(Balingen, 27. und 28. Juni)
Schon als wir Freitagmorgen in Balingen eintrafen, erwartete uns eine kleine Überraschung, denn wo wir letztes Jahr noch mühelos einen Zeltplatz nach Wahl bekommen hatten, war um diese Zeit schon fast alles belegt. Dieser Umstand war glücklicherweise nicht durch eine restlose Überfüllung des Festivals bedingt, denn die Tickets waren
schließlich streng auf 22000 limitiert, sondern eher daran, das der Schlachtplan "Back To The Future" mit vielen Bands aus den goldenen Achzigern voll aufging und eigentlich niemand auch nur eine Note der Helden seiner Jugend verpassen wollte. Also Zelt aufgebaut, einen Begrüßungstrunk mit seinen Nachbarn genehmigt und nichts wie auf ins Festivalgetümmel.
Mit AXXIS als unseren persönlichen Opener für dieses Festival konnte eigentlich nicht viel schiefgehen und die einzige Sache die vielleicht enttäuschte war die neue Kurzhaarfrisur des Bassisten Kuno Niemeyer, der jetzt wirkte als ob er der Sendung "Superstars" entsprungen wäre. Eigentlich schade das man bei Festivalabstecher der Truppe wegen der limitierten Spielzeit größtenteils auf die lustigen Sprüche des
Ruhrpott-Originals Bernhard Weiss verzichten musste, aber so konnten Axxis durch ihre Musik überzeugen und das gelang ihnen voll und ganz. Selbst der erste und meines Wissen auch letzte heftige Wolkenbruch bei diesem Event konnte die Hardcore-Fans nicht vor der Bühne vertreiben und die Party ging mit den extrem mitsingkompatiblen Songs der Dortmunder Jungs unvermindert weiter. Die Songauswahl umfasste neben einigen Songs der neuen Scheibe "Eyes Of The Darkness" auch jede Menge Klassiker wie z.B. "Brother Moonlight", "Save Me" bzw. "Living In A World" und jeden der diese Show gesehen hatte wurde wohl augenblicklich klar was good old Frank Sinatra wohl mit seinem "Singing In The Rain" gemeint hat. Als Nachwirkungen dieser Visitenkarte hörte man noch Minuten nach dem Gig wie aus diversen Mündern irgendwelche Axxis-Refrains gesummt wurden. Well done Jungs !
Die Sonne meinte es wieder gut mit den Zuschauern (wie übrigens das ganze weitere Festival) und da passte es hervorragend, das die erste Band, die bei mir so richtige Sehnsucht nach guten alten Zeiten
wach werden lies auf die Bühne durften. Zwar sind die Jungs von DOKKEN, die erst vor kurzem Whitesnake und die Scorpions auf ihrer US-Tour supporteten, optisch ohne Zweifel etwas gealtert, dennoch war musikalisch alles im grünen Bereich und die melodischen Songs kamen hervorragend beim Publikum in Balingen an. Nach dem Auftritt verstummten dann wohl auch die letzten Stimmen, die die recht hohe Billingposition der Kapelle kritisiert hatten und es bleibt nur noch zu sagen: Dokken - die rocken !
Die Erwartungen die an die Show der Schweden von HAMMERFALL gesetzt wurden, waren dank diversen Gimmicks bei ihrer letzten Hallentour und dem atemberaubendem Headlinerauftritt beim Wacken Open Air fast astronomisch hoch angesiedelt. Doch Schaulustige, die den Weg zu Hammerfall nur wegen aufklappbaren Zugbrücken oder irgendwelchen spektakulären Bühnenaufbauten gefunden haben, wären besser beraten gewesen ihren Rausch im Zelt auszuschlafen, denn
außer dem "Crimson Thunder"-Backdrop und diversen Pyroeffekten, die bei
Tageslicht praktisch im Nichts verpufften, hielt man sich showtechnisch dezent zurück. Tragisch war dies für die überwiegende Mehrheit der anwesenden Personen natürlich nicht, denn Oscar "Die Rückkehr des Dosenpfandes" Dronjak und Co. sind im Gegensatz zu früher durchaus fähig nur mit ihren Songs die Massen zu begeistern. In Balingen praktizierten die Käckebrotländer diese Eigenschaft fast in Perfektion und boten ihren Anhängern eine bunte Mischung ihres bisherigen Schaffens, bei der von den sogenannten "Muss"-Songs eigentlich nur eine Quotenballade wie z.B. "Glory To The Brave" und das imposante "Templars Of Steel" dem Zeitdruck zum Opfer fielen. Starker, wenn auch nicht referenzwürdiger Auftritt der Vorreiter der "New Wave Of True Metal", der traditionell mit der Bandhymne "Hammerfall", sowie der obligatorischen Präsentation des nackten Hinters von Drummer Anders Johannson endete.
