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Rameau in Schloss Augustusburg - Ein Rokoko-Gesamtkunstwerk
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Mit einem Bouquet erlesener französischer Tänze und Airs aus der Feder von Jean-Philippe Rameau verabschiedeten sich in diesem Jahr die Brühler Schlosskonzerte in die vierwöchige Sommerpause, bevor es an gleicher Stelle im August mit dem renommierten Haydn-Festival weitergeht. Rameaus Rokoko-Traumwelten fanden im überwältigenden Treppenhaus des Brühler Schlosses eine ideale Kulisse. Selten einmal erschien die Idee des Gesamtkunstwerks so sinnfällig wie hier in der Synthese aus Architektur und Musik. Wobei Andreas Spering (rechts im Bild) und die bestens aufgelegte Capella Augustina zeigten, dass hinter der raffinierten orchestralen Koloristik und dem tänzerischen Elan ein echter Frühromantiker verborgen ist. Doch führt nicht auch der Weg durch den Brühler Schlossgarten nach den mit Blumen bestickten Rasenflächen und Bosketten aus gestutzten Hecken in schattige Wälder? Diesen meist elegisch und melancholisch gefärbten frühromantischen Ton konnte man nicht nur bei den langsamen Tänze wie dem Air grave aus der tragédie lyrique Dardanus heraushören, wo Spering die melodischen Bögen weit ausschwingen ließ. Auch aus der gleichen Oper stammende Arie Lieux funestes berührte durch enharmonische Kühnheiten, die den Ausdruck weit über die Epochengrenzen hinaus treiben und an ein Schubert-Lied denken ließen. Kein Wunder, dass Rameau unter seinen Zeitgenossen umstritten war und seiner Musik der Ruch des Unnatürlichen, Barocken anhaftete.
Heute erscheinen diese Werke dagegen gerade deswegen auf der Höhe der Kompositionen von Bach und Händel. Dass Rameau jetzt auch in Deutschland auf zunehmend offenere Ohren stößt, ist da umso erfreulicher. Spering, sein mit Brio aufspielendes Ensemble und die opulente Akustik des Neumannschen Treppenhauses schenkten dem Komponisten einen kraftvollen, resonanzreichen, wenn auch etwas abgedunkelten Klang (Gast-Flötist Daniel Rothert setzte ihm mit seiner Blockflöte einige Glanzlichter auf). So tönte die Musik ungleich körperlicher als bei vielen französischen Interpreten. Möglichkeiten zur mitreißenden frenetischen Steigerung wie bei den Tambourins ließ sich das Ensemble nicht entgehen. Für einen zusätzlichen energischen Puls sorgte das gelegentlich hinzutretende Schlagzeug. Dennoch vergaßen die Musiker darüber nicht den eleganten, atmenden Swing, den diese Musik auch braucht, um auch den Hörer „abheben“ zu lassen.
Mit seinen vielen orchestralen Farb- und Lichtwechseln auf kleinstem Raum bezauberten vor allem die Auszüge aus dem einaktigen Ballett Pygmalion, einem großzügig mit Tanzeinlagen ausgestatteter Opern-Clip. Insbesondere hier konnte der schwedische Sänger Anders C. Dahlin (links im Bild) seine überragenden Qualitäten als haute contre, als hoher Tenor, zur Geltung bringen. Die schöne, strahlende Farbe seiner Stimme sowie ihre Beweglichkeit und Leichtigkeit waren für diese Partien ideal. Zugleich beeindruckte Dahlin mit großer Differenzierungskunst, die den Figuren auch außerhalb szenischer Darstellung Lebendigkeit zu verleihen vermochte. Während Rameau im besagten Lieux funeste oder auch dem Eröffnungsmonolog aus Pygmalion, wo der Sänger ein ganzes Kaleidoskop wechselnder Gestimmtheiten durchläuft, Gespür für emotionale Zwischentöne fordert, gibt es daneben jedoch auch immer wieder Gelegenheit, der Virtuosität freien Lauf zu lassen und ein Feuerwerk an Koloraturen abzubrennen. Das tat Dahlin, befeuert - und nur ganz gelegentlich auch einmal übertönt - von der Capella Augustina zur Freude des Publikums, das sich dann auch gleich noch eine Zugabe aus Dardanus erklatschte.
Georg Henkel
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