DORO und EDGUY rocken den Württembergischen Härtsfeldsee
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Sommerzeit, Festivalzeit. Neben den großen Publikumsmagneten wie dem Bang-Your-Head, dem Summer Breeze oder natürlich dem Wacken Open Air gibt es auch eine schier unübersichtliche Anzahl von kleinen und privat organisierten Festivals, welche oft für nicht allzu viel Geld einiges zu bieten haben. Eine dieser Veranstaltungen ist das zweitätige „Rock am Härtsfeldsee“. Der namensgebende See liegt bei der kleinen Baden-Württembergischen Gemeinde Dischingen im Landkreis Heidenheim a.d. Brenz. Diese Zeltveranstaltung wird von der örtlichen Jugendvereinigung organisiert und man konnte schon zahlreiche populäre Namen wie Motörhead, Alice Cooper, Die Apokalyptischen Reiter, In Extremo, Schandmaul oder Saxon hierher locken – in eine Gegend in der sich sonst Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Durch den verhältnismäßig günstigen Eintrittspreis von ca. 25 EUR pro Tag, oder 45 EUR für beide Tage zieht man so jedes Jahr im Juni mehrere Tausend Besucher in das kleine Nest. Stefan Graßl war dieses Jahr am zweiten Festivaltag vor Ort und hat ein bisschen was zu berichten. Hier seine Eindrücke:
Os gond end Mess – so heißt es für die Nördlinger bzw. Rieser Einwohner, wenn die dritte Jahreszeit, eben die Mess wieder angebrochen ist. In diesem Sinne pilgere ich mit ein paar weiteren Altersgenossen in die Nördlinger Mess und wir lassen uns Stabenwürste, Festbier und einen „Eisneger“ (in zu 100 % politisch korrektes Eis) schmecken. Am Wochenende zuvor waren wir ausgiebig im Anker-Bierzelt gelandet und mussten unsanft feststellen, dass unsere goldenen Zeiten vorbei sind. „Die Leute hier werden immer jünger“ meinte mein Nebenmann. Irrtum - wir werden immer älter. Und wenn man immer älter wird, muss man seinen Standort wechseln. So war für mich und meinen Begleiter klar, dass wir lieber aufs Härtsfeldsee-Festival fahren würden, wenn schon mal die deutsche Metal Queen, Doro Pesch, aufspielt. Das Festvial ist sehr gemütlich und findet immer in einem riesigen Zelt statt. Somit hat man als Besucher die Sicherheit, dass man nicht total durchnässt die Bands anschauen kann. Auch dieses Jahr ist wieder ein sehr gutes Line-Up am Start, am Vortag waren die Schweden von Hammerfall Headliner.
Wir kommen gerade noch rechtzeitig, um von FIDDLER'S GREEN den Song „Paddy Murphy“ und diverse andere irisch angehauchte Trink- und Sauflieder mitzubekommen. Der Sound ist astrein, die Vorstellung der Band und Spielfreude sind auch am obersten Limit. Ich habe die Truppe vor einer Woche am Woodstock Open Air gesehen und muss sagen: Die Ansagen sind teilweise haargenau gleich. Etwas mehr Spontanität, meine Herren! Nichts desto trotz ist die Stimmung wieder einmal klasse und das Publikum geht hier richtig fett ab.
Nach einer kurzen Umbaupause kommt dann die Düsseldorfer Metal Queen: DORO. Der Einstieg gelingt fulminant mit dem wuchtigen „Earthshaker Rock“. Bei einem solchen Festival mit 60 Minuten Spielzeit wird natürlich nichts dem Zufall überlassen und so legt Doro gleich den Warlock-Klassiker „I Rule The Ruins“ nach. Das Publikum gibt alles und Doro bekommt sehr viel Applaus. Klassiker von Doro wechseln sich hier mit Warlock-Hymnen ab. Die Band ist natürlich über jeden Zweifel erhaben. Joey Taylor (guitars), Johnny Dee (drums) und das Urgestein am Bass, Nick Douglas, sorgen für einen amtlichen Soundteppich, um die Metal-Hymnen passend unters Volk zu bringen. Der einzige Tiefpunkt der Show ist meiner Meinung nach der neue Song „Herzblut“. Hier ist Text und Melodie einfach nur nicht gelungen (Ganz recht! Eine üble Radioschmonzette – Anm.d.Red.). Das könnte auch auf Matthias Reims Mist gewachsen sein und sollte sich Doro in Zukunft, vor allem auf Festivals, lieber sparen.