Auf den nächsten Act war ich im wahrsten Sinne des Wortes gespannt wie ein Flitzebogen, denn ein Konzert von Ronnie James DIO fehlte mir noch in meiner Sammlung der bereits live besichtigten Metalgötter. Leider konnte man diese Aktion mit einem früheren Weihnachtsfest vergleichen, da die Vorfreude
riesengroß und das Endergebnis eher enttäuschend war. Die ersten Stücke des kleine
Großmeisters wurden von einem fast unerträglichen Sound überschattet und als der Mischer dieses Problem endlich
einigermaßen in den Griff bekam, machte sich die
große Ernüchterung breit, da mir, als die Vocals deutlich an mein Ohr drangen, mindestens ein dutzend Sänger einfielen, die dem ganz in schwarz gekleideten Mr.Dio ohne Probleme das Wasser reichen können. Ob dies an seiner eventuellen schlechten Tagesform lag, oder er es einfach nicht besser kann, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall konnten selbst Megaklassiker wie z.B. "Holy Diver" oder "Rainbow In The Dark" meine Laune nicht wirklich bessern und ging statt die Legende noch einmal abzufeiern lieber ins Jack Daniels-Zelt, da weiss man wenigstens was man hat. Tja, und falls mich manche Leser nun der Gotteslästerung bezichtigen wollen, kann ich dies auch noch auf meine starken Schultern nehmen, da ich ja meinen Ruf als Redaktionsketzer gerecht werden muss.
Nicht nur unter freiem Himmel wurde beim Bang Your Head gerockt, denn für alle Hartgesottenen die nach dem regulären Freitagsprogramm die Nase immer noch nicht voll von Livemusik hatten, fand in der benachbarten Diskothek W.O.M eine Clubshow statt. In richtig familären Rahmen wurde für die Fans im wahrsten Sinne des Wortes Metal zum Anfassen geboten und seit der Tour mit
Helloween habe ich BLAZE nicht so engagiert wie bei der BYH-Clubshow gesehen. Die paar hundert anwesenden Nasen gingen ab als ob ihr Lieblingsteam gerade die Weltmeisterschaft gewonnen hatte und Blaze dankte es ihnen mit eigenen Krachern wie z.B. "Ghost In The Machine", "Kill And Destroy", sowie eine geniale Version des überlangen Maidenepos "Sign Of The Cross". Noch ein wenig gewöhnungsbedürftig ist der Anblick des neuen kahlköpfigen Bassisten der Band, dem man aber auf keinen Fall unterstellen könnte das er nicht mit vollen Einsatz bei der Sache und musikalisch seinem Vorgänger Rob Naylor zumindest ebenbürig war. Da wir uns von Rebellion, die
anschließend im W.O.M. an der Reihe waren, nicht den guten Eindruck eines genialen Gig von Blaze Bayley und seiner Truppe möglicherweise versauen lassen wollten,
verließen wir die Disco und gingen äußerst euphorisch ins Partyzelt.
Samstag, 28.Juni
Früh aufstehen war dann am Samstag morgen angesagt, denn schon um halb zwölf vormittags mussten MASTERPLAN auf die Bühne. Das Wecker stellen hat sich aber definitiv gelohnt denn die All-Star-Truppe bot, trotz des bescheidenen Sounds, eine Rockshow vom Feinsten. Ausnahmesänger Jorn Lande poste auf Teufel komm raus und sang die Titel, die alle vom Debütalbum stammten, nicht nur, er zelebrierte sie förmlich. Wenn jemand den Titel "Born As A Rock Star" verdient dann er und auch Ex-Helloween-Klampfer Roland Grapow stand Mr.Lande in fast nichts nach. Ebenfalls bemerkenswert waren wie immer der Bass in Haifischform von Jan Eckert, sowie die ulkigen Ausflüge des Keyboarders Axel Mackenrott, der wenn er nicht in die Tasten hauen musste wie ein Irrwisch über die Bühne fegte und die Musik seiner Jungs abfeierte. Soviel
Ausstrahlung, Power und genialer Melodic-Metal kann für die Zukunft nur bedeuten, das die Truppe bei kommenden Festivals zumindest durch ein Mittagessen bzw. Abendessen gestärkt auf die Bühne dürfen. Der Masterplan schreitet also ohne Zwischenfälle
voran.
