Musik an sich


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Ein neuer Leser für die MAS – Ex-Onkel MATT ROEHR erzählt von seinen neuen Wegen




Info
Gesprächspartner: Matt Roehr

Zeit: Juni 2008

Ort: Berlin - Uruguay

Interview: E-Mail

Stil: Rock

Internet:
http://www.gonzomusic.com

Wenige Monate nach seinem Debüt-Album hat Matt Roehr, aka Gonzo (Ex-Böhse Onkelz) bereits ein erstes Live-Album veröffentlicht.
Die etwa 50.000 Besucher, die musikansich.de pro Monat heimsuchen, sind begierig darauf einiges über die neuen Umlaufbahnen des Ex-Onkels zu erfahren. Norbert von Fransecky hat sich zu eurem Ohr ernannt und nachgefragt.


MAS: Hallo Matt,
Deine Soloscheiben haben einen völlig anderen Sound, als die Onkelz. Ich höre – auf dem Bootleg noch stärker, als auf der Studio-Scheibe – einen deutlichen Santana-Einfluss. Eine bewusste Entscheidung?


Matt Roehr: Nein. Ich schätze Carlos Santana sehr. Mir gefallen neben seinen „Klassikern,“ die zu meinen „All Time Faves“ gehören, wie das fantastische Lotus Album oder auch Live at the Fillmore East“, vor allem seine Kooperationen mit Jazz Größen wie Wayne Shorter, Miles Davis, John McLaughlin, Weather Report etc. Seine neuen Veröffentlichungen mag ich ebenfalls sehr, besonders die Montreux Mitschnitte. Er kommt ja, wie ich auch, vom Blues und allem Artverwandtem. Deswegen gleicht mein Stil wohl etwas dem seinen. Was mir schon immer sehr gut bei ihm gefallen hat, ist diese Offenheit für andere Menschen und Kulturen, sein Engagement in dieser Richtung, besonders für Afrika. Und nicht zuletzt lebe ich ja seit einigen Jahren in Südamerika und bekomme dadurch natürlich auch eine ganze Menge Einflüsse in seiner Richtung. Wie aber gerade gesagt, eifere ich ihm nicht nach. Gewisse Parallelen ergeben sich ganz einfach aus meiner heutigen Arbeit als Musiker und dem gemeinsamen Blues Background.

MAS: Was für Bands würdest Du sonst als prägenden Einfluss für deine Solo-Karriere nennen?

Matt Roehr: Wow, das sind wirklich viele. Ich kehre mit meiner heutigen Musik eigentlich zu dem zurück, was ich vor den Onkelz gemacht habe. Ich hatte schon lange bevor mich die Onkelz fragten, ob ich bei ihnen einsteigen möchte, Musik gemacht, in Bands gespielt und Konzerte gegeben. Ich bin, wie schon gesagt, mit Blues, mit angloamerikanischer Musik aufgewachsen. Ich habe AFN gehört, Wolfman Jack genauso, wie Gospelgottesdienste am Sonntagmorgen. Damals war es unheimlich schwer an Platten meiner Lieblingskünstler heranzukommen. Die mussten im Schallplattenhandel bestellt werden – und wurden dann drei oder vier Monate später, geliefert. Ich erinnere mich daran, wie lange ich auf Second Winter von Johnny Winter sparen und warten musste. Dann hat man sich aber auch Monatelang mit so einem Album beschäftigt, damit gelebt. Das ist bei heutigen dem Konsumverhalten ja schon fast revolutionär.
Zurück zu den Einflüssen: Blues (Von Muddy Waters, John Lee Hooker über Buddy Guy, Johnny Winter, Freddy King und ganz besonders Albert King!, bis zu Otis Rush, dem britischen Blues, Mayall, Clapton, Jeff Beck, Peter Green!!, zu den Blues Rock Bands wie Blind Faith, Traffic, Cream, Fleetwood Mac, Humble Pie, Faces, Stones, etc.) Ich kann gar nicht alle aufzählen! Bob Dylan, die Beatles, aber auch Fusion und Jazz Rock, Jazzgitarristen wie Grant Green, Kenny Burrell, Wes Montgomery und Pat Metheney, 60er und 70er Jahre Rock und Hardrock und auch Lateinamerikanisches wie Celia Cruz oder eben – Santana! Es gibt soviel gute Musik in allen Genres! Meine Frau und ich haben uns auch lange mit Klassik beschäftigt und sind in sehr viele Konzerte gegangen. Aber das ist im Moment wieder etwas in den Hintergrund getreten.

MAS: Wo kommen die Musiker Deiner Band her?

Matt Roehr: Wir sind drei Brasilianer (Drums, Percussion und Bass), ein US-Amerikaner an Gesang und Gitarre und zwei deutsche Musiker (Keyboards und Gitarre). Die Brasilianer kommen aus dem Jazz und Fusion, sowie dem Samba. Charlie Huhn hat schon mit Gary Moore und Ted Nugent gearbeitet. Stephan Weiler an den Keyboards hat Kirchenmusik studiert und arbeitet als Komponist und Sessionmusiker. Na und was ich so gemacht habe, ist ja bekannt. Eine wirklich gewagte Mischung, die aber hervorragend funktioniert und eine Herausforderung ist.

