The Obsessed
Sacred
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Scott „Wino“ Weinrich hat mittlerweile eine ganze Handvoll Bands rund um die Doomszene in seiner Visitenkarte stehen – der Metalhistoriker aber verbindet seinen Namen primär mit zwei Formationen: Saint Vitus und The Obsessed. Während erstere allerdings Gitarrist Dave Chandler als unbestrittenen Bandkopf hatten und alle weiteren Mitstreiter „nur“ Beiwerk waren (wenngleich durchaus wichtiges), so ist die Konstellation bei The Obsessed ähnlich, aber in bezug auf Weinrichs Person reziprok: The Obsessed sind „seine“ Band, ohne Wenn und Aber. Dass der hier sowohl singende als auch Gitarre spielende Weinrich sein Ding ohne Kompromisse durchzieht, wird schon in der frühen Bandhistorie deutlich, als er in den Mittachtzigern klassischen Doom spielte, als kaum ein Hahn nach diesem Stil krähte, Black Sabbath nach dem unterschätzten Born Again-Album in ein strukturelles Tief gerieten und verwandte Fanatiker wie Leif Edling mit Candlemass oder eben Chandler mit Saint Vitus noch in den Startblöcken hockten oder diese gerade erst verlassen hatten. Bestes Zeichen für die Nischenrolle des seinerzeitigen Dooms ist, dass Metal Blade The Obsessed zwar für den Song „Concrete Cancer“ einen Platz auf dem sechsten Metal Massacre-Sampler einräumten – diese Samplerreihe besaß seinerzeit noch wegweisenden Charakter in der Metalszene –, aber das anschließend eingespielte selbstbetitelte Debütalbum nicht veröffentlichen wollten. Das kam dann erst ein halbes Jahrzehnt später bei den Berliner Freaks Hellhound Records heraus, die auch für die Folgewerke Lunar Womb und The Church Within verantwortlich zeichneten, bevor sowohl die Band als auch das Label in den Mittneunzigern in der Versenkung verschwanden. Letzteres blieb auch dort, von Weinrich hingegen hörte man immer wieder etwas Neues, ob nun temporär bei Saint Vitus, als Solokünstler oder bei neuen Bands wie Shrinebuilder.
Erst 2012 taten sich The Obsessed wieder zusammen, zunächst für vereinzelte Gigs, aber nun gibt es auch ein neues Album namens Sacred, eingespielt wieder in einer klassischen Triobesetzung, aber ohne einen der früheren Weinrich-Mitstreiter, von denen nichtsdestotrotz einige temporär zur neuzeitlichen Livebesetzung gehört hatten. Hier dagegen hören wir Drummer Brian Costantino und Bassist Dave Sherman, wenngleich die zentralen Akzente natürlich nach wie vor Weinrich selber setzt. Dass der auch nur einen Millimeter vom gewohnten The Obsessed-Pfad abweichen würde, war nicht zu erwarten und tritt somit auch nicht ein – aber ein paar Mikrometer sind’s dann doch geworden, also Verfeinerungen des typischen doomrockigen Stils der Band. Im Intro von „Punkcrusher“ etwa erklingt ein Gitarreneffekt, den man im Schaffen von Monster Magnet häufig findet – das ist einer von zwei Songs, die Drummer Costantino mitkomponiert hat, und so könnte es auch sein, dass diese Idee auf ihn zurückgeht, während das für Doomverhältnisse ziemlich flotte Tempo auch Weinrichs Gedanke gewesen sein kann, denn reine Schleicher waren The Obsessed schon früher nicht, sondern wußten die Geschwindigkeit geschickt zu variieren. Die Hammondorgel in „Perseverance Of Futility“, deren Bediener anonym bleibt, darf gleichfalls als Bereicherung gewertet werden und unterstreicht die musikalische Verortung des The Obsessed-Sounds in den Siebzigern ebenso wie die Wahl der Coverversion: „It’s Only Money“ stammt original vom 1974er Thin Lizzy-Album Nightlife, und die Tatsache, dass Weinrich keinen der großen Lizzy-Hits, sondern ein kaum im Fokus der Betrachtungen stehendes Stück gewählt hat, könnte durchaus ein weiteres Symbol für seine Sympathien gegenüber den Unterprivilegierten sein, die er ja allein schon mit seiner Genrewahl eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat: Will man reich und berühmt werden, spielt man andere Musik, aber keinen Doom. Kurioserweise gerät „It’s Only Money“ in der Gesamtbetrachtung des Albums allerdings zu einem seiner schwächsten Songs – nicht richtig schlecht natürlich, aber vergleichsweise unauffällig. Da strahlt das anschließende Instrumental „Cold Blood“ deutlich heller, wenngleich auch dieses auf einer ganz simplen Grundidee beruht, die The Obsessed dann allerdings in sehr geschickter Weise variieren und die Einfälle in ideenreicher und nachvollziehbarer Manier verknüpfen.
