Musik an sich


Reviews
Kate Bush

The Dreaming


Info
Musikrichtung: Art Pop / New Wave

VÖ: 1982

(EMI)

Gesamtspielzeit: 43:18

Internet:

http://www.katebush.com


Begonnen hat meine Leidenschaft für Kate Bush tatsächlich mit Ihrem wohl schwersten bzw. auch umstrittensten Album. Ich kannte vorher sicherlich schon einige Ihrer Singles, insbesondere natürlich Wuthering Heights und Babooshka. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ein Kate Bush Video in einer der damals angesagten TV-Shows, die Sketsche und Popvideos verbanden (also Plattenküche oder Bananas) lief und meine Eltern sagten: da ist ja wieder diese schwarze englische Hexe. Ich denke, es war das Babooschka Video. Bei meinen Eltern gab es zwei Hexen, einmal Kate und das deutsche Pendant Nina Hagen.
Also, das ich nicht schon früher auf Kate´s Alben losgegangen bin, hatte sicherlich mit meinem Taschengeld Status zu tun.
Nun kam aber The Dreaming 1982 heraus, und gekauft habe ich es denke ich erst 1983, also zu einem Zeitpunkt, wo ich mein erstes Geld als Lehrling verdiente.
Und, wie Eingangs gesagt, ist The Dreaming nicht unbedingt das Einstiegsalbum in Kates Welt. Viel mehr stellt es Ihren Wandel von der eher mit Elfenstimme singende Popdiva zur vertrackten und auch teilweise düsteren Träumerin des Pop dar. Dieser Wandel deutete sich natürlich schon auf dem Vorgänger Never vor Ever mit Songs wie Breathing oder Army Dreamers an, doch auf The Dreaming setzte Sie diesen Wandel komplett um.
Die Düsternis des ersten zu 100% auf dem Fairlight komponierten Albums sei zu großen Teilen auch dem Aufnahmeort, einem wohl sehr dunklem Studio innerhalb des Abbey Road Komplexes, geschuldet gewesen, sagte Kate später in vielen Interviews. Der erste Song „Sat in Your Lap“, war schon 1981 als Single erschienen und legt mit voller Perkussionsgewalt los. Pumpende Perkussion verbindet sich mit ebensolchen Bässen, die regelrecht zu stöhnen scheinen, eine treibende Pianomelodie und darüber der durchaus aggressive Gesang. Ein ungewöhnlicher Song und eine noch ungewöhnlichere Single, der auch nicht zu großer Erfolg beschieden war, aber eindeutig eine Pioniertat in Sachen Wavepop. Mit einer Barpiano ähnlichen Einlage beginnt There goes a Tenner, dazu setzen Bläser ein und wieder diese exotisch anmutende programmierte Perkussion. Der Beat aus Klavier und Perkussion treibt den Hörer durch den Song und durch die Trompeten und die Breaks hat man das Gefühl, die gehetzte Sängerin stolpert auf der Flucht vor was auch immer durch die Gegend. Die atmosphärischen Einlagen lassen den Song noch seltsamer und zugleich wunderbarer werden. In tiefe Abgründe windet sich Kate dann mit “Pull out the Pin“. Exotische Perkussion, ein typischer, wummernder Kate Bush Bass, im Hintergrund Geräusche und diese Fremdartigen Keyboardklänge die um einen herumschwirren. Mit einer Ihrer besten Gesangsleistungen arbeit sich Kate durch sanften wie aggressiven Gesang um den Kernsatz „I Love the Life“ nur so herauszuschreien. Dazu gesellt sich die unglaubliche Wirkung mit den Hintergrundgesängen David Gilmours. Ein unglaublich intensiver Song, der durch den Abschluss mit den dissonanten Gitarren noch stärker wirkt.
“Susspended in Gaffa“ ist dann die nächste Single, mit dem charmanten Kirmisrhythmus auf dem Klavier und dem stoischen, hüpfenden Bass sowie Kates Gesangskapriolen eine lichte Single, mit dunklem Charme und Popappeal trotz der Fremdartigkeit, die der Song samt Gesang verstrahlt. Ich glaube, beim erklingen dieses Songs wurde meine Zimmertür auch immer zugemacht mit den Worten: Oh nicht schon wieder die Hexe. Dieser kleine Fröhlichkeitsausbruch wird mit “Leave it open“ dann sofort in die genau entgegen gesetzte Richtung gebracht. In diesem von einem straffen, langsamen Beat vorangetriebenen und Streichern dominierten Song singt Kate teilweise mit verzerrter Stimme über das verstecken von Gefühlen und Schuld und dem suchen nach der Öffnung der eigenen Seele. Zum Ende explodiert die Perkussion, Kates Gesänge überschneiden sich und eine eisige Gitarre zersägt die Atmosphäre. Verfremdete Kate Gesänge und eine zerfallende akustische Gitarre beenden die erste Seite dieses Album und hinterlässt den Hörer zunächst fassungslos. Dunkle Didgeridoos und ein programmierte exotischer Rhythmus eröffnen mit dem Titelstück die zweite Seite.
Dies sind auch die bleibenden Hauptelemente neben Kates Gesang, der hier stark von Hintergrundgesängen unterstützt werden. Das klingt geschrieben wenig aufregend, ist aber einer der grandiosesten Popsongs der achtziger Jahre und zeigt auf, was mit Kreativität aus den modernen Geräten herauszuholen war. “Night of the swallow geht mit einer furiosen (irischen) Streichereinlage direkt aus “The Dreaming“ hervor (oder gehört die Einlage noch zu “The Dreaming“, man wird es nie herausfinden, und es ist auch egal, weil diese beiden Songs zusammen gehört gehören!) Piano und Kates Stimme eröffnen, Bass und Schlagzeug setzen ein und tragen den langsamen Beginn des Songs voran. Doch dann setzen die Streicher wieder ein und erhöhen das Tempo. Besonders prägnant ist auch hier wider dieser typische Bass, man kann Ihn nicht beschreiben, es ist sehnsuchtsvoll und pulsierend zugleich. Die langsamen und die schnellen Teile wechseln sich ab und auch hier sind die übereinandergelegten Stimmeffekte wieder nur grandios.
Mit “All the Love“ driftet das Album dann wieder in die düsteren Gefilde. Kate scheint in diesem Song vom Sterben zu singen und noch viel mehr von der Angst, zu sterben ohne sich von seinen Freunden verabschiedet zu haben und seine Dinge erledigt zu haben.
„All the Love, All the Love you could have given,
All the love, all the Love you should have given,
All The Love, All The Love, All The Love”.

