Mozart, W. A. (Langrée)
Zaide (DVD)
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Info |
Musikrichtung:
Wiener Klassik Oper
VÖ: 18.05.2009
(Medici Arts / Naxos / DVD / 2008 / Best. Nr. 3078358)
Gesamtspielzeit: 108:00
Internet:
Camerata Salzburg
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NAHAUFNAHME
Den Effekt kennt jeder: Von einer bestimmten Oper, einem bestimmten Schauspiel gibt es für die meisten von uns eine Inszenierung, die haften bleibt. Gesichter, Gesten und Bilder hieraus werden für immer mit dem Stück verbunden bleiben, auch wenn man noch so viele weitere Aufführungen sieht, noch so viele Neuaufnahmen hört.
Bislang gab es für mich eine solche Inszenierung von Mozarts Opernfragment "Zaide" nicht, das nicht zuletzt wegen seines bruchstückhaften Charakters und der oft holzschnittartigen Figurenzeichnung Schwierigkeiten aufwirft. Mit Peter Sellars Verfilmung hat sich dies schlagartig geändert. Sellars versetzt die Handlung intelligent in die Jetzt-Zeit. Zaide und Gomatz sind nicht länger Sklaven in einem türkischen Serail, sondern Opfer der modernen Sklaverei, der Ausbeutung illegaler Einwanderer als billige Arbeitskräfte, eingesperrt in einem gefängnisartigen, mehrstöckigen Fabrikkäfig. Laut tönen die Schritte auf den Metalltreppen, grell scheint das Licht in die Gesichter ermatteter Menschen, die unter der Schreckensherrschaft des Antreibers Soliman stehen, der hasserfüllt und eifersüchtig die Liaison zwischen Zaide und Gomatz beobachtet, begehrt er doch selbst Zaide.
Sellars versteht es, den fragmentarischen Charakter zu überwinden und das Werk als geschlossenes Ganzes vor unseren Augen entstehen zu lassen. Dabei nutzt er die (textfrei wiedergegebenen) Melologe sowie instrumentale Zwischenstücke aus Mozarts Schauspielmusik zu "Thamos, König in Ägypten", um Momente zu kreiieren, in denen die Handlung wortlos vorangetrieben wird. Das mutet teilweise stummfilmhaft an, funktioniert aber dank der darstellerischen Qualitäten der Sänger und Statisten sehr gut. Die Kamera geht dabei fast durchweg in die Nahperspektive, rückt den Figuren auf den Leib und transportiert so jede Gefühlsregung in geradezu körperlicher Weise. Das alles geschieht recht ungeschönt und -geschminkt. Die Arien fügen sich in dieses Konzept bruchlos und dramaturgisch schlüssig ein, die Geschichte entwickelt sich mit zwingender Logik.
Musikalisch rückt die Inszenierung vom unbedingten Willen zum Schönklang ab. Die Bühnengeräusche mischen sich nachhaltig in die Musik, die Akustik bleibt staubtrocken wie die Luft in jenem Fabrikkäfig. Das macht es für die Sänger, die bewusst aus allen Ethnien der Welt gewählt wurden, nicht leichter. Dass ihre Leistung nicht stets an das oberste Niveau heranreicht, wirkt hier aber kaum störend: Ekaterina Lekhina gibt dennoch eine zerbrechliche, zugleich im entscheidenden Moment starke Zaide; sie ihre höchst diffizile Auftrittsarie "Ruhe sanft" im Liegen beginnen zu lassen, ist allerdings eine perfide Rücksichtslosigkeit der Regie, denn das kann mangels gehörigem Atemfluss nur schiefgehen - und tut es auch. Sean Panikkar spielt den Gomatz eindringlicher, als er ihn singt. Die Doppelbödigkeit der Figur des Soliman zeichnet hingegen Russell Thomas musikalisch und schauspielerisch praktisch ideal nach und bringt uns diesen Charakter dadurch ungewöhnlich nahe - zerrissen zwischen Aggression und Liebe, zwischen gekränkter Eitelkeit und Nachgiebigkeit. Sellars kostet diesen Zwiespalt der Figur am Ende vollständig aus, indem er das Fragment nicht ergänzt, sondern die Inszenierung mit dem Quartett "Freundin, stille deine Tränen" enden lässt, bei dem in der Schwebe bleibt, ob Soliman die beiden zunächst entkommenen, aber wieder eingefangenen Sklaven töten oder ihnen barmherzig die Freiheit schenken wird. So abgründig, wie die Verhältnisse hier gezeichnet werden, ist man geneigt, eher an die erste Möglichkeit zu glauben.
Die Camerata Salzburg unter Leitung von Louis Langrée spielt zunächst recht pomadig und tut so, als hätte es die historische Aufführungspraxis nie gegeben, steigert sich aber im zweiten Akt deutlich.
Es mag also musikalisch nicht die stärkste "Zaide" aller Zeiten sein, die nachhaltig eindrucksvollste ist es allemal.
Sven Kerkhoff
Besetzung |
Ekaterina Lekhina: Zaide
Sean Panikkar: Gomatz
Alfred Walker: Allazim
Russell Thomas: Sultan Soliman
Morris Robinson: Osmin
Choir Ibn Zaidoun
Camerata Salzburg
Louis Langrée: Leitung
Peter Sellars: Regie
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