Alles andere als Rockstargehabe legten dann die Schwaben von BRAINSTORM bei ihrem Heimspiel an den Tag. Andy B.Franck gehört ja sowieso zu den talentiertesten und sympathischten Frontmännern der Szene und diesen Ruf stellte er durch seine Gesangsleistungen bzw. das Verschenken von etlichen Brainstormshirts wieder einmal unter Beweis. Fans die so ein Leibchen gefangen hatten, sollten dies zwecks Wertsteigerung gut zu Hause aufheben, denn
all zuviel sollte es von dem Zeug nicht mehr geben, wenn man bedenkt das der dunkelhaarige Hühne leicht übertrieben ausgedrückt fast das gesamte Brainstorm-Merchandise in die gierige Menge warf. Premieren, in Form von Songs des zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhältlichen brandneuen Albums "Soul Temptation" (Review übrigens in dieser Ausgabe), wurden dem Publikum auch noch von den technisch versierten Powermetallern dargeboten und bei "Shivas Tears" gab es sogar eine Bühnenshow, in Form von drei orientalischen Tänzerinnen zu bewundern. Very strange also das Ganze. Soviel kleine Sachen, die dem Powermetaller Freude machen, wurde natürlich
bedingungslos von den Fans bejubelt und meinen Applaus hatte der Fünfer schon zu dem Zeitpunkt sicher als sie meinen Lieblingstrack "Under Lights" anstimmten.
Nach ca. zwei Jahren Live-Pause, deren Grund eine komplizierte Handverletzung von Gitarrero Alfred Koffler war, meldeten sich PINK CREAM 69, verstärkt durch einen weiteren Gitarrist, wieder auf den Bühnen dieser Welt zurück. Zur Zeit scheint es irgendwie in Mode zu kommen, das sich alteingesessene Bands mit einem jungen, kurzhaarigen Schönling verstärken (siehe Helloween), der seine Sache bei PC69 jedoch gut machte und Alfred Koffler, der krankheitsbedingt mit größtenteils nur zwei Fingern(!) sein Instrument bearbeiten konnte, tatkräftig unterstützte. Wer trotz eines solchen Handicaps noch
dermaßen fehlerfrei und schnell seine Axt beherrscht wie Alfred Koffler auf dem BYH, gehört wirklich zu den ganz Grossen seiner Zunft. Respekt, Herr Koffler ! Anhand dieser Tatsachen war es auch zu verschmerzen das die Pinkies nicht einen Track ihres neuen Albums "Endangered" spielten. Dafür gab es ein Best-Of-Programm aus den vielen restlichen Alben, das mit "Keep Your Eyes On The Twisted" startete und Klassiker wie "Welcome The Night", "Talk To The Moon", "Seas Of Madness", "Break The Silence" und viele andere mehr beinhaltete. Mir fällt so spontan keine andere Band ein, die mit ihren Melodicsound einen so
dermaßen genialen Groove erzeugt und zudem noch recht anspruchsvolle Lyrics darbietet. Frontröhre David Readman, der sich neuerdings mit gestutzter Haarpracht und erstaunlichen Verbesserungen in den Kenntnissen der deutschen Sprache präsentierte, heimste mit seiner Aussage,
dass der Rock N`Roll zurück und das ganze gecastete Superstarzeug der größte
Scheiß sei, zustimmenden Applaus vom anwesenden Volk ein. Diese Art der Beifallsbekundungen gab es auch nach dem letzten Song "Shame" und nach diesem starken Comeback kann sich die Metalgemeinde sicher sein das es wieder aufwärts mit Readman und Co. geht.
Der letzte Auftritt von OVERKILL auf dem Bang Your Head-Open Air musste ja wegen einem gesundheitlichen Zusammenbruch des Frontmanns sehr kurzfristig abgesagt werden und sogar Gerüchte das Blizz dabei das Zeitliche gesegnet habe, machten damals auf dem Festivalgelände die Runde. Nein, wie ein Geist sah der Sänger der Amis anno 2003 wirklich nicht aus und dies musste er auch gleich mal in einer Ansage klarstellen. Die Band feuerte ihren druckvollen U.S-Metal mit dermassen Energie in die gierige, zahlreich erschienene Meute, das man denken könnte, sie wollten etwas gutmachen und diese geniale Stimmung konnte bis zum Ende der offiziellen Spielzeit von 60 Minuten beibehalten werden. Höhepunkt, wie bei jedem Overkill-Gig, war natürlich wieder die Hymne "In Union We Stand", die lauthals von den meisten der anwesenden Besucher mitgegröhlt wurde. Es scheint als könnte wirklich nur Gevatter Tod die US-Boys stoppen könnte.
