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Musik an sich
 
Franz Schubert - Lahusen
Bereits erschienen (Celestial Harmonies)
Romantik
Cover
 

Nikolaus Lahusen, Hammerflügel

Drei Klavierstücke (Impromtus) D 946 - Sonate B-Dur D 960

Valses sentimentales D 779 - Sonate D-Dur D 779 op. 53 "Gasteiner" - Ungarische Melodie H-Moll D 817

Im Frühjahr vergangenen Jahres erschien eine erste Aufnahme von Klavierwerken Schuberts mit dem Pianisten Nikolaus Lahusen bei dem kleinen Label Celestial Harmonies. Im Produzenten Eckart Rahn hatte der Künstler jemanden gefunden, der für Experimente abseits der ausgetretenen interpretatorischen Pfade offen war. Schubert auf einem Originalinstrument des frühen 19. Jahrhundertes - trotz prominenter und versierter Interpreten wie Malcom Bilson oder Andreas Staier galt und gilt eine solche Herangehensweise eher als eine Sache für Liebhaber und Spezialisten. Im Musikbetrieb dominiert nach wie vor der moderne Konzertflügel: klangstark, tonschön und wartungsarm.

Die Einsicht, daß der empfindlichere, aber individuellere Hammerflügel hier nicht nur eine historisch interessante, sondern in mancher Hinsicht sogar überlegene Alternative ist, verdanken wir Aufnahmen wie den vorliegenden. Dem Interpreten gelingt es, die Möglichkeiten und Begrenzungen seines Instruments ganz in den Dienst einer kongenialen Interpretationen zu stellen. Die naturgemäß geringere dynamische Bandbreite und Brillianz führt dabei nicht zur Eintönigkeit. Lahusen entlockt dem Hammerklavier feinste Abstufungen: Ihm gelingen Pianissmo-Schwebungen, die mit einem modernen Flügel so nicht zu realisieren sind. Das Forte hingegen ist klangvoll, aber nicht stählern. Es bleibt stets sanglich. Wie überhaupt Cantabilität für den Gesamtklang charakteristisch ist. Da zudem die tiefen, mittleren und hohen Registers unterschiedlich herauskommen, ist eine ganz sehr viel differenziertere Klangregie möglich. Gedämpft-perkussive, glocken- oder silbrig-harfenartige Klänge: Unterstützt durch eine hervorragende, transparente Aufnahmetechnik, gelingen Lahusen wunderbare, stellenweise betörend schöne Valeurs und eine ungewohnt-dramatische Profilierung dieser bekannten Werke.

So gewinnen hier selbst die 34 Minaturen der "Valse sentimentales", heute meist als Inbegriff biedermeierlicher Gemütlichkeit aus dem Konzertsaal in die Hausmusik verbannt, eine überraschende Poesie. Man höre sich z. B. nur die atmosphärischen Wechsel von Nr. 13 (Track 9) mit der Überblendung von verträumten und extrovertieren Passagen an oder die herbstliche Wehmut, die Lahusen in Nr 9. (Track 13) formuliert, um dann mit Nr 16 (Track 15) wieder keck und schelmisch aufzutrumpfen.
Kaum weniger überzeugend geraten ihm die großen Architekturen der Klavierstücke und mehrsätzigen Sonaten. Lahusens atmendes Spiel bleibt dabei selbst in den virtuosen Momenten von einer großen Konzentration und Ruhe erfüllt. Die monumentale Gasteiner-Sonate erfährt auf diese Weise eine vitale und zugleich vielschichtige Interpretation. So hält Lahusen das eruptive und elegische dieser Musik in spannungsvollem Wechselspiel und stetem Fluß. Pathos und Träumerei, Entrückung und Melancholie, Tänzelnd-Verspieltes und inniger Gesang - dies ist das musikalische "Personal", das durch Lahusens Spiel in seiner ganzen Individualität zu Gehör kommt und sich doch zur größeren Einheit fügt.
Mit der herrlichen Ungarischen Melodie als Zugabe beschließt Lahusen sein Programm, das er als "irdischeres" Gegenstück zu seiner ersten Produktion mit Werken aus Schuberts Todesjahr konzipiert hat. 2001 hat sich der Musiker mit dieser CD sofort in der Vierteljahresliste der Deutschen Schallplattenkritik plazieren können. Wer Schubert bis jetzt noch nicht oder kaum kannte, ihn vielleicht auch eher als typischen, betulichen "Klassiker" verbucht hat, dem sei diese Platte mit einer überwältigenden Interpretation der B-Dur Sonate Nr. 960 als Einstieg empfohlen. Die schwebende Intensität, mit der hier der zweite, langsame Satz musiziert wird, sollte auch die letzten Vorbehalte überwinden. Zudem sind die vorzüglichen Einführungstexte von Susanne Schmerda in den Booklets einmal wirklich eine Hilfe, in die Musik hineinzufinden.

So bleibt nur zu wünschen, daß dieser Produktion noch weitere folgen werden. Geplant ist eine Einspielung von Schubert-Liedern in Bearbeitungen Franz Liszts, dann aber auf einem modernen Instrument gespielt. Lahusen, der sich weder als Schubert- noch Hammerflügelspezialist versteht, realisiert gegenwärtig außerdem eine Gesamteinspielung mit Werken des weitgehend unbekannten lettischen Maler-Komponisten Mikalojus Ciurlionis.

Weitere Informationen im Internet mit den kompletten Bookletexten unter www.blacksun.com/realeases/13195.htm

Repertoirewert: 4 Punkte
Interpretation: 5 Punkte
Klang: 5 Punkte
Edition: 5 Punkte

19 Punkte

Georg Henkel

 

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