Kate singt diese Zeilen zu dunklen Klavierklängen, die von dem sehnsuchtsvollen Bass begleitet werden. Kaum hörbare doch effektive Perkussionen, ständig baut sich der Song auf und fällt wieder in sich zusammen.
Die Zeilen

”We needed you,
to love us too,
we wait for your move…”


Werden von einem Kirchenchorknaben im hohen Falsett gesungen und erhöhen doch nur die Traurigkeit, die dieses trotzdem wundervolle Stück verströmt. “Houdini“ ist auch nicht viel fröhlicher, hier schlüpft Kate in die Rolle der Frau des großen Entfesslungskünstlers, die sich jedoch nichts mehr wünscht, als das dieser sich eben nicht befreien kann und ertrinkt. Und sie hält es in der Hand, schließlich übergibt Sie Ihrem Mann den Schlüssel mit dem Abschiedskuss. Dieses Drama ist gepackt in traurige Piano und Perkussionsklänge, Perkussionsausbrüche um ebensolche Kates zu unterstützen und tief melancholische Streicher, die mal unterstützend, zum Ende alleinstehend eine unglaublich seltsame und finstere Atmosphäre kreieren.
“Get out of my house“ schmeißt den Hörer dann förmlich aus dem Album. Pumpender Bass, schneidende Gitarren, seltsame Geräusche. Singende Kate, Flehende Kate, Schreiende Kate! Nach ca. 2 Minuten hat man sich in Rage gebracht, Kate schreit „Geh aus meinem Haus raus“ eine Männerstimme sagt das sie nun hereinkommt. Diesen Song kann man auch kaum beschreiben, man muss ihn volle Pulle auf Kopfhörer hören, die Gefühle und Aggressionen mit Ihm laufen lassen und einfach nur folgen, wohin auch immer………
Der Hörer ist nach dem ersten Genuss dieses Albums vor allem nach diesem Abschluss höchstwahrscheinlich auch heute noch, fast 30 Jahre nach Erscheinen, verstört.
The Dreaming war und ist ein Meilenstein der Musikgeschichte und vor allem Kate´s Karriere gewesen. Nur Drei Jahre später entwickelte sie aus diesem Monolithen Ihr lichtes Meisterwerk Hounds of Love. Was man nach diesem dunklen Meisterwerk zu mindest nicht in der Form erwartet hätte.
Mich animierte The Dreaming damals zum zügigen Nachkaufen der zum Glück überschaulichen Kate Bush Diskographie. Und auch heute noch ist es für mich das beste aller Kate Bush Alben und eines meiner 10 Alben für die Insel.



Wolfgang Kabsch



Trackliste
1Sat in Your Lap3:29
2 There Goes a Tenner3:24
3 Pull Out the Pin5:26
4 Suspended in Gaffa3:54
5 Leave It Open3:20
6 The Dreaming4:41
7 Night of the Swallow5:22
8 All the Love4:29
9 Houdini3:48
10 Get Out of My House5:25
Besetzung

Kate Bush: Vocals, Voice, Fairlight, Instruments, Programming, Composing
Stewart Arnold: vocals, background vocals
Jimmy Bain: bass
Ian Bairnson: acoustic guitar, vocals, background vocals
John Barrett: assistant engineer
Brian Bath: electric guitar
Haydn Bendall: engineer
Kate Bush: piano, strings, arranger, keyboards, vocals, producer, fairlight
Paddy Bush: harmonica, mandolin, strings, stick, vocals, background vocals, bullroarer
George Chambers: assistant engineer
Nick Cook: assistant engineer
Ian Cooper: cutting engineer
Danny Dawson: assistant engineer
Geoffrey Downes: trumpet, trumpet arrangement
Percy Edwards: sound effects, vocals
Stuart Elliott: percussion, drums, stick
Gordon Farrell: vocals
David Gilmour: vocals, background vocals
Howard Gray: assistant engineer
Paul Hardiman: vocals, engineer, mixing
Rolf Harris: didjeridu
Preston Heyman: drums, stick
Gary Hurst: vocals, background vocals
Seán Keane: violin
Nick Launay: engineer
Dave Lawson: synthesizer, synclavier, string arrangements
Dónal Lunny: Bouzouki, bouz
Alan Murphy: electric guitar
Liam O'Flynn: pipe, penny whistle, uilleann pipes
Hugh Padgham: engineer
Del Palmer: bass, vocals, fretless bass
Teri Reed: assistant engineer
Esmail Sheikh: drums
David Taylor: assistant engineer, mixing assistant
Danny Thompson: bass
Richard Thornton: vocals, choir, chorus
Eberhard Weber: bass
Bill Whelan: horn arrangements, string arrangements
Pete Wooliscroft: digital editing


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>