Musik an sich


Reviews
Févin, A. u. a. (Raisin Dadre)

Requiem d’Anne de Bretagne


Info
Musikrichtung: Renaissance Ensemble

VÖ: 01.06.2011

(Zig Zag Territoires / Note 1 / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. ZZT 110501)

Gesamtspielzeit: 71:05



DUNKLE PRACHT

Mag diese Trauermesse zum Begräbnis der Herzogin Anne de Bretagne weitgehend als Rekonstruktion einen spekulativen Charakter haben, ist die Einspielung musikalisch und interpretatorisch doch über jeden Zweifel erhaben.
Denis Raisin Dadre und Doulce Mémoire haben sich für eine vier- bis fünfstimmiges Requiem von Antoine de Févin entschieden dieses und durch weitere Stücke ergänzt, darunter auch – gleichsam als Kontrapunkt zu höfischen Hochkunst – einige Bretonische Gesänge in der Tradition des Gwerzioù, die Yann-Fañch Kemener beisteuert.

Févins Messe zeichnet sich durch die kunstvolle Verbindung strenger polyphoner Stimmführung und genauer Textausdeutung aus. Die Musik prägt eine fast schon abstrakte Gestimmtheit von Trauer und Melancholie. Zugleich ist dieser Gesang auf die Vergänglichkeit von dunkler Pracht und Erhabenheit. Die Verstärkung der Basslinie ab dem Sanctus durch eine fünfte Stimme vertieft diesen Eindruck noch, ebenso die gelegentlich hinzutretenden Renaissance-Blasinstrumente. Die ernste, aber nicht düstere Kraft der Musik kann sich durch die minuziöse Interpretation entfalten. Die fünf Sänger singen im Bewusstsein um jede einzelne Note, die, bei stetem Bewusstsein um die große Linie, in ihrer individuellen Qualität gestaltet wird: die subtile Farbgebung, Artikulation und Aussteuerung der Dynamik lassen die imitatorisch verflochtenen Linien leuchten und vertiefen die Rhetorik der Musik. Eigentümliche harmonische Färbungen ergeben sich durch die Verwendung von nicht notierten chromatischen Abweichungen.
Die drei bretonischen Gesänge trägt Kemener mit einer kehlig-tremolierenden Stimme vor. Die ausdrucksstarke Archaik dieser Gesänge schöpft aus alten mündlichen Traditionen, steht zu der komponierten Musik jedoch nicht im Verhältnis eines Stilbruchs, sondern eines nicht minder kunstvollen Gegenstücks.
So rundet sich das Projekt zu einem musikalischen Panorama aus der Epoche und dem Heimatland der Anne de Bretagne, das auch im Booklet durch einen informativen Beitrag des Ensembleleiters und farbigen Miniaturen unter anderem aus der Chronik zum Begräbnis der Herzogin dokumentiert wird.



Georg Henkel



Besetzung

Doulce Mémoire

Yann-Fañch Kemener: Gwerzioù

Denis Raisin Dadre: Leitung


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>