Musik an sich


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Steffani, A. (Lohr)

Orlando Generoso


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 26.06.2009

(MDG / Codaex / 3 CD / DDD / 2008 / Best. Nr. 309 1566-2)

Gesamtspielzeit: 163:00

Internet:

Musica Alta Ripa



LÜCKENSCHLUSS

Dass Agostino Steffani (1654-1728) zu den unterschätzten, besonders entdeckenswerten Opernkomponisten des Barock zählt, ist keine ganz neue Erkenntnis. Schade nur, dass diese Einsicht diskographisch bisher wenig Früchte getragen hat. So ist es unbedingt zu begrüßen, dass das Label MDG eine halbszenische Aufführung des "Orlando generoso" bei den Festwochen Herrenhausen (Hannover) mitgeschnitten hat. Damit übrigens kehrte dieses 1691 uraufgeführte Bühnenwerk an seinen Ursprungsort zurück, denn für den Hannoveraner Hof war Steffani als Kapellmeister tätig. Steffanis Spezialität war die Vermengung des italienischen, noch in der Tradition Monteverdis stehenden Stils mit Elementen der französischen Barockoper. Letzteres macht sich besonders in der delikaten, farbenreichen Orchesterbegleitung und den eingeschobenen, spielerisch-leichten Tanzsätzen sowie an den sehr differenziert ausgestalteten Rezitativen und Monologen bemerkbar. Die Arien erinnern mit ihrem virtuosen Anspruch hingegen eher an italienische Vorbilder.

Dem Ensemble Musica Alta Ripa ist es zu verdanken, dass die Farbenpracht der Partitur wieder zum Leben erweckt wird. Die Begleitung durch das klein besetzte Orchester ist geschmeidig, sensibel und äusserst reizvoll. Dass man mit ähnlich kleiner Besetzung Steffanis Instrumentalmusik für die Oper auch knackiger darbieten kann, haben vor einigen Jahren die Sonatori de la gioiosa marca (Divox, 2000) gezeigt. Dass man es nicht so machen muss, um die Musik spannend und ansprechend wirken zu lassen, belegt hingegen die jetzige Einspielung, die sich eher dem französischen Idiom verpflichtet weiß.
Um das Steffani-Glück perfekt zu machen, hätte es dabei allerdings einer anderen Führung der Gesangsstimmen und z.T. auch anderer Sänger bedurft: Die Solisten agieren insgesamt deutlich zu zurückhaltend. Das expressive Moment tritt in den Hintergrund und die Oper bekommt dadurch einen pastelligen Charakter, der ihr nicht gut zu Gesicht steht. Am überzeugendsten ist noch die Leistung des Sopranisten Jörg Waschinski und der Sopranistin Roberta Invernizzi, die die Angelica mit bezaubernder Süße versieht. Unter den drei Countertenören fällt Kai Wessel negativ auf, dem - bildhaft gesprochen - ab dem zweiten Akt mehr und mehr die stimmlichen Stützstrümpfe abhanden zu kommen scheinen. Die sonst stets zuverlässige Susanne Rydén schwächelt hingegen zu Beginn, gewinnt aber im Laufe der Aufnahme an Sicherheit und Prägnanz.

So ist mit dieser Produktion zwar eine Lücke geschlossen, aber noch nicht die verdiente Lanze für Steffani gebrochen worden.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Daniel Lager: Countertenor (Galafro)
Roberta Invernizzi: Sopran (Angelica)
Susanne Rydén: Sopran (Bradamante)
Kai Wessel: Countertenor (Orlando)
Franz Vitzthum: Countertenor (Ruggiero)
Jörg Waschinski: Sopran (Medoro)
Wolf Matthias Friedrich: Bass (Atlante)

Musica Alta Ripa

Bernward Lohr: Leitung


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