Keys verschiedene Sänger. Dennoch ist heute bei den Daptone Acts eine eigene Ausdrucksform vorhanden. Der Geist von Otis Redding und insbesondere James Brown ist zwar bei Sharon Jones und Charles Bradley ständig zu spüren, dennoch ist die Musik anders geartet. Sharon Jones ist heute befreit von den Zuordnungen von Musikern in den Sechzigern, von Memphis Soul, Detroit Soul usw. Sie bietet alles, vor allem Showelemente. Sie schmeißt ihre Schuhe weg, macht eine Tina-Turner-Hommage, quasselt sich im Tempo der Versteigerer in Rage, führt die Tänze der Sechziger vor (Boogaloo, Mash Potato), bekommt eine vom Gospel her übernommene Schüttelekstase oder holt sich einen taffen Kerl zum Anschmachten aus dem Publikum. Ein Wunder, dass sie überhaupt nach einer Krebserkrankung 2013 derart präsent wieder auf die Bühne steht.
Charles Bradley war zwar mal Teil einer James-Brown-Tribute-Show, was man stark merkt, ist aber wesentlich weniger beweglich auf der Bühne als der Meister oder auch Sharon Jones. Aussehen, Kleidung, Tanzeinlagen und Aufschreie lassen zwar James Brown klar erkennen, musikalisch ist er jedoch eher der schmerzensreiche Liebhaber, der vor Sehnsucht körperliche Qualen leidet, sich kurz vorm Schritt die Oberschenkel glatt streift, aber auch im Publikum nach der Angehimmelten sucht. Eine Art Prisoner Of Love, um James Brown noch mal zu zitieren.
Anders ist aber auch der Rest der Show. Die Dap-Kings, Sharon Jones‘ Begleitband, vermischen sich zum Teil mit Bradleys Band The Extraordinaires und den Sugarman 3, dem Funk Jazz-Projekt des Labelgründers und Saxofonisten Neal Sugarman. Das Trio orientiert sich am Funky Jazz der Sechziger á la Ramsey Lewis, hat als Schwerpunkt aber auch die Hammond B3 Orgel. Manchmal dominieren einfache Riffs mehr als Soli, dennoch repräsentiert das hier von den Dap-Kings unterstützte Trio ebenfalls einen Trend im Neo-Funk. Es gibt da überraschend viele Instrumentalgruppen.
Die Dap-Kings begleiteten anfangs dann auch die beiden Backgroundsängerinnen Saun & Starr, die stimmgewaltig am ehesten an die späte Mavis Staples erinnerten. Die eigentliche Überraschung des Abends aber war das Afro Beat-Orchester Antibalas. Eigentlich gibt es derzeit keine Band, auch nicht aus dem Umfeld des verstorbenen Fela Kuti, die dessen Musikstil so intensiv und stimmig spielt. Mit wahnwitzigen Jazz-Soli (vor allem des Posaunisten) und Showelementen wird der Afro Beat hier zur nicht enden wollenden Dancefloor-Orgie. Antibalas stehen mit ihren amerikakritischen Texten Kuti auch in der Geisteshaltung nahe. Gimmicks wie die „eingefrorene Band“ aus der Sänger Duke Amayo sich einen Saxofonisten „davon trägt“, machten Antibalas zum Publikumsliebling. Das 2001 in Brooklyn gegründete Daptone Records Label hat das Zeug zur Legende zu werden. Man sollte es im Auge behalten.
Hans-Jürgen Lenhart
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