Musik an sich


Reviews
Cradle of Filth - Damnation and a Day
(Sony)
Black Metal
Trackliste:
I Fantasia down
1. A Bruise upon the silent Moon (2:04)
2. The Promise of Fever (5:57)
3. Hurt and Virtue (5:24)
4. An Enemy led the Tempest (6:13)
II Paradise lost
5. Damned in any Language (A Plague on Words) (1:58)
6. Better to reign in Hell (6:12)
7. Serpent Tongue (5:10)
8. Carrion (4:43)
III Sewer Side up
9. The mordant Liquor of Tears (2:35)
10. Presents from the Poison hearted (6:20)
11. Doberman Pharaoh (6:03)
12. Babalon A.D. (so glad for the Madness) (5:38)
IV The scented Garden
13. A scarlet Witch lit the Season (1:34)
14. Mannequin (4:27)
15. Thank God for the Suffering (6:14)
16. The Smoke of her Burning (5:01)
17. End of Daze (1:25)

Cradle of Filth sind erwachsener geworden. Von Dani hört man in Interviews keine markigen Sprüche der Art "Ich weiß, dass durch unsere Texte in England bereits Verbrechen ausgelöst wurden" mehr. Mitte der 90er musste man ja mit den noch böseren Norwegern mithalten - zumindest verbal.

Auch optisch präsentiert man sich subtiler. Das evil Image wird mit bösen Augen, unleserlichen Schriftzügen, Feuer und düstern Farben durchaus am Leben gehalten. Auch das weibliche Geschlecht wurde bei der Bildauswahl nicht vergessen. Aber das extrem plakative Spielen mit Sex, Blut und Gewalt, das in der Vergangenheit Markenzeichen unseres Möchtegern-Vampirs war, gehört offenbar der Vergangenheit an.

Aber - und das ist ja das entscheidende. Auch musikalisch sind CoF gewachsen. "Weiter gewachsen" muss man sagen. Denn was die Briten in der Vergangenheit musikalisch geliefert haben, hat in der Black Metal Szene Maßstäbe gesetzt, die bis heute nicht eingeholt worden sind, mag man die Band auch von der einen Seite wegen ihrer angeblichen Kommerzialität beschimpfen, und auf der anderen Seite wegen der pubertären Selbstinszenierung die Köpfe (oder gar die verbalen Fäuste) schütteln.

Schon beim ersten Durchhören wird eins ganz deutlich: Die Abfallwiege ist zugänglicher geworden. Klar, Danis Gekeife und Gegrowle wird weiterhin jedem BM-ungewohnten Ohr den Zugang schwer machen, aber so pfeilschnell voran treibende, klare Gitarren wie sie bereits in "The Promise of Fever" und "Hurt and Virtue" zu hören sind, habe ich bei Britanniens bösesten Bösewichtern bislang nicht gefunden.

Und wer hätte angesichts der Gitarrenriffs bei "Presents from the Poison hearted", einem der Highlights der CD, auf CoF getippt. Streckenweise klingen sie als hätte Paul Allender bei den Aufnahmen Uriah Heeps "Look at yourself" im Walkman gehabt.

Sämtliche noch existierenden Dialektiker dieser Welt sollten Dani für dieses Meisterwerk dankbar sein. Hatte er den Beginn seiner Karriere mit fast unübertreffbarer Brutalität und Hässlichkeit als abstoßende Antithese gegen das ganze bis dato bekannte Musik- und Kulturgeschäft inszeniert, beginnt er nun ohne diese Position wirklich zu räumen, Synthesen herzustellen, in denen sein neuer Standpunkt mit metallischen und klassischen Elemente formuliert wird.

Dabei erzielen CoF eine Überzeugungskraft und Stringenz, die von kaum einem der unzähligen Klassik-meets-Metal-Projekte der vergangenen Jahre erreicht wurde. (mit Ausnahme vielleicht von Waltaris Death Metal Symphony in deep C) Die Basis dazu haben sie sich selbst erarbeitet, indem sie in einem mehrer Jahre währenden Prozess ihre eigene Identität gründlich formuliert haben, bevor sie sich in das musikalische Gespräch mit anderen Traditionen begeben hat.

Mit "Damnation and a Day" liefern sie nun ihr bisheriges Meisterstück ab, in dem Black Metal, Heavy Metal und Klassik ihre nahezu gleichberechtigten Plätze haben. Der BM behält dabei die Federführung, und kann seine Schroffheit und Brutalität mit größerer Überzeugungskraft als je zuvor ins Feld führen, da sie nie als Selbstzweck, sondern immer im Dienste des Gesamtwerkes eingesetzt werden. Dani und Genossen dürften sich spätestens mit dieser Scheibe einen Platz in der Musikgeschichte gesichert haben, dessen Bedeutung klar über den Metal-Bereich hinausgeht.

Ein Kritikpunkt muß dennoch sein. Die wirklich nicht einfachen Texte (ohne Wörterbuch werden wohl nur Muttersprachler und Anglisten auskommen.) sind so klein vor oft extrem unruhigem Hintergrund abgedruckt, dass es kaum möglich ist, ihnen beim Hören zu folgen. Und auch wenn Danis Elaborate nicht immer ganz geschmacksicher sind und in der Regel ein gutes Maß an kritischer Abgrenzung erfordern, lohnt sich eine Auseinandersetzung mit ihnen allemal.

Zum Abschluss noch ein weiterer Anspieltipp. "An Enemy led the Tempest" setzt den eigene Titel musikalisch höchst überzeugend um, und macht damit das Finale von Kapitel I zum ersten Höhepunkt der CD. Hier wird die wahre wilde Jagd inszeniert. Dem Hörer fliegt schon beim bloßen Zuhören der Puls. Es wehen die Haare und der Schweiß läuft in Sturzbächen durch das vom Wind gefüllte Seidenhemd.

Beeindruckend.

18 von 20 Punkte

Norbert von Fransecky

Internet: www.cradleoffilth.com

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