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Musik an sich
 
Festivalbericht vom With Full Force 2002
 

Dieses Jahr handelten die Initiatoren des Full-Force getreu nach dem Motto "Nomen est omen", den die meisten der 70 Bands die den Weg aufs Flughafengelände von Roitzschjora fanden, gehörten den extremeren Genres der harten Gitarrenmusik an. Auch anno 2002 gab es neben der Hauptbühne die Tentstage, die tagsüber für den Hardbowl (Europas grösstes Hardcore bzw. Punkevent 2002) und zu fortgeschrittener Stunde für diverse Special Events zur Verfügung stand. Neben den lustigen Feieraktivitäten und den daraus resultierenden Erholungspausen hat euer Musikansich-Abgesandte natürlich auch ein paar interessante Bands für euch begutachtet und was dabei rausgekommen ist lest ihr hier.

Freitag 05.Juli

ARCH ENEMY aus dem Land des Knäckebrots war also die erste Band die Wein, Weib und Gesang vergessen lies und mich magisch Richtung Hauptbühne zog. Falls man die Band noch nicht kannte, musste man(n) schon ein paar Mal hinschauen, um sicher zu sein das die Äuglein dem Betrachter keinen Streich spielten und dort tatsächlich eine Frau die rauhen Vocals ins Mikro grunzte. Diese jedoch machte ihre Sache sehr gut und das Publikum war (wie erfreulicherweise bei fast jeder Band des Festival) extrem gutgelaunt und ging wie ein sechster Mann bzw. Frau mit. Höchstnoten holte sich die Band vor allem bei den dargebotenen Stücken ihres neuen Longplayers "Wages of Sin", die sich ein wenig von der derben Trash bzw. Deathmetalmixtur verabschiedeten und durch melodische Einsprengsel die musikalischen Fähigkeiten der Musiker erkennen liessen.

Bleiben wir doch gleich bei den Combos aus dem Reich Ikea`s und ziehen uns mal HYPOCRISY rein. Multitalent Peter Tägtgren und seine Stammformation schienen relativ nüchtern, im Gegensatz zu einer der letzten dieser Veranstaltungen zu sein und es blieb auch alles im Peterle drin was da reingehört, ausser natürlich seine markanten Vocals. Die Schweden lieferten einen souveränen Auftritt ab und vor allem bei den eingängigeren ihrer atmosphärischen Songs war vor der Bühne im wahrsten Sinne des Wortes der Teufel los. Das Hochprozentige Zeug das bei Peterchen und seinen Freunde anschliessend sicherlich die Kehle heruntergeflossen ist, haben sie sich auf jeden Fall redlich verdient.

Nach einer der allgemein relativ kurz gehaltenen Umbaupausen war auch schon der Metal-God himself Rob HALFORD und seine um einige Jahre jüngere Truppe an der Reihe. Der Frontmann machte seinem Vornamen alle Ehre und wirkte in seiner Lederkluft und seinem Auftreten wie ein Metal-Roboter, der aber verdammt gut singen kann. Rob(oter) legte das Hauptaugenmerk seiner Songauswahl auf sein Quasi-Comeback-Scheibchen "Ressurection", aber auch Songs aus dem zu dem Zeitpunkt gerade veröffentlichten neuen Longplayer und dem Judas-Priest-Backkatalog wurden der True-Metal-hungrigen Meute präsentiert. Ein dickes Lob muss auch der super eingespielten Instrumentalabteilung gemacht werden, die sich keine höhrbaren Fehler erlaubten und einen tollen Sound zu Tage brachten.

Tja, und was die tagsüber über den Zeltplatz hallenden "Schlayyyyyeeerrrr" Kampfschreie schon ankündigten wurde am späten Abend Realität. Die Kings des Trashmetals SLAYER waren Headliner an diesem Tag und auch die Leute im Publikum die die Jungs aus irgendeinem Grund nicht besonders leiden können, müssen von dem Auftreten des Amis begeistert sein. Durch den Kunstnebel und die Lichter konnte man beobachten, wie sehr Araya, King, Hannemann und Lombardo doch bei der Sache waren und der Star der Band eindeutig, fast wie bei unserem Nationalteam, die Mannschaft war. Auch mit den aus tausend Kehlen geforderten Hits wurde nicht gespart und Slayer erwies sich als würdiger Headliner, auch wenn die berühmten Kampfschreie an den nächsten Tagen auf dem Campinggelände zunehmend verstummten.