MAS: Ich habe bislang kein Album mit Lyrics von Dir in der Hand gehabt. Von den Onkelz her kennt man den ständig gestreckten Stinkefinger. Wie würdest Du die Texte Deiner Solo-Stücke beschreiben?

Matt Roehr: Völlig anders. Ich konnte mich seit langem nicht mehr mit dieser „Alle sind gegen mich“ und eben dem „gestreckten Zeigefinger“ anfreunden. Genauso wenig wie mit der „Ich bin der, der euch sagt was ihr denken sollt“ Attitüde. Das hatte sich ständig wiederholt, wurde langweilig und immer undifferenzierter. Ich beschäftige mich in meinen Texten mit den kleinen Unzulänglichkeiten der Menschen, aber mit einem Augenzwinkern und ohne diesen erhobenen „grönemeyerischen“ Zeigefinger. Diese Attitüde hat doch was typisch Deutsches – und kommt im Ausland und besonders bei mir nicht gut an! Ich versuche einfach „Fragwürdiges“ zu benennen und damit zum Nachdenken und Verändern anzuregen. Letztendlich ist die Verbindung von Musik und Text am wichtigsten, um die Emotionen zu transportieren.

MAS: Mittlerweile liegt einige Zeit an Erfahrung mit Deinem neuen Sound hinter Dir. Wer sind die Konzertbesucher bei Matt Roehr-Konzerten – überwiegend alte Onkelz Fans, oder ein ganz anderer – eventuell älterer? – Hörerkreis?

Matt Roehr: Das Publikum ist gemischt. Es kommen interessierte Onkelz Anhänger und viele neue Fans. Du hast Recht, ich spreche mit meiner Musik ein Publikum an, das nicht auf die aktuellen Charts sieht, ein Publikum das einen gewissen Anspruch hat. Genauso wie ich auch.

MAS: Wie reagieren alte Onkelz-Fans auf den neuen Matt Roehr?

Matt Roehr: Ebenfalls gemischt. Es gibt den „typischen“ Onkelz Fan ja gar nicht. Die Fans setzen sich aus sehr verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Vorlieben, unterschiedlichem Alter und den unterschiedlichsten Biografien zusammen. Der eine kann etwas mit meiner Musik anfangen, der andere eben nicht. Der Eine will auf ewig nur Fußballsongs. Der Nächste hat einen höheren Anspruch.

MAS: Du bist nicht der einzige Onkelz-Solist. Auch Stephan hat ein Soloalbum vorgelegt. Über den (virtuellen) Redaktionsflur ist mir die Frage mit auf den Weg gegeben worden, was Du von seinem Album hältst?

Matt Roehr: Ich kenne es nicht. Allerdings sind unsere musikalischen Backgrounds und Ansprüche so unterschiedlich, dass es mich auch nicht interessiert.

MAS: Ich würde jetzt gerne ein paar Fragen in die Richtung stellen, was mit deinem „neuen“ Stil während der Onkelz Zeit war.

Matt Roehr: Nun, mein Stil war natürlich immer da, aber bei den Onkelz kam es auf etwas ganz anderes an. Die Band hat sich über mehrere Stationen entwickelt und in früheren Jahren viele Einflüsse verarbeitet, denke nur an EINS oder das Schwarze und das Weisse Album.
In den letzten Jahren haben allerdings interne und äußere Einflüsse das Musikalische etwas verarmen lassen und das hört man auch an den letzten Scheiben.

MAS: Hattest Du damals bereits ähnliche Vorlieben?

Matt Roehr: Ja und nein. Ich hatte mir zum Ende der Onkelz vorgenommen, nur noch meinen musikalischen Vorlieben nachzugehen, ohne Kompromisse. Allerdings musste ich mir über einen sehr langen Zeitraum erst einmal darüber klar werden, was das für mich heißt. Nach 25 Jahren Onkelz war das gar nicht so einfach, denn du nimmst viele Gewohnheiten an, die dann schwierig wieder abzulegen sind. Trotzdem, ein paar Dinge waren für ich von vornherein ganz klar: Keine Onkelz Kopie, keine deutschen Texte, multikulturell, mit internationalen Musikern aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen und Stilrichtungen zusammenarbeiten.
Für diesen Einschnitt brauchte ich auch eine neue Umwelt, neue Inspirationen. Deswegen der Umzug nach Südamerika. Für mich hieß es: Entweder richtig, oder gar nicht. Ich habe diese Herausforderung gesucht. Glücklicherweise hat mich meine Familie sehr stark unterstützt. Ich befinde mich ja erst am Anfang dieses Weges und bin täglich aufs Neue gespannt, wohin er mich führt.

MAS: Hast Du parallel zu der Onkelz-Zeit ähnliche Musik gemacht/ gehört – im stillen Kämmerlein, oder als Hobby?

