Vor etwa einem halben Jahr lag ein Geschenk unter dem Weihnachtsbaum,
über das sich meine Mutter sogar noch mehr freute als ich.
Robbie Williams Konzert Karten. Wie sie die ergattert hat, ist wirklich
ein Wunder, denn bekanntlichermassen waren die Karten bereits nach
wenigen Stunden ausverkauft.
Wir hatten uns im vorfeld über das Openair informiert und ausgestattet.
Zum einen: es durften keine Plastikflaschen mitgenommen werden. Nur
Tetra Packs, und nur ein Liter. "Weil die ab einem Liter viel
aerodynamischer sind, und ihn dann viel besser am Kopf treffen", wie
eine junge Dame im Vorfeld meinte.
Ausserdem hatten wir gelernt: das letzte mal hatten wir
Geburtstagstortenkerzen mitgenommen, da uns das mit den Feuerzeugen auf
Dauer zu heiss wurde, und Wunderkerzen ja nicht erlaubt sind. die hatten
aber getropft, da half auch kein "das sind tropffreie Kerzen" Beteuern
meiner Mutter. Diesesmal also hatte sie gebastelt (bitte alle
nachmachen, so sengt man auch niemandem die haare an). Einen Kartonkreis
ausgeschnitten Loch in die Mitte, Kerze rein, und das klappte wunderbar.
SWR3 präsentierte das Ganze, so wurde man netterweise im Radio die ganze
Zeit informiert, wie's mit Parkplätzen und Staus beim Konzert aussah.
Mit deren Hilfe kamen wir problemlos ohne eine Minute zu stehen an,
Parkplätze en masse, und ich dachte hier schon, super Organisation.
Sogar auf das Gelände kam man ohne längeres Anstehen. Noch war von den
65000 Menschen nicht viel zu merken.
Wir hatten leider Sitzplätze, also suchten wir die Tribünen auf. Nichts
für Menschen mit Höhenangst. Ich habe Höhenangst.
Sehr wackelige Angelegenheit da, der einzige Vorteil : da man nicht so
eng aneinandersteht, sondern sitzt, kann man Schuhe ausziehen und es
sich ein wenig gemütlich machen. Vorband hatte ich im Vorfeld gehört,
sei Kelly Osbourne. Nette t-shirts waren von ihr im Merchandise, ein
Piratenshirt zum Beispiel, mit Herz statt Totenkopf. 42 Euro hielt ich
aber doch für etwas überteuert.
Als sie anfängt gehen die ersten Reihen total mit. Die Tribüne um uns
bleibt irgendwie ziemlich leer, ist nur etwa zu zwei Drittel gefüllt.
und dass da vorne auf der bühne jemand steht interessiert hier auch
niemanden, was nicht wirklich wundert, denn man sieht die junge Dame mit
den nun blond gefärbten Haaren nur vom bildschirm. Die hier käuflichen
Ferngläser helfen gar nichts, das verärgert nicht nur uns.
Ich etwas enttäuscht, denn mir gefällt zumindest, was ich höre. Da
stimmt alles, obwohl sie alles gibt, hält die Stimme gnadenlos durch,
die Musiker sind gut drauf, sind wegen den ersten Reihen total
motiviert. Da wird gehüpft, Kelly lächelt verlegen und freut sich. Sehr
charmant, ihre Ansagen, sie wirkt hier bescheidener als in der Serie,
das muss man schon sagen.
Ich habe es satt. Nicht nur, dass hier kaum Menschen sitzen, diejenigen,
die hier sind, sind absolut unsympatisch. Die meisten hier sowieso. Da
ist keine Euphorie, und auch kein nettes Miteinander, keine lächelnden
Gesichter, und das obwohl die Sonne wunderbar scheint. Das bin ich nicht
gewohnt, also packen wir unsere Sachen und ziehen los, in die vorderen
Reihen. und wir kommen sogar recht weit. Als die nächste Vorgruppe sich
ankündigt, sind wir sogar nur noch etwa acht Meter von der Bühne
entfernt. Mein Herz blutet. Die Cardigans!
Ich bin begeistert, manche Menschen um mich rum können sogar auch
mitsingen. "Explode" vom Album Gran Turismo, und sogar "Hanging around",
und wie sie alle heissen werden von einem Lächeln begleitet gespielt.
Der neue Song "what its worth" gefällt hier sehr gut. Auf der Bühne ist
ja mittig wie seitlich eine Riesenlichtwand aufgebaut, sodass auch die
hinteren Reihen was davon haben. Bei den Cardigans eine wunderbar
kitschige Tapete als Hintergrund. Das gefällt auch der Mama.
Leider gefällt es der Dame hinter mir gar nicht, was sie auch lautstark
kundtun muss. "Die Sängerin ist sowas von unsympatisch, und was ist das
nur für ein hässlicher Hintergrund". Manman, manche Leute sind auch nie
zufrieden. Als die Cardigans von der Bühne gehen, wir ordentlich
gejubelt. nicht nur, weil sie so gut waren, sondern auch, weil wohl bald
der Robbieeee kommt. Gekreische in den ersten Reihen beim Umbau. Man
lässt sie uns weiter vor, Stempel werden aufgedrückt, da noch Platz ist
für mehr Leute. Etwa nur noch fünf Meter von der Bühne entfernt.
