Sainte-Colombe, J. d. – Marais, M. (Rignol. M. – Vialle, M.)
Stücke für zwei gleiche Gamben
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Info |
Musikrichtung:
Barock Gambe
VÖ: 02.07.2021
(CVS / Note 1 / CD / DDD 2020 / Best. Nr. CVS043)
Gesamtspielzeit: 79:39
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GESPIEGELTE RESONANZEN
„La Majestueux“ – Der Titel des Konzerts Nr. 60 für zwei „gleiche Gamben“ von Jean de Sainte-Colombe, dem legendären Erfinder der siebten Gambensaite, könnte gleichsam als Titel über dem gesamten Album stehen. Denn durch den sinnlich-reifen Ton, den die jungen Künstlerinnen Myriam Rignol und Mathilde Vialle ihren beiden Instrumenten auf dieser Aufnahme entlocken, klingt das erste Stück genau so: majestätisch.
Über die dreieinhalb Minuten, die diese Komposition währt, öffnet sich ein Klangraum von Weite und Erhabenheit, der in opulenten Dunkelrot-, Kupfer- und Goldtönen ausgeleuchtet ist. Mitunter wirken die beiden auch satztechnisch eng verflochtenen Gamben wie gegenseitige Abbilder – man durchschreitet in diesem und den folgenden Duos eine Art musikalische Spiegelgalerie mit vielfältigen Brechungen und Reflexionen. Dann wieder erzeugt der klar fokussierte Ansatz der beiden Spielerinnen auf ihren „gleichen Instrumenten“ den Eindruck einer „Super-Gambe“, die die Resonanzknotenpunkte auch im Körper des Hörers in Schwingung versetzt.
Die konzentrierte Ruhe ihres Musizierens lässt die zahlreichen Miniaturen des Programms, zu denen neben vier Konzerten von Sainte-Colombe auch zwei Suiten aus dem ersten Buch seines Schülers Marin Marais gehören, überraschend „groß“ klingen. Das ergreifende „Tombeau de Mr. Méliton“ beispielsweise hat da fast die Anmutung eines langsamen Satzes aus einer Bruckner-Sinfonie (dies nicht, weil hier etwas „breit ausromantisiert“ würde, sondern im Blick auf eine vergleichbare meditative Intensität und Vertiefung der Interpretinnen in das Material hinein). Der sehr sanglich-vokale, körpernahe Grundklang, der in der Umgebungsstille des Raumes aufleuchtet, ist gleichsam das akustische Signet dieser Produktion. Auf dieser Basis hat die Musik auch in den virtuosen Momenten einer Chaconne oder den berühmten „Couplets de Folies“ von Marais immer ausreichend Luft, vertanzt sich nie bis zur Atemlosigkeit.
Sinnig ist das Programm aufgebaut: Nach der zunächst noch puren Gambenbesetzung ohne Generalbass treten nach und nach Theorbe bzw. Barockgitarre (Thibaut Roussel) und ein Cembalo (Julien Wolfs) hinzu. Man hört, dass die harmonische Bereicherung durch das Continuospiel ohne Zweifel ein großer Gewinn gewesen ist. Freilich fehlt auf dieser Platte auch der reinen Gambenbesetzung nichts Substantielles, sie offenbart vielmehr, dass dieses Instrument von den Musizierenden genutzt wurde, um mit ihm sensibel und diskret feinste Gefühlsregungen auszudrücken. Man spielte für sich selbst, vielleicht für einige Kenner und Liebhaber. So ist Sainte-Colombes Musik trotz der programmatischen Titel gleichsam „klösterlich“ nach innen gekehrt. Sein Meisterschüler Marais, der ja auch Opern komponierte, macht aus der Gambe dann eine ausgesprochen wandlungsfähige Darstellerin auf der Bühne des barocken Welttheaters, die gehört und gesehen werden möchte. Intimität und Kontemplation stehen so am Anfang, bevor die Gambe auch zu einer mitunter extravaganten Akteurin auf der kammermusikalischen Bühne wurde.
Diese Entwicklung vollziehen Rignol und Vialle mit ihren beiden Begleitern durch diesen „Gamben-Digest“ auf überzeugende Weise mit – nich nur die letzten Töne ihrer schwungvollen Folia-Variationen klingen noch lange im Hörer nach.
Georg Henkel
Trackliste |
Sainte-Colombe: Concert LX "La Majestueux"; Concert XLIV "Tombeau Les Regrets"; Concert LXI "Le Varie"; Concert XXI "Le Villageois"; Marais: Suiten d-moll & G-Dur; Livre 2 de Pieces de Viole; Lemoyne: Prelude g-moll für Theorbe; Marchand: Prelude d-Moll für Cembalo |
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Besetzung |
Myriam Rignol & Mathilde Vialle: Viola da Gamba
Thibaut Roussel: Theorbe & Barockgitarre
Julien Wolfs: Cambalo
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