Ein Musikredakteur in der Hölle auf Erden – Ein Radio-Roman von Reiner Ussat
Was kann es für einen begeisterten Musikjournalisten Schöneres geben als den Job eines Musikredakteurs bei einem Radiosender, der für die Zusammenstellung des täglichen Musikprogramms verantwortlich ist. Max Lauschke ist Musikredakteur und er ist für die Zusammenstellung des Musikprogramms eines privaten Münchner Radiosenders verantwortlich. Aber glücklich ist er nicht. Seine Entscheidungsspielräume sind minimal. Marktanalysen und Computerprogramme haben schon lange die Songs ausgewählt, die die meisten Hörer erreichen, und Lauschke kann hier nur noch gelegentlich den einen gegen einen anderen Titel austauschen. Schon lange hört er den eigenen Sender nicht mehr, weil hier immer dieselben stromlinienförmigen Titel laufen; manche von ihnen mehrfach pro Tag. Und das Schlimmste daran: Viele von ihnen gehörten vor langer Zeit einmal zu seinen Lieblingstiteln. So stürzt Lauschke seine Kreativität vor allem in die Beantwortung von Hörermails, die sich in der Regel über das Musikprogramm beschweren, oder sich genau die Titel wünschen, die er schon lange nicht mehr hören kann. Entsprechend sarkastisch bis beleidigend sind seine Antwortmails. Kein Wunder, dass er bei jedem Mal, wenn er zu der Programmdirektorin gerufen wird, um seinen Job fürchtet. Die Anzahl der Abmahnungen, die er bereits erhalten hat, hat eine gefährliche Grenze erreicht. In Der letzte Song begleiten wir Lauschke durch einen Montag - zuhause, auf dem Weg zur Arbeit, im Sender, in der Mittagspause. Wir lernen einen in die Jahre gekommenen, vereinsamten Mann kennen, der dem Leben vor allem zynisch und ablehnend gegenüber steht. Die lärmenden Familien in den Nachbarwohnungen, im Stechschritt herannahende Nordic Walker, Bazillen verbreitende Tauben, lärmende Schulklassen – kaum etwas, das ihm nicht boshafte Kommentare entlockt. Am liebsten sitzt er in der Natur, in der Nähe einer Autobahn, der es gelingt seinen Tinnitus friedlich zu übertönen. Wer nun glaubt, Der letzte Song sei eine zum depressiv intellektuellen Kunstprodukt aufgebauschte Gesellschaftskritik, der irrt gewaltig. Der letzte Song ist Kabarett und Comedy auf höchstem Niveau. Autor Reiner Ussat beschreibt die Unbilden des Lebens, die Max Lauschke begegnen, und zu denen ganz besonders die gesamten Kollegen und vor allem Kolleginnen im Sender gehören, so prägnant auf die Spitze getrieben, dass man aus dem Lachen kaum noch heraus kommt. Da wäre es gar nicht mehr nötig gewesen, dass das Leben von Lauschke noch dadurch erschwert ist, dass er seit einiger Zeit von einem anonymen Hörer mit dem Tod bedroht wird, wenn er noch einmal Céline Dion mit „My Heart will go on“ spielt, was in der Regel mehrfach am Tag der Fall ist. Norbert von Fransecky |
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