IRXN: Ein Folkrockabenteuer in bayerischer Mundart
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Keltisch anmutender Folk-Rock mit bayerischen Texten? Ja, so etwas gibt es. Und zwar von der Band IRXN. Aber auch Elemente mittelalterlichen Ursprungs und aus anderen Gegenden Europas - und natürlich auch ihrer weiß-blauen Heimat - haben ihren Einzug in die Musik des Quintetts gefunden. Kürzlich erschien ihr neues und äußerst kurzweiliges Album EwigUns, mit dem man wieder aufhorchen ließ. Grund genug, um mit Sänger und (Akustik-)Gitarrist Bernhard Maisberger ein Zwiegespräch zu führen. Der Mann, der ansonsten auch noch als Liedermacher unter dem Banner „Bernswana“ oder zusammen mit seinem Kompagnon Helmuth Tremmel als „Foitnrock“ unterwegs ist, gab einiges zum Thema IRXN zu Protokoll. Doch lest selbst!
Hallo Berni, erst einmal finde ich es schön, dass man auch mal einen Bayrisch sprechenden Münchner trifft. Die meisten Einwohner unserer Landeshauptstadt verstecken sich heutzutage ja fast nur noch hinter „weltmännischem“ Hochdeutsch.
Als Kind war ich sehr viel in der Volksmusikszene unterwegs, was natürlich sehr abgefärbt hat.
Wie wichtig ist denn der Dialekt für Deine Münchner und musikalische Identität?
Die Sprache an sich ist einfach diejenige in der ich mich am besten ausdrücken kann. Ich habe lange auf Englisch geschrieben, bin aber inzwischen der Meinung, dass man sich nur richtig in seiner eigenen Muttersprache ausdrücken kann - außer man kann natürlich sehr sehr gut Englisch. Die Feinheiten muss man fast in der Muttersprache machen.
Derzeit gibt es ja wieder viel bayerische Musik, was vielleicht auch mit Initiativen wie der MundArt Ageh zu tun hat, bei der Du auch Mitglied bist.
Ja, da war ich ziemlich früh dabei. Es ist mal ein Versuch gewesen, die bayerischen Künstler auf eine Plattform zu hieven, damit man miteinander etwas mehr an einem Strang ziehen und organisieren kann. Es funktioniert auch verhältnismäßig gut.
Es gibt hier eben doch viel mehr als Haindling und die Spider Murphy Gang.
Genau, die bayerische Musikszene ist riesig groß. Es gibt unheimlich viele tolle Bands, die man einfach nicht kennt. Der Mainstream geht nur in eine ganz andere Richtung und Mundart ist teilweise immer noch sehr verpönt. Zum Beispiel wird man bei den großen Festivals sofort abgelehnt, sobald sie mitbekommen, dass du Mundart machst.
Kommen zu Deiner Band IRXN. Das Wort selbst ist ja ein recht alter bayerischer Begriff, wenn ich mich nicht irre.
Er geht zurück bis aufs Mittelalter. Eigentlich heißt es Achsel, das Irxnschmalz, Achselschmalz, eben die Achselkraft. Es stammt aus dem Österreichisch-Bayerischen, von den Holzfällern die im Grenzland unterwegs waren. In einigen Teilen Bayerns ist der für sich alleine stehende Begriff „Irxn“ dann zum geflügelten Begriff für Kraft geworden.
Du hast gerade erwähnt, dass der Begriff aus der mittelalterlichen Zeit stammt. Einen gewissen Mittelalter-Einfluss hört man in Eurer Musik auch raus, wie z.B. bei „Fluch“. Passt beides mit einem Interesse an dieser alten Musik zusammen?
Das auf jeden Fall. Wir mögen alle die mittelalterliche Musik sehr gerne, wollten aber keineswegs nur in die Mittelalterrichtung gehen, da uns das zu sehr festgefahren gewesen wäre. Wir bezeichnen uns immer noch als Rockband, als Folkrock-Band. Wir wollten einfach auch den Weg in die Rockmusik weitergehen. Aber ist auf jeden Fall so, dass dieses mittelalterliche, keltische Moment tief in unsere Musik verwurzelt ist.
Gerade bei diesen keltischen Anklängen denkt man mehr an Schottland und Irland und nicht gerade ans Herzen Bayerns. Woher diese auf dem ersten Blick etwas ungewöhnliche Kombination?
Eines der größten keltischen Zentren in ganz Europa war einstmals Manching bei Ingolstadt - wenn nicht sogar die größte keltische Stadt in Europa (s. Oppidum von Manching). Es wurde viel Handel zwischen den Römern und den Kelten getrieben und es war ein florierendes Zentrum. Nun, die Kelten selbst waren überall in Europa unterwegs und haben ihre Spuren hinterlassen. So eben auch in Bayern. Deswegen tragen unser Gitarrist Reinhold und ich auch einen Kilt, was bei mir tatsächlich ein bayerischer Kampfkilt ist. Du magst jetzt lachen, aber das ist so.
Es klingt auch etwas befremdlich, wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt.
