In diesem Leben nicht mehr...? Doch, Guns N' Roses live in München!
Als Guns n' Roses das Tourmotto „Not In This Lifetime“ verkündeten, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich hätte wirklich auch keinen Pfifferling darauf gewettet, dass diese legendäre Band noch einmal live in Deutschland zu sehen sein wird. Das Tourmotto klingt ein bisschen nach „When Hell Freezes Over“ von den Eagles. Als die Deutschland-Termine bekannt gegeben wurden, hatte ich noch das Glück bei Ebay zwei einigermaßen erschwingliche Tickets zu bekommen. Die Tour durch Nord- und Südamerika ist bereits absolviert, jetzt kommt Europa dran. Leider sind von der Kult-Besetzung der Anfangstage Izzy Stradlin und Steven Adler nicht mit an Bord. Aber immerhin sind mit Axl Rose, Slash und Duff McKagan die wichtigsten Protagonisten vertreten. Schon allein, dass die drei zusammen noch mal auf einer Bühne zu sehen sind, grenzt an ein Wunder. Zu viel böses Blut ist damals geflossen. Ob die Parteien sich jemals wirklich wieder vertragen haben, ist nicht geklärt. Vermutlich hat auch das Geld bei der Tour die letzte Entscheidung gebracht. Wir sind um 14 Uhr vor Ort und bereits jetzt wird klar, dass das Konzert sehr gut besucht ist. Die Parkplätze sind fast rappelvoll, überall springen Fans mit Guns n' Roses-Shirts herum. Bei einigen Textilgeschäften waren die Shirts in den vergangenen Wochen im Verkauf. Das erklärt auch, wieso die vielen Use You Illusion-Tourshirts mit Tourdaten noch so erstaunlich gut erhalten sind… Sicherheit wird an dem Nachmittag groß geschrieben. Der Anschlag in Manchester hat vieles verändert. Man bekommt gleich am Parkplatz einen Flyer mit den Gegenständen, die man nicht mit ins Stadion nehmen darf. Darunter Fotoapparate, Handtaschen oder Rucksäcke. Auch die Sicherheitsmaßnahmen generell sind wesentlich strenger. Es ist viel mehr Polizei und Security vor Ort, die Kontrollen sind genauer und dauern wesentlich länger. Ich denke, dass man sich auf solche Szenarien zukünftig einfach einstellen muss. Traurig aber wahr. Den meisten Fans macht das jedoch nichts aus, im Gegenteil. Die Stimmung vor und im Stadion ist ausgelassen. Alle freuen sich auf die Sensation: die Rückkehr von Guns n’ Roses! So bekommen wir die erste Vorband PHIL CAMPBELL & THE BASTARD SONS nur noch am Rande mit. Der stark an Motörhead angelehnte Rock gefällt mir von dem was ich höre sehr gut. Mit „Born To Raise Hell“ bekomme ich noch einen Motörhead-Song mit, der vom Publikum fröhlich gefeiert wird. Die zweite Band THE KILLS kommt direkt im Anschluss. Wer diese Entscheidung getroffen hat, sollte an sich massiv bestraft werden. Dieses deprimierende Etwas von Musik ist für mich völlig unverständlich. Ich habe nicht selten den Eindruck, dass die Schallplatte (schwarze Vinylscheibe mit Musik drauf) einen Hänger hat - aber leider geht er nicht weiter. Jedes Lied hört sich gleich (langweilig) an und klingt einfach nur schlecht. Dieses Konzert könnte glatt als Martyrium oder Folter durchgehen! Aber auch hier ist ein Ende in Sicht. Applaus gibt’s fast gar nicht, was für mich voll in Ordnung geht. Da gibt es so viele tolle Bands, aber dann kommt sowas… Um 20.15 ist dann Showtime, die Spannung steigt - und GUNS N' ROSES kommen tatsächlich auf die Bühne! Los geht’s mit dem Doppelschlag „It’s So Easy“ und „Mr. Brownstone“. Der Sound ist zu Beginn noch sehr schwammig, bessert sich aber mit der Zeit. Axl hat mit den Songs einen guten Einstieg erwischt, da er hier nicht so hoch hinaus muss. Er hat zwar ein bisschen an Gewicht zugelegt, was ihn jedoch nicht daran hindert, kreuz und quer über die Bühne zu laufen. Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn Axl in der Mitte der Bühne thront, Slash links seine Soli abzieht und Duff McKagan wie ein schweizer Uhrwerk seine Bassspuren und seine Backing-Vocals dazu beisteuert. „Chinese Democracy“ ist vielen nicht so bekannt, wird aber von Slash und Duff genauso wuchtig intoniert wie der Rest der Songs. Dies gilt im Übrigen für alle Songs des „neuen“ Albums. Trotzdem ist klar: die Fans wollen die alten Klassiker hören! Gänsehaut ist angesagt, als Axl die berühmte Frage „Do you know where you are? You’re at the jungle baby…“ ins Rund brüllt. Hier geht sprichwörtlich der Punk ab! „Estranged“ ist die erste Ballade, die gespielt wird. Gigantisch, was die Truppe hieraus macht. Live ist der Song doch noch einmal eine ganz andere Hausnummer als auf CD. Etwas schade ist, dass es noch taghell ist und somit die Lichtshow nicht so gut rüberkommt. Axl liegt manchmal ein bisschen neben der Spur, gibt jedoch immer Vollgas. Gerade seine Schreie bei „Live And Let Die“ oder „Welcome To The Jungle“ kommen bestechend scharf rüber. Bei „New Rose“ darf Duff McKagan auch mal ans Mikrofon. Die Nummer ist jedoch im Gesamtkontext viel zu belanglos. Duff wird am Schlagzeug von dem wuchtigen Frank Ferrer unterstützt. Er ist