Samstag 06.Juli

Um 16.55 Uhr hatte man endgültig ausgeschlafen, dem bösen Kater das Maul gestopft und so war das Hirn auch frei für den teutonischen True-Metal von GRAVE DIGGER. Aus Angst das destruktive Fans irgendwelcher Hüpf-Combos sich im Pogopit selbst gefährden, hatten die Veranstalter am heutigen Tag eine Riesenladung Heu vor der Bühne verteilt und sich wohl damit selbst ein Eigentor geschossen, da dieses weiche Material sich hervorragend für eine lustige Heuschlacht eignet, bei der auch die Bands grosszügig miteingeschlossen wurden. Die Grabschaufler orientierten sich dadurch unbeeindruckt bei ihrer Setlist sehr an ihrer neuen Live-CD bzw DVD "Tunes of Wacken", was bedeutete das nur der Rahm von der Milch abgeschöpft wurde und das Programm Best-of-Charakter hatte. Sänger Chris Boltendahl war super drauf, grinste bei den heftigen Publikumsreaktionen wie ein Honigkuchenpferd, schwärmte wie geil das Ganze von oben aussieht und versprach statt irgendwelcher Mitsingspielchen einen Track zusätzlich zu spendieren. Die zwei letzten Stücke des gelungenen Auftritts waren traditionell "Rebellion" gefolgt vom kultigen "Heavy Metal Breakdown" und einen bessern Kommentar als Olle Bolles Spruch über die Wetterlage hätte ich auch nicht zusammenbekommen: "Scheiss Regen !"

Stimmungsgarant, vor allem bei Heimspielen in östlichen Gefilden der Republik, und deshalb sehr gerne gesehene Gäste sind natürlich SUBWAY TO SALLY. Ihre Show war trotz diversen Problemen an der Geige und eines recht unvorteilhaft gekleideten Frontmanns, wie immer faszinierend und wurde nie langweilig. Ob dies nun an den starken Songs, dem starken Einbezug des Publikums oder diverser Showeinlagen lag, sei dahingestellt. Die Mischung machts halt und statt sich wie am folgenden Tag der Sänger von In Extremo zu verstellen, blieben die sieben Potsdamer immer natürlich, was einen sympathischen Eindruck erweckte auch wenn das oft geforderte "Räuber" diesmal nicht zum Einsatz kam. Noch ein lauter, frenetischer "Schreiiiiii" für die Subways, bevor wir uns wieder in härtere Gefilde begeben.

Das Bühnenbild bei KREATOR war im Look des neuen Albums der Ruhrtrasher gehüllt und mit dem Titeltrack von "Violent Revolution" begann auch der erstmalige Full-Force-Abstecher der Band um Frontmann Mille Petrozza. Es hatte den Anschein als ob sich auch alles weitere um diesen nicht mehr ganz so jungen Herren, bei der meiner Meinung nach besten Trash-Metal-Band Deutschlands, drehte und seine Mitstreiter fast nur nettes Beiwerk waren. Dieser Umstand änderte aber nichts an der starken Visitenkarte Kreators auf dem Full-Force und der Erkenntnis das die Band endgültig wieder auf "trashigere" Pfade sicher zurückgefunden hat, ohne dabei Ansehen zu verlieren. Ganz im Gegenteil, Kreator sind authentischer den je.

Ebenfalls gegen irgendwelche modernen Richtungswechsel hat sich seit eh und je der Headliner dieser Samsnacht MOTÖRHEAD gewehrt. Die Altmeister kickten wieder, wie am Beginn der Show angekündigt, Ass und auch sonst änderte sich nicht viel an der Show des traditionsbewussten Dreiers. Lemmy verspeiste wieder fast seinen Mikroständer beim singen oder beim fleissigen Aufsagen der auswendig gelernten deutschen Wortfetzen, der Set bestand überwiegend aus Klassikern und Drummer Mickey erweckte wieder den Eindruck, als wäre er der erste Mensch der mit sechs Armen zu Welt gekommen ist, bei seinem gewaltigem Schlagzeugspiel. Trotz allen vordergründigen Banalitäten, bei Motörhead stimmt einfach das Rezept und man kann ohne überkreuzte Finger laut sagen : "Lemmy und seine Mannen rockten das Festival und sind beliebter als je zuvor", was man sicher auch an dem Sieg in der inoffziellen Metalshirt-Meisterschaft des Festivals ausmachen konnte.

