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GRENZGRÄNGER I: KENNEDY MEETS KROKE
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Nigel Kennedy / Kroke Band: East meets East
EMI DDD (AD 2002/03) / Best.Nr. 5 57511 2
weitere Infos: Nigel Kennedy und Kroke Band |
Crossover
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Interpreten:
Nigel Kennedy (akustische und elektrische Violine) / Kroke Band
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Interpretation: +++/++++
Klang: ++++
Edition: ++++
NIGEL!
Was soll ich sagen: Der in die Jahre gekommene Klassik-Punk und F-Worte-Spezialist Nigel Kennedy schaffts dann doch immer wieder, seine Fans zu überraschen. Vorgestern Vivaldi, gestern Jimmy Hendrix, heute Beethoven, morgen Kroke. Sein Punk-Gehabe ist, nach Kennedys eigenem Bekunden, keine PR-Masche, sondern eine menschlich-künstlerische Überlebensstrategie. Eine Integritätssicherung gegen die allesverdauende Marktmaschine. Ej komm Alter, die hat schon ganz andere Brocken verdaut! Aber persönlich mag ich schon glauben, dass es ihm ein Gefühl von Freiheit verschafft, wenn er öffentlich in seine unschätzbar wertvolle Meister-Geige beißt.
NIGEL?
Genug! Kennedys neuester Streich heißt "East meets East". Diesmal nimmt er eine Krakauer Band Namens "Kroke" mit ins Crossover-Boot und schippert quer durch die Ethno-Jazz-Pop-Meere des Wilden und des Nahen Ostens. Klezmer und Zigeunerweisen verschmelzen mit Jazz, afro-orientalischen-Sounds und Folk zu einem Cocktail, der es in der letzten Juni-Woche immerhin schon auf Platz 97 der Charts geschafft hat. Eigentlicher Autor dieser eigenwilligen, gut hörbaren Mixtur ist das Trio Kroke Band. Nigel hörte sie im Radio und war sofort begeistert. Dass er die Jungs von Kroke überhaupt wahrgenommen hat, hat mit seiner zweiten Frau zu tun, die aus Polen stammt, wo der Brite Kennedy inzwischen fast ein zweites Zuhause gefunden hat.
NIGEL!!
Klar, dass Kennedy in der um weitere Gastmusiker ergänzten Quartett-Formation nicht die zweite Geige spielt. Aber er macht seinen Part sehr gut: ungezwungen und ohne sich penetrant in den Vordergrund zu drängen. Ob mit akustischer oder E-Geige: die Chemie stimmt. Die Mischung bietet eigentlich für jede Situation und Stimmung etwas, allerdings klingt das meiste nicht unbedingt nach Sommer: elegisch, gefühlvoll, melancholisch, manchmal auch sentimental. Ederlezi schrammt haarscharf am Kitsch vorbei. Dann wieder: Herbstzeit und Nebel. Nur manchmal glänzt in der Ferne die Wüste. Großartig: die weiten Klang-Räume von Vino. Überhaupt sind die orientalisch und zigeunerisch angehauchten Themen auch sonst ziemlich unwiderstehlich. Folklore-Restverwertung auf hohem Niveau. Und weil eine Art Leitmotiv die ganze Platte zusammenhält, bekommt man die Musik danach kaum aus den Ohren. Für mich geigerisch am überzeugensten: Kennedys viereinhalbminütiges Solo Lost in Time. Da greif
er die Ethno-Anregungen improvisierend auf und macht daraus seine ganz eigene Stimme. Mit der E-Geige wird es dagegen auch schon mal ein bißchen beliebig.
14 Punkte
Georg Henkel
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