seit 2006 dabei und hat auch das Album Chinese Democracy eingespielt. Am Keyboard ist der alte Bekannte Dizzy Reed mit an Bord. Er wird unterstützt von Melissa Reese, die auch große Teile des Background-Gesangs übernimmt. Das geniale „Civil War“ und die Perle „Yesterdays“ katapultieren mich direkt in meine Jugendzeit zurück. Mir gefällt Use Your Illusion II mit am besten, von daher freue ich mich natürlich über die Songs dieses Albums. „Coma“ hat durchaus seine Längen und nimmt die Stimmung raus. Überhaupt finde ich die Songauswahl etwas unglücklich. Slash hat seinen großen Auftritt beim Solo, in dem er die Melodie des Paten spielt. Obwohl man es von diversen Konzert-Scheiben kennt, ist es immer noch etwas anderes, das Stück live zu hören. Gigantisch, was der coole Zylinderträger musikalisch so drauf hat! Als er dann blitzschnell in „Sweet Child O’ Mine“ umschwenkt, gleicht das Olympiastadion einem wahren Tollhaus. Die Musiker lassen sich von der Stimmung mitreißen und machen den Song zu einem wahren Triumphzug. Der bescheidene Richard Fortus und Slash spielen zusammen Pink Floyds „Wish You Were Here“, das Axl die Möglichkeit zum Verschnaufen gibt. Hier bekommt auch Fortus die Möglichkeit, sein Können zu zeigen. Eine faire Geste des Zylinderträgers, der jedoch eindeutig der Chef im Ring ist. Axl kommt mit neuen Klamotten und megafetten Klunkerringen auf die Bühne, setzt sich an den Flügel und klimpert ein bisschen herum. Eric Claptons „Layla“ mündet in die Akkorde von „November Rain“. Spätestens jetzt haben sie das Stadion fest im Griff. Den Song kennt wirklich jeder. Es war ein Riesenhit damals und wurde von MTV rauf und runter gespielt. Ansagen gibt es fast gar nicht. Wenn Axl mal spricht, versteht man ihn nur sehr schlecht. Bei „Out To Get Me“ streckt er demonstrativ den Mittelfinger ins Publikum und widmet diesen bestimmten Personen - wem, das kann ich leider akustisch nicht verstehen. Axl mag in die Jahre gekommen sein, aber ein Rebell und sicherlich schwieriger Typ ist er offensichtlich immer noch. „Knockin’ On Heaven’s Door“ gibt dem Münchner Publikum die Möglichkeit, mitzusingen. Diese Chance wird optimal genutzt und die Band geht danach kurz hinter die Bühne. Mit dem schmissigen „Nightrain“ kehrt die Rasselbande zurück und holt noch einmal alles aus sich und dem Publikum raus. Sehr sympathisch finde ich, dass sie „Black Hole Sun“ von Soundgarden live spielen. Es hört sich klasse an und ist eine schöne Widmung an den vor kurzem verstorbenen Chris Cornell, dem Sänger von Soundgarden. „Don’t Cry“ lockt noch einmal alle Smartphone-Besitzer zum Mitfilmen, das wüste „The Seeker“ beendet rührselige Gefühle dann jedoch schon wieder im Ansatz. Dass sie diesen The-Who-Klassiker spielen, verwundert mich, gefällt mir aber natürlich. Den Abschluss bildet das unverzichtbare „Paradise City“, bei dem die Band noch einmal alle Register zieht. Slash und Fortus spielen sich um Kopf und Kragen, Axl rennt die Bühne auf und ab und die Fans im Olympiastadion geben alles. So muss Rockmusik sein - ich bin begeistert! Danach lassen sich die Musiker noch vom euphorischen Publikum feiern und gehen dann nach Slashs obligatorischem Kopfstand von der Bühne. Slash, Duff McKagan und Richard Fortus werfen dabei noch etliche Plektren ins Publikum. So, und das war’s dann auch nach sage und schreibe zwei Stunden und 45 Minuten. Zurück bleiben sichtlich zufriedene Zuschauer, die keinesfalls enttäuscht nach Hause gehen dürften. Ich war in den 90ern noch zu jung, um die Band live zu sehen. Für mich geht ein lange gehegter Traum in Erfüllung, ganz klar. Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn Izzy Stradlin oder Matt Sorum dabei gewesen wäre, aber man muss auch mal mit weniger zufrieden sein. Freunde werden Duff, Slash und Axl in diesem Leben sicherlich nicht mehr. Aber auch auf früheren Videos war nicht gerade Harmonie pur zwischen den Musikern zu bestaunen. Die Band war immer schon kaputt und seltsam, das hat sich einfach so gehalten. Ein kleiner fader Beigeschmack ist jedoch mit dabei. Reichlich Asche dürfte für alle Beteiligten schon auch übrig bleiben und ein neues Album wird in dieser Konstellation wohl auch nicht mehr erscheinen. Aber trotzdem: Es war schön, dabei gewesen zu sein. Einziger Wermutstropfen: „Patience“ hat für mich definitiv gefehlt. Setlist: 1. It's So Easy 2. Mr. Brownstone 3. Chinese Democracy 4. Welcome to the Jungle 5. Double Talkin' Jive 6. Better 7. Estranged 8. Live and Let Die 9. Rocket Queen 10. You Could Be Mine 11. New Rose 12. This I Love 13. Civil War 14. Yesterdays 15. Coma 16. Johnny B. Goode / The Godfather (Slash-Solo) 17. Sweet Child O' Mine 18. Out Ta Get Me 19. Wish You Were Here 20. November Rain 21. Knockin' on Heaven's Door 22. Nightrain 23. Black Hole Sun 24. Don't Cry 25. The Seeker 26. Paradise City Stefan Graßl |
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