Am besten kommen die guten Doro-Klassiker „Always Live To Win“, „Burn it Up“ (sehr geil) und „You Are My Familiy“ an. Mir gefällt auch vor allem noch der neue Song „Celebrate“ sehr gut. Er knüpft von der Melodie her an den glorreichen Triumph and Agony-Zeiten an. Natürlich gieren die Fans nach Warlock-Klassikern, was Doro weiß und entsprechend präsentiert. So werden „True As Steel“, „All We Are“, ihr Überhit „Für immer“, „Burning The Witches“ und als krönender Abschluss die Uralt-Kamelle „Metal Racer“ vom Stapel gelassen. Danach und nach ca. 60 Minuten Spielzeit ist leider auch schon Schluss und das Dischinger Publikum feiert Doro nach allen Regeln der Kunst ab. Frenetisch bejubelt wird eine etwas veränderte Coverversion der Judas Priest-Hymne „Breaking The Law“, bei der das Publikum natürlich begeistert mitsingt und die Doro ihren Helden Priest, mit denen sie 1986 ihre erste große Tour absolvierte, widmet. Sichtlich erfreut verlässt die sympathische Düsseldorferin die Bühne wieder und bereitet alles für die Headliner Edguy vor. Der Auftritt hat sehr gut gefallen. Die Band war klasse, Doro ausgezeichnet bei Stimme und das Dischinger Publikum wie immer in ausgiebiger Feierlaune.
Die Umbaupause wird genutzt, um mal die Preise der T-Shirts anzuschauen. Zwischen 20 und 25 Euro für reguläre Tourshirts sind mittlerweile durchschnittlich – für mich aber eigentlich immer noch zu teuer.
EDGUY sind die Band der Stunde und chart- sowie verkaufsmäßig mittlerweile deutlich an Urgesteinen wie Doro, U.D.O. oder Axxis vorbeigezogen. Somit ist die Headlinerrolle trotz des relativ niedrigen Alters der Band durchaus in Ordnung und 2006 haben sie in Balingen gezeigt, dass sie ein würdiger Headliner eines Festivals sind. Das Zelt ist jetzt gestopft voll, wir haben ca. 6 Meter vor der Bühne Platz genommen. Es wird im Vergleich zu Doro immer lauter, am Anfang ist der Sound auch relativ roh, was sich aber nach kurzer Zeit bessert. Edguy erwischen einen guten Start und heizen dem Dischinger Publikum von Anfang an richtig amtlich ein. Nach drei Songs und dem Hammersong „Tears Of The Mandrake“ ist das Eis gebrochen und Balingen frisst den Jungs aus Fulda förmlich aus der Hand. Tobias Sammet und seine Truppe haben im Lauf der letzten Jahre und mit den Veröffentlichungen von Rocket Ride, Hellfire Club und dem letzten Album mit dem selbstironischen Titel Tinnitus Sanctus gezeigt, dass sie das Zeug dazu haben, qualitativ hochwertige Songs zu schreiben. Die ironische Art des Sängers kommt beim Dischinger Publikum sehr gut an, auch wenn er sich die Fußballwitze („Es gibt nur ein Mario Gomez“ – er wechselt zum FC Bayern, was die VFB Stuttgart-Fans natürlich nervt) sparen könnte. Aber das tut er mit Absicht nicht.
So werden in den kommenden 110 Minuten richtig viele gute Songs gespielt - wenn ich auch nicht alle davon kenne. Im Gedächtnis bleiben mir das fetzige „Lavatory Love Machine“, das sehr schnelle und von der Bandmitgliedern mittlerweile schon als leicht nervig empfundene „Babylon“ und das überragende „Sacrifice“ im Gedächtnis. Am besten gefallen mir allerdings der Mega-Hit „Superheroes“ und das packende „King Of Fools“. Das Publikum wird von Song zu Song immer müder, was auch daran liegt, dass es mittlerweile schon weit nach Mitternacht ist. Tobi Sammet stachelt die Dischinger Meute immer wieder nach Kräften an, aber irgendwann ist halt dann auch Schluss und es bleibt die Frage, ob man zu dieser Zeit noch ausgeprägte Mitsingspielchen machen muss. Ein sehr lässiges Schlagzeugsolo wird noch gespielt. Interessant dabei: Der Schlagzeuger spielt den Rhythmus der Twisted Sister-Hymne „We’re Not Gonna Take it“ an - und das Publikum singt lauthals mit. So was hab ich noch nicht erlebt, geil! Am Schluss sind alle, Band wie Publikum äußerst zufrieden, ausgepowert und sicher, einen sehr schönen Rock-Abend gesehen zu haben.
Stefan Graßl
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