Wunderbar, das. Das Publikum wandelt sich nun. Von unsympatischen
Pärchen und Nörglern gehen die Menschen über zu netten jungen Damen und
ein paar älteren Müttern (?). Aufbau dauert nicht allzu lange. Die Zeit
hatte man sich mit Laola Wellen vertrieben.
Pünktlich um neun ist es auch soweit. Robbie schwebt kopfüber über die
Bühne. Die Lichttafel fährt auf, ein paar Tänzerinnen in roten sexy
Kostümen betreten das Feld. "let me entertain you". Es wird bis nach
hinten gehüpft. Herrlich, das!
"Ich bin ein Rockstar" verkündigt er, als ob wir das nicht alle wüssten.
Er spielt beinahe alle seine Hits durch, wobei die Tänzerinnen
zwischendurch die Outfits ändern. Haben aber alle freunde, so meint er,
bedauernd.
Bei "me and my monkey" einem Lied aus der aktuellen Platte, kündigt er
die Thematik genaustens an. Um Drogen geht es. und er rät den Menschen
hier unter achtzehn Jahren, wirklich nur Drogen zu nehmen, wenn sie die
wirklich mögen. Und gut drauf aufpassen, ist ja schliesslich teuer.
Das publikum fühlt sich bestens unterhalten.
Neben "hot fudge" und "Feel" wird auch noch die single "Come undone" aus
dem aktuellen Album gespielt. Begeisterung allerseits, als er und
Karaoke like mit eingeblendetem Text "strong" singen lässt.
Nun lässt er uns wissen, was in den ersten Reihen vor sich geht. Eine
junge Dame mit Zahnspange hat ihn wohl nach dem ersten Lied nach einem
Autogramm gefragt. Er muss ihr nun leider ins Gewissen reden. "I don't
know, if you've recognized it, but there are 65000 people in here" und
die muss er alle unterhalten. Er fragt uns, ob sie ihr Autogramm kriegen
soll. Und das soll sie natürlich! "cool teeth, nice titts, Robbie".
Auch für das Pärchen in der dritten Reihe hat er was übrig. Küssen
sollen sie sich, mit Zunge. Aber nicht zuviel, das ist ja Pornographie.
Und weil sie schon ein Jahr zusammen sind, hat er gleich einen Ratschlag
für den jungen Mann. Heiraten soll er sie. Und ein Baby machen. Sagt er
ihm, bevor er "she's the one" für sie spielt.
Generell geht es nun ein bisschen ruhiger zu. Denn er hat seinen Freund
Mr Breesley zu sich gerufen, um Klavier zu spielen. Sie erzählen von
Einsamkeit um die Weihnachtszeit uns spielen traurige Lieder von "swing
when you're winning", Kerzen und Feuerzeuge leuchten im Publikum auf.
Auf einmal kommt ein Sicherheitsmensch auf die Bühne und flüstert Robbie
was ins Ohr. Technische Schwierigkeiten, da droht wohl was
runterzufallen. Fünf Minuten kommt er wieder mit Helm. den schenkt er
direkt seinem Double in der ersten Reihe, der neben den jungen Damen mit
dem "take us with you, robbie, we're brilliant in bed" steht. Der
scheinen wohl auch in Berlin gewesen zu sein. Und Treue wird belohnt!
Er spielt weiter, trotz der Schwierigkeiten, gibt aber nach "Angels"
keine Zugabe mehr, was enttäuscht. Hatten wir doch alle so schön brav
falsch mitgesungen. Schade! Der Veranstalter und die Polizei würden
Stress machen. Nunja.
Wir ziehen noch los, Crepes essen, denn das Essensangebot hier ist
wirklich famos und nicht teuer. Und als wir dann gen Ausgang ziehen,
bemerken wir, was es bedeutet, wenn 65000 Leute heimfahren wollen. All
diese Menschen wollen zur gleichen Zeit raus. Und nun bemerkt man auch
die schlechte Organsiation am Ausgang. Engländer um mich herum "pissed
off" von Gedränge. Es geht nicht voran. Anstehen, um rauszukommen, etwa
eine halbe Stunde dauerts, es bewegt sich wenig bis gar nichts. Ausser
das Pärchen vor uns, das rumfummelt, die hätten wohl lieber zu Hause
bleiben sollen.
Vor dem Ein/Ausgang haben sich Menschen breitgemacht, die auf den Bus
warten, das staut natürlich ganz schön. Denn es sind ja schliesslich
20000 Menschen hier mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Bis wir
am Auto sind, ist es halb eins. Anderthalb Stunden nach Konzertende.
Sauerei!
Kreuz Mannheim wird gesperrt wegen Überlastung (Kann mir mal bitte
jemand verraten, warum man eine Strasse sperrt, wenn jeder auf ihr
fahren muss?).
Nunja, wir kommen dann nach einiger Warterei doch noch auf Umwegen Heim.
Leider von dem Ärger mit dem Rauskommen am Schluss gefrustet, wie auch
die Autofahrer um uns.
Bitte das nächste Mal Bushaltestellen nicht vor den Ausgang machen.
Dankesehr.
Helen Hofstetter
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