Damals in der Keltenzeit war es Mode, dass die Männer Röcke getragen haben. Die Kelten hatten allgemein eine außergewöhnliche Mode. Sie haben teilweise wie Punks ausgesehen, mit Irokesenschnitten zum Beispiel. Ganz vogelwilde Hunde eben. Alleine dass hier schon eine verhältnismäßig große Freiheit vorherrschte, hat uns sehr imponiert.
War das Weiterspinnen dieser keltischen Wurzeln auch ein Grund, Dir damals eine Band zu suchen, nachdem Du vorher mehr alleine als Liedermacher unterwegs warst?
Nein, an und für sich suchte ich mir einfach so eine Band. Der Weg der dann in diese Richtung führte, entstand dann erst durch meine Bandmitglieder selbst. Ich hatte mich zwar schon für diese Richtung interessiert und war auch textlich mittelalter- und fantasyaffin, aber meinen Stil in dieser Richtung zu finden, ist mir erst in der neu gewachsenen Bandgemeinschaft passiert. Die Richtung war insofern für uns alle klar, dass sie sich bei allen gleichzeitig herausgebildet hat, dass sie es einfach toll fanden, genau in diese Richtung zu marschieren, als eine Art Abenteuer - auch dieser Spagat von Texten, die auch in die Neuzeit reichen, auch aktuelle Themen haben, aber immer noch einen Fuß in der Vergangenheit haben.
Du schreibst jetzt zwar die meisten Lieder und alle Texte, aber als musikalischen Leiter und Kopf von IRXN sieht Du Dich somit nicht?
Wir haben von Hause aus in unserer Band eine Basisdemokratie. Das ist dann zwar manchmal so, dass die Entscheidungsfindungen etwas länger dauern, aber so ist es immer gewährleistet, dass sich jeder authentisch mit der Sache identifizieren kann. Und das ist viel wichtiger, als wenn man das Gefühl hat, „ja, das hat jetzt jemand entschieden, in diese Richtung muss es gehen“.
Wie geht ihr denn an ein Projekt „neue CD“ heran? Sucht ihr Euch direkt musikalische Herausforderungen oder entwickelt sich das mehr beim gemeinsamen Spielen und Proben?
Das ist ganz unterschiedlich gewesen. Ich schreibe grundsätzlich ziemlich viel. Natürlich hat man einige Sachen in der Schublade, die man dann heraus kramt und miteinander macht und genau weiß, wie es klingen wird. Der „Vagabund“ ist so ein Beispiel. Den „Joker“ hatte ich auch schon lange. Dann gibt es auch wieder Stücke, die sich entwickeln. Der „Fluch“ ist so eines. Da hatte unser Bassist Peter eine Melodie und ich hatte darauf eine Kurzgeschichte geschrieben. Aus dieser Kurzgeschichte habe ich dann die Verse für den Liedtext entwickelt.
Deswegen ist dieses Lied auch Hochdeutsch geworden?
Bei manchen Liedern ist das ganz komisch. Ich habe immer wieder Lieder, die ich gar nicht anders machen möchte, die entstehen einfach so. Manchmal bietet es ich an, dass ich ins Hochdeutsche abdrifte und das soll es auch einfach nur so geben. Ich könnte es auch gar nicht wirklich begründen, warum das so ist.
Jetzt nur noch auf Hochdeutsch zu singen, bloß um auch außerhalb Bayern besser verstanden oder angenommen zu werden, kommt für Dich nicht in Frage?
Eher weniger. Es ist nicht nur so, dass ich mich dadurch gut ausdrücken kann. Es ist auch zusätzlich so, dass ich die bayerische Sprache um einiges besser finde - nämlich lyrischer -, um eine Gesangsmelodie in ein Lied einzubetten. Die bayerische Sprache hat klanglich sehr viel mit dem Italienischen zu tun. Es sind viele Selbstlaute drin und es hat trotzdem Ecken und Kanten. Und wenn man das richtig einsetzt, ist die bayerische Sprache eine wunderschöne Sprache als Liedsprache. Und das gefällt mir daran und ich würde mich hier nicht verbiegen - außer wie gesagt, das Lied bietet sich an und sagt „nein, du machst mich in Hochdeutsch“.
Was muss dann ein Lied von Dir haben um ein IRXN-Song zu werden, bzw. wie entscheidest Du was als Bernswana oder bei Foitnrock endet?
Ich spiele schon einige Songs, die ich mit Foitnrock auch mache. Aber grundsätzlich ist es so, dass viele der Lieder einfach für die Band geschrieben sind. Den „Fluch“ könnte ich zum Beispiel nie mit Foitnrock machen, genauso wie „Schneller, besser“. Bei Liedermacher ist es textlicher gesehen etwas mehr kondensiert oder vielleicht auch ein bisschen lustiger. Das ist von der Darbietung einfach etwas anderes und darauf achte ich.
Du hast „Schneller, besser“ gerade erwähnt, was ja ein Cover des Stranglers-Songs „Nice'n'sleazy“ ist. Gibt’s bei Euch Fans der Band oder wie kommt man dazu?
