Brachiale Grooves und magische Publikumsinteraktionen - King's X live in Nürnberg
Die amerikanische Band King's X wird in regelmäßigen Abständen aufgrund ihrer außergewöhnlichen Musikalität von etlichen Magazinen gelobt. Leider hatte die Band nie das Glück, mit ihrer Musik durchzustarten. Sie haben zwar eine sehr treue und loyale Fangemeinde, sind jedoch rückblickend nie über den Status einer Kult-Band hinausgekommen. Ich schätze mal, dass der Hirsch fast ausverkauft ist. Fans aus ganz Deutschland sind heute hier versammelt, um das virtuose Trio zu bestaunen. Ich habe die Band bisher noch nie live gesehen und bin sehr gespannt. Als Vorband fungieren KINGS OF SPADE. Die Band kommt aus Hawaii und hat 2014 und 2015 den “Honolulu Pulse Award” für die “Beste lokale Rock Band” erhalten. Ihre Musik bezeichnen sie als Blues Rock n’ Roll, was die Sache wohl ganz gut trifft. Optisch passen die Vier erst mal nicht so ganz zusammen, was sich aber gibt, als die Musik beginnt. Musikalisch geben die Herren auf der Bühne alles. Gitarrist Jesse Savio gibt bei einem Solo so viel Gas, dass er sogar seinen Hut verliert. Das Quartett spielt beängstigend gut zusammen. Die markante Sängerin Kasi Nunes, die mit einem amtlichen Irokesen-Schnitt ausgestattet ist, singt im Stil von Janis Joplin oder Aretha Franklin. Viel Power, viel Soul - ihre Stimme finde ich grandios. Überhaupt überzeugt mich der Vierer mit einer amtlichen Bühnenpräsenz. Die Tour mit King’s X ist die erste Europatour des Quartetts. In Amerika haben sie unter anderem schon für Bon Jovi auf deren „Circle“-Tour eröffnet. Für mich definitiv eine positive Überraschung! Jetzt wird’s enger vor der Bühne - alles drängt nach vorne, um einen guten Platz bei KING'S X zu bekommen. Die lassen sich nicht allzu lange bitten und kommen mit dem brettharten „Groove Machine“ auf die Bühne. Das Publikum ist sehr gespannt und von Beginn an in Feierlaune. Bassist Doug Pinnick hat sich auf der linken, Gitarrist Ty Tabor auf der rechten Seite der Bühne breit gemacht. Hinten in der Mitte thront Schlagzeuger Jerry Gaskill. Der Sound ist insgesamt sehr laut. Was dem Fass aber den Boden ausschlägt, ist der Bass-Sound. Viel zu fett und dumpf dröhnt es und die Frequenzen durchpflügen den kompletten Hirsch und machen sich in meinen Eingeweiden breit. Gesund ist das mit Sicherheit nicht, aber das scheint dem Mann am Mischpult ziemlich egal zu sein. Musikalisch gehen die Drei ziemlich brachial zu Werke. Harte Groover wie „Pillow“ fräsen sich regelrecht in die Ohren. Das Nürnberger Publikum beweist erhebliche Textsicherheit, was immer wieder für breites Grinsen bei den drei Musikern sorgt. Viel singen muss Doug Pinnick heute nicht. Manche Songs werden größtenteils von den Fans gesungen, bei anderen der Refrain. Der jedoch in einer solchen Lautstärke, dass es mich richtig mitreißt. Eine solche Verbundenheit zwischen Publikum und Band sieht man selten. Wenn er singt, zeigt er ein sehr kraftvolles Organ das den Songs zu jeder Zeit gewachsen ist und noch problemlos von der Intensität her eine Schippe drauf legen könnte. Der Bass-Sound wird im Laufe des Konzerts ein bisschen besser. Optimal geht jedoch anders. Ich vermute, dass die Musiker teilweise sehr schlecht hören, vor allem Doug Pinnick. Er dreht immer wieder an seiner sehr beeindruckenden Bassanlage herum, weil es ihm offensichtlich noch nicht laut genug ist. Anders lässt sich dieser Brachial-Sound nicht erklären. Ihn beim Bassspielen zu beobachten macht trotz des Sounds Laune und zeigt, was für ein toller Musiker hier auf der Bühne steht. Schlagzeuger Jerry Gaskill hat an dem Abend etliche Ventilatoren auf sich gerichtet. Es ist schwül und sehr heiß im Hirsch. Da die Seitentüre seltsamerweise nicht geöffnet wird, senkt sich der Sauerstoffgehalt in der Halle von Song zu Song, was den Auftritt mit der Zeit recht beschwerlich macht. Dies scheint dem Mann an der Schießbude jedoch wenig auszumachen. Dessen ungeachtet verprügelt der unscheinbare Typ sein Instrument regelrecht. Den Groove und die Power, die dieser Mensch beim Spielen freisetzt, muss man erst mal hinbekommen. Die kurze Zeit zwischen den Songs nutzt er sichtlich zum Verschnaufen, aber nur, um anschließend gleich wieder auf die Pauke zu hauen. Er wird für diesen beispiellosen Einsatz immer wieder mit Sprechchören gefeiert. Die Wucht der Instrumente verhindert leider den auf den Studioalben so phantastischen Harmonie-Gesang des Trios. Ty Tabor höre ich ab und zu sehr leise, Jerry Gaskill singt auch häufig mit. Dies sieht man jedoch nur, aber hört man fast gar nicht. Sehr schade! Von den Songs her dürfte der geneigte Fan durchaus auf seine Kosten kommen. Es wird von allen Alben querbeet etwas gespielt, lediglich das herausragende Debüt-Album kommt in meinem Augen mit nur einem Song viel zu kurz, auch von Gretchen Goes To Nebraska hätte ich mir mehrere Songs gewünscht. Bei der Zugabe „Goldilox“ drehen die Musiker sämtliche Mikrophone ins Publikum. Hier übernehmen nur die Fans den Gesang und machen aus dem genialen Song einen unvergleichlichen Trip. So was hab ich noch nie gesehen - sehr originell und mitreißend. Die sympathischen Musiker bedanken sich nach 110 Minuten herzlich bei ihren Fans und kündigen bereits auf der Bühne an, für eine Autogrammstunde an den Merchandising-Stand zu kommen. Ich fand das Konzert musikalisch hochinteressant und schlichtweg krass. Was diese drei Ausnahmemusiker hier auf die Bühne gezaubert haben ist aller Ehren wert. Allerdings sollten sie sich prinzipiell mal über ihren Live-Sound Gedanken machen. Der ist nämlich meilenweit entfernt von den sehr gut produzierten Studioscheiben. Setlist: 1. Groove Machine 2. The World Around Me 3. Pillow 4. Flies and Blue Skies 5. Vegetable 6. Cigarettes 7. Pray 8. Black Flag 9. Lost in Germany 10. A Box 11. Looking for Love 12. Summerland 13. Over My Head 14. Go Tell Somebody 15. We Were Born to Be Loved 16. Dogman 17. Goldilox Stefan Graßl |
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