Mit der Bahn waren wir angereist, und das sollte sich bald als das
Hauptproblem herausstellen. Parkplatzmangel hatte uns zu diesem
Entschluss bewogen. Wir also versucht, in eine der überfüllten Bahnen
gen Europahalle zu ziehen, war aber wirklich nicht möglich, es seie
denn, man ist wirklich früh aufgestanden, und wir waren uns im Vorfeld
nicht darüber im Klaren gewesen, was es bedeutet, wenn 100.000 Menschen
beinahe zeitgleich zur Europahalle wollen. wir liefen also das grösste
Stück - immer den alternativen Menschen hinterher.
Als wir dort ankamen hiess es noch kurz anstehen, bis zum Eingang, und
dort waren sie also, die restlichen Menschenmassen. Zuerst war nicht so
ganz klar, wo man hin sollte, man hörte Seeed bereits, da wir durch die
ganze Lauferei zu spät kamen, aber wo waren sie bloss?
Als wir uns auf dem Hügel eingefunden hatten, stellten wir durch
Zehenspitzenstehen fest, da Vorne unten muss die Bühne sein! Ein Freund
nimmt mich netterweise auf seine Schultern, und ich sehe für zehn
Minuten wunderbar, vor mir zehntausende Menschen bergab. Das Gefühl
wunderbar, wollte ich schon immer mal machen. Auf den Schultern eines
gutaussehenden jungen Mannes inmitten zehntausender Menschen sitzen, und
dabei gute Musik hören. Bitte alle nachmachen!
Ich bin begeistert. Überhaupt sind alle Arten von Menschen da, also
nicht nur Hiphoper oder Dancehall Fans, jede Altersgruppe ist hier
vertreten. Und die Stimmung ist wunderbar, die Gesichter allesamt
freundlich. Es riecht ein wenig nach Gras, denn das wurde am Eingang ja
auch nicht kontrolliert. Eintritt war frei, wozu also Geld für
Kontrollen ausgeben? Nur ein nett geschriebenes Schild am Eingang
verwies darauf, dass man bitte keine Gegenstände mitnehmen solle, die
irgendwen verletzen könnten. Süss. Ich war gerührt, denn man nahm das
Schild ernst, auch ohne Kontrollen. Wunderbar, das!
Bald kann Philipp mich aber nicht mehr halten, und ich rufe die anderen
zum Statndortwechsel auf : "Los, auf in die erste Reihe!"
Okay, zwei drei Meter reichen schon. Denn nun stehen wir an der anderen
Seite vom Hang und haben wunderbare Sicht. Das ist gut organisiert
mit dem Berg, so können wirklich beinahe alle der 100.000 Menschen
einwandfrei auf die Bühne sehen. Seeed geben alles, spielen 50 cent
nach, und man merkt ihnen die Freude am Spielen an. Dass sie Seeed sind,
und was ihr Gebiet ist, sollte jedem nach den ersten Stücken bereits
klar geworden sein. Man tanzt und hüpft. Die ersten Reihen bestehen
förmlich aus erhobenen Händen.
Eine Riesenband, manman, elf Mann, und die Leute an ihren Instrumenten
geben alles, Trompeten und was weiss ich noch alles, ich bin gefangen in
so viel Virtuosität. Und was mal dringend gesagt werden muss : das mit
der Tanzerei der Männer da Vorne sieht verdammt cool aus. Tanzschritte
aus dem Video von "Dickes B", ein Augenschmaus.
Die Jungs sind noch nie in karlsruhe gewesen, und wissen daher wohl
nicht, dass die Badenser nicht so gut auf die Schwaben zu sprechen sind.
Denn als sie das Wort Schwaben erwähnen, buht beinahe das gesamte
Publikum (Ich nicht!). So viel Unfreundlichkeit und Rassismus sind die
Jungs nicht gewohnt und sind nun ein wenig skeptisch. Sie lassen sich
was einfallen, um die Stimmung wieder aufzubessern. Also improvisieren
sie ein Lied auf Karlsruhe. Die schönsten Mädchen haben sie, und die
überhaupt. Und das wollen sie gleich mal testen, indem sie einen
Dancehall Queen Contest machen. Vier Mädels werden auf die Bühne geholt.
Sonst sind's nur drei, aber in Anbetracht der Menschenmasse... Nunja.
Die Mädels zeigen, was sie können und geben alles. Doch gegen die
Letzte, leider ist mir ihr Name entfallen, eine Schwarze, die den
Rhythmus im Blut hat, das muss man ihr wirklich anerkennen, haben die
andern Mädels keine Chance. Nachdem sie von der Bühne geht, und gleich
darauf auch Seeed hagelts aufgrund lautstarker Forderungen des Publikums
noch Zugaben. Alle sind vollends zufrieden. Friedlich und ohne
Drängeleien ziehen die Menschen vom Gelände.
Heimfahrt leider wieder katastrophal wegen überfüllten Zügen, sodass wir
erst sehr sehr spät heimkamen, aber gelohnt hat es sich.
Tipp an die Bahn : wenn hunderttausend Menschen erwartet werden wären
ein paar Extrazüge nicht schlecht!
Helen Hofstetter
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