Diese Idee kam eigentlich von unserem Gitarristen Reinhold, der im Grunde ein Punk-Gitarrist ist. Er wollte miteinander mal etwas ganz anderes machen. Dazu haben wir erst mal den Text übersetzt. „Nice'n'sleazy“ heißt ja nicht „Schneller, besser“. Ich wollte aber keinen Song schreiben, der etwas um dieses schlüpfrige Thema kreist. Ich wollte etwas, das mich zu der Zeit ziemlich beschäftigte: eben die Schnelllebigkeit der Gesellschaft, dass Dinge die vor allem im Bereich Kunst und Kultur geschaffen werden, in denen viel Zeit der Entwicklung und Herzblut dahinter stecken, auch eine lange Zeit der persönlichen Entwicklung, in der Gesellschaft nur kurz aufflammen und sofort wieder weg sind. Es ist alle sso schnelllebig geworden, dass es schon fast nichts mehr wert ist, bzw. es wird so inflationär behandelt.
Ihr habt auch wieder ein paar traditionelle Stücke vertont. Wer von Euch geht denn hier gerne auf Entdeckungstour und sucht nach alten, wenig bekannten Liedern?
Das geht von Peter und dem Reinhold aus. Beide haben ein ziemlich großes Archiv an alter Musik, das weit zurück geht, da sie sich auch immer schon sehr dafür interessiert haben. Hier werden auch immer wieder alte Geschichten herausgekramt und nach schönen Melodien gesucht, die man mal wieder in die Öffentlichkeit bringen könnte und welche die Leute einfach mal wieder hören sollten. Man geht gerade immer sehr auf das Neue, aber man kann aber auch alte Melodien, die wunderschön und vielleicht im Mittelalter auch regelrechte Gassenhauer waren, wieder nach außen bringen und in einem ganz anderen Gewand zu Gehör bringen. Die „Andere Zeit“ war ein solches Fragment, das wir total umgestrickt und mit Text versehen haben. Schon hat man wieder eine schöne Melodie und einen Text dazu, der sich einfügt, der anders klingt, aber doch wieder den Bezug zur alten Zeit hat.
Diskografie | Oans (Maxi-CD, 2007)
Löwenblut (Maxi-CD, 2008)
Wolfspfad (2009)
Vogelfrei (2010)
EwigUns (2012) |
| Sehnsucht, Freiheit, Melancholie, Stärke, Wut und Freude sind ständig wiederkehrende Themen in Deinen Songs. Wie viel von Berni Maisberger steckt selbst in den Songs? Lernt man den Mensch dahinter vielleicht etwas kennen, bzw. sind die Sachen leicht biographisch angehaucht?
Ich glaube das ist es immer, außer man ist ein regelrechter Söldner im Schreiben, dass man irgendwelche Gefühle versucht nachzustellen, um sie dann einem Publikum nahezubringen, um den Song einfach zu verkaufen. Aber wenn man die Texte wirklich um des Textes oder der Musik willen oder der Authentizität auch macht, dann ist es immer ein Teil von einem selbst. Und das ist auch gut so.
Du machst musikalisch doch einige verschiedene Dinge. Du kannst bzw. willst Dich wohl nicht einfach nur auf eine Sache konzentrieren. Wo fließt am Ende am meisten Herzblut rein?
Ich kann jetzt gar nicht sagen, wo es am meisten reinfließt. Es ist mal so, mal so. Aber ich mag einfach beide Sachen. Ich bin gerne als Liedermacher unterwegs, da dies ein sehr persönliches Kommunizieren mit dem Publikum ist. Bei der Band ist es halt doch oft so, dass man auf höheren Bühnen mit mehr Menschen und Beleuchtung steht, wo sich eine gewisse Distanz zum Publikum aufbaut. Beim Liedermacher ist es um einiges purer.
EwigUns ist für deutschen Schallplattenpreis der Kritiker nominiert. Macht einen so etwas stolz oder sind derartige Auszeichnungen für Dich nicht wirklich bedeutend?
Ich bin mit Preisen ja immer sehr vorsichtig. So viele verschiedene Meinungen. Und wir sind auch von verschiedenen Kritikern des Öfteren ziemlich zerrissen worden.
Man konnte erst wieder eine ziemlich böse Kritik auf einer großen deutschen Musikseite lesen.
Es ist halt immer so, wenn du bayerische Mundart mit einem anderen Hintergrund machst, wird es manche Leute geben die es mögen und manche werden dich zerstören wollen. Aber damit muss man leben. Wenn man für einen solchen Schallplattenpreis nominiert wird, ist das schon angenehm. Die ganze Zeit und Arbeit, das ganze Herzblut welches man in das Projekt reingesteckt und die vielen Entbehrungen die man in Kauf genommen hat, das wird dann gewertschätzt. Das ist schon etwas Schönes, bei dem man sagt „endlich mal ein solcher Zuspruch von öffentlicher Seite“.
Dann möchte ich Dir wünschen, dass IRXN in nächster Zeit auch noch von einem anderen Kreis - nämlich dem der Musikfans - in größerem Maße Zuspruch erfahren. Denn verdient habt ihr es mit EwigUns allemal. Vielen Dank fürs Interview!
Mario Karl
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