Interpretation: +++
Klang: ++++
Edition: +++
DER UNBEKANNTE PACHELBEL
Johann Pachelbel, Organist u.a. in Eisenach, Erfurt und Nürnberg, hat als Lehrer und Komponist wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der deutschen Barockmusik gehabt, sogar auf den Stil Johann Sebastian Bachs. Dennoch sind heute nur selten Werke des gebürtigen Nürnbergers zu hören. Größere Bekanntheit besitzen allenfalls noch seine Orgelkompositionen und das geradezu totgenudelte Doppel Canon und Guige, das auf keiner "Barock zum Baden"-CD fehlen darf.
Weitgehend unbekanntes Repertoire hat also mit dieser Einspielung von Pachelbels geistlicher Vokalmusik Arno Paduch, Spezialist für Alte Musik in historischer Aufführungspraxis und selbst Zink-Spieler, zugänglich gemacht: Die CD vereint prachtvoll instrumentierte Psalmkonzerte mit der Motette "Der Herr ist König" und einer eingeschobenen Suite für Theorbe solo.
PRACHT DURCH RAFFINIERTE STRUKTUR UND VIELFALT
Was der CD-Titel "Geistliche Festmusik" verspricht, wird jedenfalls von der Festlichkeit in den Psalmkonzerten "Lobet den Herrn inseinem Heiligtum" und "Gott sei uns gnädig" eingelöst. Im erstgenannten Konzert bietet der Komponist sogar das ganze in Psalm 150 genannte Instrumentarium (und noch einiges mehr) auf: Streicher, Trompeten, Harfe, Pauken, Blockflöten, Fagott und Oboen. Chorische und solistisch besetzte Passagen folgen zudem stets in raschem Wechsel. Deutlich wird dabei die Verschmelzung der virtuosen Komponierweise des süddeutschen Raums mit der im mitteldeutschen Bereich dominierenden Kontrapunktik, die für Pachelbels Werk insgesamt charakteristisch ist.
Wahrhaft prachtvolle, üppige Werke sind das, in denen auch die Ausführenden mit hörbarem Vergnügen schwelgen. Dabei wird erkennbar, dass die Stärke der von Paduch herangezogenen Vokalisten v.a. im chorischen Gesang liegt. Doch auch im Solo-Einsatz vermögen die meisten von ihnen zu überzeugen. Insbesondere der Tenor Jörn Lindemann liefert eine ausgezeichnete Leistung ab. Weniger erfreulich hingegen die Vorstellung des Altisten Beat Duddeck, dessen Stimme wenig geschmeidig, stellenweise glanzlos bis schneidend wirkt und der mit diesen Merkmalen ein ums andere Mal unangenehm heraussticht.
Ein musikhistorischer Leckerbissen ist die Choralkantate "Christ lag in Todesbanden". An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert löste die Kantate in der protestantischen Liturgie das zuvor vorherrschende Psalmkonzert ab und Pachelbel hat einige der ersten Werke dieser neuen Gattung geschaffen. Die auf dem Choral Martin Luthers basierende Kantate hat Johann Sebastian Bach deutlich zum Vorbild seiner gleichnamigen, um 1708 komponierten Kantate (BWV 4) genommen. Wer beide Stücke im Vergleich hört, kann dabei manch interessante Parallele, aber auch das Fortschreiten der musikalischen Entwicklung im deutschen Sprachraum dieser Zeit nachvollziehen.
Ein schlichter angelegtes Stück stellt die fünfstimmige Motette "Der Herr ist König dar". Schließlich bekommt der Hörer, gewissermaßen zur Erholung, eine Suite für Theorbe geboten, die von Pachelbel ursprünglich für Cembalo komponiert wurde. Ulrich Wedemeier spielt die Baßlaute in dieser Transkription virtuos und zugleich einfühlsam meditativ. Ein wirklich willkommener Ruhepunkt in all der vokalen Prachtentfaltung.
ÜBERZEUGENDES ORCHESTERSPIEL UNTER KUNDIGER LEITUNG
Arno Paduch führt die engagiert spielenden Instrumentalisten des von ihm 1995 gegründeten Johann Rosenmüller Ensembles betont präzise und transparent, was bei solch komplex strukturierter Musik unbedingt erforderlich ist. Sein Verdienst um die Wiederbelebung dieser spannenden Vokalwerke Pachelbels kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bleibt zu hoffen, dass diese im Klangbild tadellose Aufnahme ihnen zukünftig insgesamt ein Mehr an Aufmerksamkeit bescheren wird.
16 Punkte
Sven Kerkhoff
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