Beethoven, L. v. (Schoonderwoerd)
Klavierkonzerte Nr. 4 & 5
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Info |
Musikrichtung:
Klavierkonzert
VÖ: 01.07.2005
Alpha / Note 1 CD DDD (AD 2004) / Best. Nr. Alpha 079
Gesamtspielzeit: 69:50
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INTERESSANTE SACKGASSE
Nach der ausgesprochen schlanken Einspielung von Beethovens Eroica durch das Ensemble 28 geht der Pianist Paul Schoonderwoerd mit den Musiker/innen von Cristofori bei der Interpretation des 4 & 5 Klavierkonzerts noch einen Schritt weiter: Auf der Grundlage einer detaillierten Untersuchung der Konzertpraxis der Beethovenzeit und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Wiener Palais Lobkowitz, in dem seinerzeit Beethovens Eroica und das 4. Klavierkonzert zur Aufführung kamen, hat sich Schoonderwoerd für ein Ensemble von sieben(!) Streichern (2+2+2+1) und 13 Bläsern entschieden. Das mag angesichts der Größe des Konzertsaals, der etwa 21 Musikern Platz bot, und der dicht an das Orchester herangerückten Zuhörerbänke eine durchaus schlüssige Lösung sein. Und ich will auch gar nicht bestreiten, dass der Klangeindruck bei dieser Einspielung stellenweise hinreißend ist in seiner Durchsichtigkeit und differenzierten Farbigkeit (ein Lob an die formidable Aufnahmetechnik!). Ein solch nuanciertes Spektrum der Klangfarben haben auch J. E. Gardiner und R. Levin nicht hinbekommen (sämtliche Klavierkonzerte u. a. 1996-1998; DG Archiv).
Unter diesen verschärften Besetzungsbedingungen werden Beethovens Konzerte zu einer ausgetüftelten Ensemblemusik mit obligatem Klavier, das in einigen Sätzen nach alter Meister Sitte sogar noch den Continuo-Part ausführt. Der Solist in seiner Doppelrolle als Dirigent und Virtuose ist hier primus inter pares und noch kein Tastenlöwe, wie ihn das spätere 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Ausgesprochen virtuos (und das hört man unter dem „akustischen Mikroskop“ noch einmal besonders deutlich) sind aber auch die übrigen Partien in Beethovens Konzerten gestaltet. Kein Instrument übernimmt da lediglich schlichte Begleitfunktionen. Alles ist in einem dichten Satz miteinander verwoben, geht mit und gegeneinander, und dabei ist nicht unbedingt klar, wer oder was denn gerade die Führung innehat. Immer wieder treten die Holzbläser mit charaktervollen Soloauftritten hervor, die das Geschehen ebenso beeinflussen wie der Gang des Klavierparts.
Und doch bleiben sehr viele Fragen: Z. B. was die Streicher betritt. Da mögen sich die Spieler noch so ins Zeug legen, es klingt einfach dünn und schrammelend. Nicht, das Beethovens Musik humorlos wäre, im Gegenteil – aber in diesem Fall wirkt das einfach unfreiwillig komisch. Als dramatischer, ja bedrohlicher Gegenpart zum Klavier - z. B. im 2. Satz des 4. Konzerts - taugen die Streicher hier ebenso wenig wie als solides Klangfundament. Denn allenthalben spürt man: Das ist eben doch keine Kammermusik. Aber der große sinfonische Bogen will, von einer einzigen 1. Solovioline markiert, einfach nicht tragen. Vielleicht hätte da bereits eine doppelte Besetzung die Gewichte optimaler verteilt. Allein mit Rechenkünsten zur Anzahl der Sitzplätze, Raumvolumen und Nachhallzeit ist die Besetzungsfrage offenbar nicht zu beantworten. Auch die agogische Differenzierung, die Schoonderwoerd und seine Mitstreiter/innen ins Spiel bringen, vermag nicht immer zu überzeugen. Gardiners und Levins geradlinigerer Ansatz mag da zwar konventioneller wirken. Die große Architektur der Konzerte gewinnt bei ihnen jedoch klarere Konturen und stabilere Proportionen.
Trotz bemerkenswerter Einzelheiten und einiger Höhenflüge: Die historische Wahrheit entpuppt sich in diesem Fall schließlich doch eher als eine interessante Sackgasse.
Georg Henkel
Trackliste |
01-03 Klavierkonzert Nr. 4 04-06 Klavierkonzert Nr. 5 |
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Besetzung |
Arthur Schoonderwoerd, Hammerklavier (Johann Fritz, Wien 1805-1810) Ensemble Cristofori
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