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TANGERINE DREAM tragen futuristische Klänge in die mittelalterliche Spandauer Zitadelle





Tangerine Dream waren und sind neben Kraftwerk noch immer eine der international anerkanntesten und bedeutendsten Wegbereiter der elektronischen Musik. Sie kreierten mit ihrem - Anfang der 70'er Jahre sehr experimentellen - Sound den Begriff 'Kosmische Musik' und den Stil der so genannten 'Berliner Schule' mit ausgedehnten, sich erst langsam entwickelnden Stücken, die auf verschiedenen rhythmischen Sequenzen aufbauen und sich ständig wiederholen. Der später auftauchende Begriff 'New Age', mit seiner vielfach kitschigen Überfrachtung, wird dem Sound von Tangerine Dream nicht annähernd gerecht. Bis zum heutigen Tage war die Band nie ganz weg vom Fenster, und erfreute die Fans mit eigenen CD, DVD und Live Veröffentlichungen, teilweise limitiert nur über die Website erhältlich.

Wie die "Mensch Maschinen" haben auch Tangerine Dream einmal ganz profan und analog mit 'richtigen' Instrumenten angefangen. 1967 hebt der studierte Maler und Grafiker Edgar Froese die Band aus der Taufe. Neben ihm gehören noch Volker Hombach (Violine, Flöte und Gesang), Lanse Hapshash (Schlagzeug), Charlie Prince (Gesang) und Kurt Herkenberg (Bass) zum Line Up der Gründungstage. Das erste Konzert der Formation findet in der Mensa der TU Berlin statt. Nach einigen weiteren Gastspielen auf Studentenpartys und Kunst-Events lösen sie sich jedoch 1969 wieder auf.

Zusammen mit Conny Schnitzler und dem Multiinstrumentalist und Klangpionier Klaus Schulze lebt Tangerine Dream aber als Studioprojekt weiter. Beim Herumexperimentieren entstehen allerlei ausgefallene Klänge, die 1970 schließlich ihren Weg auf Electronic Meditation finden, das über das Avantgarde-Label Ohr erscheint. Ein Track darauf heißt „Journey through a burning Brain" und so manch saturierter Pop-Hörer würde sich beim Hören der TD-Collage auch heute noch genau so fühlen.

Während Schulze sich dem Ash Ra Tempel anschließt und Schnitzler eine Solokarriere startet, holt sich Froese im Herbst 1970 neue Mitstreiter ins Boot. Christopher Franke setzt sich hinter die Schießbude und als Keyboarder engagiert er Steve Schroyder, der mit synthetischen Klängen herum experimentiert und nicht unerheblichen Anteil an der Elektronisierung von Tangerine Dream hat. Der erste Aufsehen erregende Auftritt der drei findet im Oktober 1970 statt, bei dem sie insgesamt zwölf Flipper-Automaten, sowie Gitarre, Cello und Schlagzeug verwenden. Die Show läuft live im deutschen Fernsehen und verursacht einen Proteststurm der Zuschauer, die mit derartigen Sachen wenig anzufangen weiß.

Im neuen Jahr entsteht unter Mithilfe der Gastmusiker Roland Paulyck (Keyboard) und Udo Dennebourg Alpha Centauri, das ihnen einen Popularitätsschub verleiht. Im Jahrespoll des damals hippsten Musikmagazins Sound wählen deren Leser das Album zum besten des Jahres und auch aus Frankreich, den USA und Japan dringen wohlwollende Stimmen herüber. Schroyder muss aufgrund von immer eklatanter werdenden Drogenproblemen ausscheiden. Seinen Platz nimmt Peter Baumann ein. Jener ist erheblich dafür mitverantwortlich, dass die Band fast alle Instrumente verscherbelt und sich stattdessen einen - für die damalige Zeit - ultramodernen Synthesizer kauft. In dieser Besetzung schaffen Tangerine Dream bis 1977 wichtige und hervorragende Alben. Zeit und Atem (quadrophonisch aufgenommen) lehnen sich zwar noch an die Collagen von Alpha Centauri an, spätestens mit Phaedra läuten Tangerine Dream jedoch die Wende hin zu immer elektronischer und rhythmischer werdenden Sounds ein.