Matt Roehr: Natürlich. Ich bin meinen Vorlieben immer treu geblieben. Allerdings hat mir die Zeit gefehlt, mich ausgiebig damit zu beschäftigen. Da blieben nur kurze Sessions mit anderen Musikern.

MAS: Hast Du versucht Deinen jetzigen Stil bei den Onkelz einzubringen oder siehst du sogar Onkelz-Stücke, die davon geprägt sind?

Matt Roehr: Die Frage habe ich ja bereits beantwortet. Im Rahmen der Möglichkeiten habe ich immer versucht, das Spektrum zu erweitern. Man hört an vielen Alben, z.B. Schwarz und Weiß oder EINS, dass dies auch gelungen ist.

MAS: Nun noch drei Fragen zu den Live-Sachen.
`Bootleg No. 1´ nennst Du ganz zu Beginn Deiner Solokarriere das erste Live-Album. Das wird Kritiker auf den Plan rufen, die schon die Tatsache, dass ein Künstler nach nur einem Album bereits meint, ein Live-Album veröffentlichen zu müssen, als Ausverkauf bezeichnen werden.
Was ist zu erwarten. Mehr Bootlegs als Studio-Alben?


Diskografie
Barra da Tijuca (26.10.2007)
UHAD2BTHERE - Live Bootleg Vol.1 (13.06.2008)
Matt Roehr: Nein, Ausverkauf betreibe ich nicht, im Gegenteil: Die Live Bootleg Serie kommt zu einem speziellen Preis in die Läden. Ich bin als Künstler, sowie als Labelbetreiber der Meinung, dass die Preispolitik bei CDs falsch ist und sehe mich da in der Pflicht ein Zeichen zu setzen. Warum soll ein Live Album soviel kosten wie ein Studioalbum? Die Kosten der Produktion sind viel geringer. Das muss an den Fan weitergegeben werden und ich habe mich damit auch beim Vertrieb durchgesetzt. Deswegen der Titel Bootleg Serie. Außerdem steht der Titel auch noch für das Konzept, Live Aufnahmen, Sessions, Outtakes und Videos, etc. dem Fan und Liebhaber zugänglich zu machen. Ich lege dabei natürlich äußersten Wert auf Qualität, denn sonst gibt es keine Veröffentlichung des entsprechenden Materials. Spontanität und etwas Besonderes neben den regulären Studioalben zu bieten, so wie es einmal gang und gäbe war, so wie es zum Beispiel im Jazz immer noch normal ist, das ist das Anliegen. Ausverkauf? Auf dem Live Album sind viele neue Songs in tollen Versionen, die Spaß machen. Außerdem ist es ein Dokument für die Entwicklung der Band. Wir sind ja gerade in der „frisch verheirateten Phase“. Wir fordern uns musikalisch heraus, sind spontan und leidenschaftlich. Das wollte ich unbedingt festhalten.

MAS: Juckt es Dich eigentlich in den Fingern bei deinen Konzerten Onkelz Stücke zu spielen?

Matt Roehr:
Nein. Ich hatte die Idee unser Programm mit Songs aus dem „Vorleben“ der beteiligten Musiker aufzufüllen. In diesem Fall also mit Songs aus zwei Bands von Charlie Huhn (Humble Pie, Ted Nugent) und mir. Dazu kamen dann noch zwei Coversongs, „Going down“ und „All along the Watchtower“, die beide zu meinen absoluten Lieblingssongs zählen.
Ich habe die Onkelz Songs aber gerne für die Fans gespielt.

MAS: Als Hannoveraner, der in Berlin lebt, kann ich mir die letzte Frage nicht verkneifen. Warum sind auf dem Bootleg ausschließlich Aufnahmen aus Berlin und Hannover ? Zufall oder lebt hier das beste Publikum der Welt?

Matt Roehr: Bestimmt, gerade die Konzerte und das Publikum in Hannover und Berlin sind mir sehr gut in Erinnerung geblieben, neben Dortmund, Magdeburg und einigen anderen Städten. Die Clubs wurden aber nach ihrer Eignung für die Aufnahmen ausgewählt. Das hatte ich im Vorfeld mit Gerd Gruss von Crystal Sound und dem Tontechniker abgeklärt. Das Ergebnis gibt uns Recht.

MAS: Dank für Deine Antworten. Von wo aus hast Du sie beantwortet?

Matt Roehr: Ich befinde mich zur Zeit beim Songwriting für das nächste Studioalbum in meinem Studio in Uruguay.

MAS: Herzlichen Dank für Deine Antworten.
Schau mal bei uns rein. Wir sind das Fachmagazin für Scheuklappenfreie Musikfreunde.


Matt Roehr: Das habe ich gemacht - und bin sehr begeistert! Ich kannte euch vorher nicht und habe jahrelang darüber lamentiert, dass es kein Magazin, wie das eure gibt! Ihr habt jedenfalls einen neuen Leser dazu gewonnen. Hut ab, tolle Arbeit, ein tolles Konzept! Viel Erfolg auch weiterhin!


Norbert von Fransecky



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