Den einzigen Abstecher ins bis zum Anschlag gefüllte Zelt machten wir diesen Samstag zu den Fastnationalhelden KNORKATOR, die vor einigen Jahren unser drei Farben fast beim Europäischen Schlagergrandprix vertreten hatten. Wenn man sein Gehirn an irgendeinem Stand abgibt ist die Show der Combo allerbestes Entertainment und passte prima in das Motto des heutigen Zeltabends "Saturday Night Fever". Im Gegensatz zu Gitarrist Buzz Dee, der wie immer Mr.Cool in Person mimte, gaben sich Stumpen und Alf Ator dem fiebrigen Schwachsinn hin. Bemerkenswert neben den allseits bekannten lyrischen Ergüssen, war der Stagedivingsprung Stumpens aus mindestens sechs Meter Höhe, dessen Ganzkörpertätowierungen jetzt wohl blau oder rötlich statt grün schimmern.

Sonntag 07.Juli

Tja, der letzte Tag des WFF ist angebrochen und wer sonst kann den Schmerz des baldigen Abschieds ein wenig lindern als die Spass-Metaller von J.B.O. Neben Standards wie z.B. "Verteidiger des Blödsinns" oder "Ein guter Tag zum Sterben" hatten die Franken auch zwei neue Songs im Gepäck. Der erste nannte sich "Ich will Lärm", ähnelte in den Strophen durch den fränkischen Gesang etwas dem Liedchen "Hose runter!" von der "Laut" um dann in einen einprägsamen Metal-Refrain mit Punkeinflüssen zu explodieren. Der zweite neue Track ist einfacher zu beschreiben, den endlich haben die rosa Jungs aus Franken ihrem Motto "Arschloch und Spass dabei" einen Song gewidmet und dazu die Melodie von Bloodhound Gang`s "Fire Water Burn" mit einem wirklich witzigen ironisch selbstherrlichen Text versehen. Das Publikum zeigte trotz des fortgeschrittenen Laufs des Festivals keine Ermüdungserscheinungen und sogar eine Polonäse konnte identifiziert werden. Zu dieser guten Stimmung trugen sicherlich die Showeinlagen bei, den passend zum gestrigen Headliner durfte Hannes sich als "wahrer Lemmy" versuchen und man merkte an der Authentität des Gesangs an, das sich die Jahre in der überwiegend Covers spielenden Band "Justice" richtig für Herrn G.Laber gelohnt haben.

Um sich die Zeit bis zu In Extremo zu vertreiben, war man gezwungen den Gossen-Punk von THE EXPLOITED beizuwohnen. Einziger Grund der das Auftreten auf der Mainstage rechtfertigt, war meiner Meinung nach der Kult der die Punkveteranen umgibt, die die Hochzeit des Punks noch selbst miterlebten. Technisch gesehen war das Ganze natürlich wie immer eine Lachnummer, aber Punk in dieser ursprünglichen Form erhebt gar keinen Anspruch auf musikalische Brillanz und mit Texten die manchmal nur aus drei Worten, nämlich z.B. "Sex and Violence" bestehen, sagt man mehr als mit 1000 Worten. Oder ?!?

Mit etwas Skepsis erwartete ich den Auftritt von IN EXTREMO, den auf dem Summer Breeze letztes Jahr entäuschten mich die Mittelalter-Metaller schon ein wenig. Gerade deswegen war ich sehr über die gelungene Show der Band überrascht, bei denen die Setlist, mit hauptsächlich vom Härtegrad nach oben angesetzten Songs, endlich stimmte und Sänger "Das letzte Einhorn" wegen der kurzen Spielzeit bei diesem Festivalgig auf seine gekünstelten Ansagen verzichten musste. Leider musste sich gerade der Gitarerro der Truppe, der Show wegen, etwas optisch zurückhalten, obwohl ihm Dank seinen Rammsteinartigen Riffs ein Riesenstück des heute sehr leckeren In-Extremo-Kuchens gehörte. Alles also musikalisch im dunkelgrünen Bereich, nur ein wenig mehr Pyroshow und die Bandhymne "In Extremo" hätte ich zum Abschluss meines Full-Forces 2002 noch erwartet.

Für die meisten Besucher war dieses Full Force ein gelungenes Festival, auch wenn die Veranstalter sich einen Gefallen tun würden ein wenig mit dem Fuss vom Gas zu gehen und nächstes Jahr ein paar mehr allgemeinverträgliche Bands an Land zu ziehen, denn sonst fällt dieses Festival in der berühmten Hard Union doch ein wenig zu sehr aus der Reihe.

MANUEL LIEBLER

 

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