Mit besagtem Phaedra startet die internationale Karriere Tangerine Dreams so richtig durch. Wieder einmal der allgegenwärtige John Peel ist der Grund dafür. Als ausgesprochener Fan der Gruppe, dudelt er ihre Songs in seinem Radioprogramm hoch und runter, bis schließlich ein gewisser Richard Branson Wind davon bekommt und er das Trio für sein neu gegründetes Label Virgin unter Vertrag nimmt. Lohn der Arbeit ist der Einstieg des Albums in die Top 20 der britischen Albumcharts und das mit Musik, die unkommerzieller kaum sein könnte. Parallel an die sich anschließenden internationalen Konzertaktivitäten veröffentlicht Froese sein erstes Solo-Album Aqua. Das zweite Standbein, dass sich die Tangerine Dream-Musiker im Laufe der Zeit aufbauen, die Komposition von Soundtracks, geht auf ein Engagement beim Theaterstück Ödipus Tyrannus zurück, zu dem Keith Mitchell sie einlädt.

Nach Baumanns Ausstieg 1978 ersetzt ihn erst Steve Joliffe und danach Johannes Schmoelling. Mit ersterem nehmen Cyclone auf. Zum ersten Mal seit 1970 sind darauf ein normales Schlagzeug und Gitarren zu hören. Noch krasser: Neuling Joliffe singt sogar. Das spaltet die Fangemeinde. Auch wenn mit „Madrigal Meridian" ein starkes Instrumental vertreten ist, zeigen sich viele Hörer verwirrt.

Steves Gastspiel ist damit auch schon wieder beendet. Mit dem studierten Musiker Johannes Schmoelling spielen die neuen Tangerine Dream erst das hervorragende Force majeure ein und geben ihr erstes Konzert in dieser Besetzung 1980 hinter dem eisernen Vorhang im Palast der Republik in Ostberlin; übrigens der erste Auftritt einer West-Band im Ostblock. Mit dem Soundtrack zum Friedkin-Film Sorcerer beginnt die umfangreiche Soundtrack-Tätigkeit von Tangerine Dream. In den Achtzigern komponieren sie Musik für mehr als 30 Filme. Erstaunlich dabei, dass sie trotzdem Zeit finden, Studio-Alben aufzunehmen. Highlights aus jener Dekade sind Hyperborea und das Konzeptalbum Le Parc.

1986 verlässt Schmoelling Tangerine Dream, um sich mehr auf seine eigenen Soundtrack-Kompositionen zu konzentrieren. Froese präsentiert mit dem erst 21 Jahre alten österreichischen Funk- und Jazz-Pianisten Paul Haslinger den Nachfolger und treibt so einen Generationenwechsel im Bandrahmen voran. 1987 schreitet dieser Prozess weiter. Das langjährige Bandmitglied Christoph Franke steigt im August 1987 ebenfalls aus. Für kurze Zeit engagiert Edgar Ralph Wadephul, der aber nach Differenzen wieder seine Sachen packen muss. Als letzte außerfamiliäre Verstärkung komplettiert die Saxofonistin Linda Spa das Line Up. Bei Lily on the Beach stellt Edgar 1989 seinen Sohnemann Jerome als neues Mitglied vor. Nach dem Abschied von Linda werkeln Vater und Sohn fortan alleine am Sound der Band.

In den Neunzigern starten Tangerine Dream als Duo wieder durch und bringen einige qualitativ hoch stehende Alben an den Start. Turn of the Tides ist eines davon. Mit "echten" Instrumenten wie Schlagzeug und Gitarre klingen sie Rock beeinflusster als je zuvor. Eine Vielzahl von Stilen und Rhythmen vereinen sie und erwecken die Hoffnung, dass die Elektronik-Pioniere noch lange nicht am Ende sind. 1995 startet die Dream Mixes-Reihe, in der sie alte Nummern mit aktuellen Beats aufpäppeln und einige Neukompositionen darunter streuen. So kreieren sie ihre eigene Definition des Techno, der sowohl bei Neueinsteigern wie auch unter alt gedienten Fans Anklang findet.

Zwei der seltenen Tangerine Dream-Konzerte (auf der Homepage werden bis zum 1. April 2010 genau fünf Auftritte angekündigt) finden am 29. August im niedersächsischen Northeim und am 30. August beim Citadel Festival in Spandau statt.

[Trinity Concerts]

Internet:
http://www.tangerinedream.org
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