Leider gelingt letztgenannter Aspekt nicht in allen Songs. Schon der Opener „Sodden Jackal“ hebt zwar mit klassischen Doomriffs an, wie sie klassischer nicht sein könnten, klebt dann aber einen schnellen Part ein und hängt nach einer Generalpause noch einen andersartigen Doompart an, bei dem man aufs Display des CD-Players schauen muß, ob man sich nicht vielleicht schon im zweiten Song befindet, so unzusammengehörig wirkt das Ganze. Auch in „Stranger Things“ wollen das Intro und die für sich genommen brillante Hauptteilhymne nicht so recht aneinanderpassen. Dass The Obsessed ihre Arrangements eher kompakt gestalten, kennt der Altfan dagegen bereits von den drei früheren Alben – Doom muß keineswegs epische Songlängen zur Folge haben, The Obsessed setzen überwiegend auf Drei- bis Vierminüter und schaffen es nur in Ausnahmefällen mal über die Fünf- oder gar Sechsminutenmarke, auf Sacred zweimal ersteres und einmal letzteres, aber mathematisch auch nur, weil der Sechsminüter ja auch die Fünfminutenmarke übersprungen hat. Da die ganze Platte bei zwölf Songs nur 43 Minuten dauert, folgt logisch das Vorhandensein etlicher kurzer Kompositionen, wobei die flotten „Haywire“ und „Be The Night“ in ihren jeweils reichlich zwei Minuten aber auch schon alles mitzuteilen scheinen, was relevant ist (coole Iommi-Gedächtnis-Leads in letzterem!), während am Ende des Albums ein Scherz lauert: ein nicht mal halbminütiges Instrumental, das nicht etwa „Outro“ heißt, sondern „Interlude“, obwohl danach nichts mehr kommt. So beweisen The Obsessed wieder einmal ihre Verschrobenheit, die man aber durchaus sympathisch finden kann, und wer die ersten drei Alben schätzte, der kann sich auch das im mit Goldfolie geprägten, sonst aber recht düsteren Digipack samt Booklet mit allen Texten und moderner Malerei aus Winos Pinsel erschienene Sacred bedenkenlos ins Regal stellen.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Sodden Jackal | 4:23 |
2 |
Punk Crusher | 3:43 |
3 |
Sacred | 5:11 |
4 |
Haywire | 2:24 |
5 |
Perseverance Of Futility | 4:02 |
6 |
It's Only Money | 2:34 |
7 |
Cold Blood | 4:47 |
8 |
Stranger Things | 6:21 |
9 |
Razor Wire | 3:32 |
10 |
My Daughter My Sons | 3:34 |
11 |
Be The Night | 2:11 |
12 |
Interlude | 0:27 |
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Besetzung |
Wino (Voc, Git)
Dave Sherman (B, Voc)
Brian Costantino (Dr, Voc)
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