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Musik an sich
 
Edvard Grieg: Lyrische Stücke
Bereits erschienen (EMI)
Spätromantik
Cover
 

(Leif Ove Andsnes)

Kann zutiefst national geprägte Musik nur von Landsleuten des Komponisten wahrhaftig interpretiert werden oder trübt zuviel Verbundenheit dann doch den Blick? Der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes legt eine Auswahl jener Miniaturstücke für Klavier vor, die der Norweger Edvard Grieg zwischen 1867 und 1901 komponiert hat. Gelegenheit also, eine Antwort auf die Ausgangsfrage zu suchen.

Der berühmte "Hochzeitstag auf Troldhaugen" darf selbstredend auf der CD nicht fehlen, aber im übrigen hat Andsnes einen klugen, abwechslungsreichen Querschnitt gewählt, der Grieg als Meister der feinsinnigen Idee ausweist, als Komponisten mit Raffinesse, welche ihm oft schon zu Lebzeiten ungerechterweise abgesprochen wurde. Sicher, mehr als behagliche musikalische Behausungen wollte Grieg nach eigenen Worten für die Menschen nicht schaffen. Das aber ist ihm dann auch gelungen.

Kleine, bunte, skandinavische Häuser aus Musik sind so entstanden: Bescheiden, einfach und oftmals im indifferenten Licht nordischer Sommernächte erscheinend, überzogen von einem Hauch Melancholie.

Und insofern mag es zutreffen: Wer diese ganz eigene Welt und ihre Stimmungen nicht kennt, wird Grieg schwerlich so bezaubernd spielen können, wie es nötig ist, um den Hörer mit in sie hinein zu nehmen.

Andsnes versteht dies trefflich. Im Vergleich zu der Einspielung einiger Lyrischer Stücke, die er 1991 bei Virgin Classics vorgelegt hat (zusammen mit einer noch immer fulminant zu nennenden Interpretation des Klavierkonzerts von Grieg - Empfehlung!!), zeigt sich hier ein reiferer, abgeklärterer Interpret, der sich selbst zurücknimmt. Dieser Eindruck wird noch durch die Wahl von Aufnahmeort und Instrument verstärkt: Um die Authentizitätswelle auf einen neuen Höhepunkt zu treiben, entschloß man sich, nicht nur auf Griegs eigenem Steinway von 1892 zu spielen, sondern dies auch noch gleich vor Ort, nämlich im Haus des Komponisten, dem heutigen Grieg-Museum in Troldhaugen.

Die Tontechniker haben es indes geschafft, einen "Wohnzimmersound" weitgehend zu vermeiden. Der Klang ist zwar recht trocken, aber dieser Art Hausmusik durchaus angemessen.

Kurz, der insgesamt behutsame, im besten Sinne "lyrische" und dabei technisch einwandfreie Zugriff auf die Stücke macht die CD zu einer großartigen Werbung für einen unterschätzten Komponisten, ein liebenswertes Land mit beachtlicher nationaler Musiktradition und nicht zuletzt für den Pianisten selbst.

Wer es klein, zart, schlicht mag, um zur Ruhe zu kommen und sich an andere Orte zu träumen, wird an dieser Aufnahme viel Freude haben.

Repertoire: 4 Punkte
Klang: 4 Punkte
Interpretation: 4 Punkte
Edition: 4 Punkte

Gesamt: 16 Punkte

Sven Kerkhoff

 

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