Ohne der Band zu Nahe treten zu wollen, fand ich die Co-Headlinerposition für THIN LIZZY von Anfang an ein wenig Suspekt, da die Truppe ohne ihren charismatischen, leider viel zu früh verstorbenen Frontmann nur die Hälfte wert ist. Traurig aber wahr. Die Jungs machten ihre Sache dennoch richtig gut und schafften es durchaus das Publikum mit ihrem Old-School Hardrock bei Laune zu halten, obwohl die häufigen Forderungen nach dem Song "Whiskey In The Jar", der durch die Neuinterpretation von Metallica wieder richtig trendy geworden war, ungehört im Schwabenwind verhallten. Auf "The Boys Are Back In Town" zu verzichten konnte sich Thin Lizzy natürlich nicht erlauben und so endete ein entspannter Trip in die guten alten Zeiten bzw. die Ruhe vor dem Sturm der gleich in Balingen in Form von Twisted Sister losfegen sollte.
Nun war er also der Augenblick gekommen, auf den die meisten der Festivalbesucher so sehnsüchtig gewartet haben. Während vor zwei Jahren Dee Snider noch solo mit Songs seiner Ex-Band das BYH begeisterte, war es dieses Jahr also soweit und TWISTED SISTER spielte in Orginalbesetzung eine Reunionshow auf europäischen Boden. Ich glaube die verdrehten Schwestern sind auch die einzige Band, die es sich erlauben können, als Intro einen eigenen Song vom Band spielen zu lassen, doch nach diesem seltsamen Vorspiel stürmten die Mädels äähhh betagten Herren in ihren Orginalkostümen die Balinger Bühne und ein wenig achziger Jahre-Spirit war unbestritten in der Luft. An der Show von Dee Snider und Co. war auch ohne Vorkenntnisse zu erkennen, das die Herren Musiker aus dem Land der Unbegrenzten Möglichkeiten stammten, denn jede Menge übertriebenes Palaver, bunte Bälle mit denen das Publikum spielen durfte und ein beim Drumsolo in die Höhe
steigendes
Schlagzeug waren im Mittelpunkt. Amerikanisches Entertainment hatte also Einzug in die schwäbische Provinz gehalten. Ein Fan neben mir, der vom Aussehen her wohl noch die Twisted Sister-Hochzeit live miterlebt haben durfte, war völlig begeistert von dieser Show und schwärmte mir vor, das TS genauso geil wie früher sind, nur das sie heutzutage sogar ihre Instrumente beherrschen. Aha, jetzt wissen wir also was die Truppe in der letzten Zeit so getrieben hat. An der Setlist, die ein absolutes Best-Of Programm der Sisters darstellte, gab es nix zu mäkeln, an der Interpretation bzw. dem gut gemischten Sound auch nicht und auch in Sachen Agilität mach vor allem Mr.Dee Snider den meisten jungen Hüpfern noch etwas vor. Das Publikum dankte es ihnen und "We`re Not Gonna Take It" musste sogar dreimal wieder von der Truppe angespielt werden, weil die Zuschauermenge nicht genug davon bekam. Mit einem gigantischen Abschlussfeuerwerk und dem Versprechen (für einige wenige dürfte es auch eine
Drohung gewesen sein) nächstes Jahr wieder an den selben Ort zurückzukehren ging die Twisted Sistershow bzw. das BYH 2003 zu Ende und wer noch nicht genug von den Hardrock-Ikonen bekommen hatte, hätte nur einmal über den Campingplatz spazieren müssen, wo einem jeder nur erdenkliche TS-Song aus den Stereoanlagen der Fans nocheinmal entgegenschallte.
Das absolut fannahe Bang Your Head hatte es erneut geschafft sich wieder ein wenig zu steigern und bleibt die absolute Referenz in dieser Festivalkategorie. Es gab wirklich keinen entscheidenden Faktor, an dem ich etwas auszusetzen hätte, denn egal ob
Billigzusammensetzung, Campingplätze, hygienische Bedingungen, Essen, Vergnügungsmöglichkeiten usw., dieser Jahr war wirklich alles Top ! Macht weiter so und wir freuen uns schon jetzt auf ein erneute, stressfreie 2-Tages-Party mit Stars zum Anfassen in Balingen nächstes Jahr !
Manuel Liebler
Internet:
www.axxis.de
www.hammerfall.net
www.ronniejamesdio.com
www.planetblaze.com
www.master-plan.net
www.truemetal.org/brainstorm
www.pinkcream69.de
www.thinlizzy.com
www.twistedsister.com
www.bang-your-head.de
|