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Musik an sich
 
Felix Mendelssohn Bartholdy: Lieder ohne Worte
Bereits erschienen (audite)
Romantik
 

Heidi Kommerell

"Lieder ohne Worte" - das mag den Eingeweihten am ehesten an biedere Hausmusik denken lassen, alle anderen mögen fragen, wann denn der subventionierte Kulturbetrieb auch noch "Lieder ohne Worte und ohne Musik" hervorbringen wird. Zurückhaltend wird das Interesse auf Anhieb in jedem Fall sein.

Der Hausmusik-Gedanke ist natürlich zutreffend, das Klavier war das musikalische Herzstück jener Zeit, in der man sich ins gern ins Private zurückzog, der Persönlichkeit im kleinen Rahmen Ausdruck zu verleihen suchte. Weil dabei naturgemäß viele Halb-Profis am Werk waren, durften die technischen Schwierigkeiten nicht allzu gewaltig sein, obwohl jeder Klavierschüler leidvoll erfahren haben dürfte, wie mühsam es ist, Mendelssohns (1809-1847) Miniaturbeschreibungen menschlicher Seelenzustände adäquat einzustudieren.

Wenn aber der Interpret vom Schüler zum Meister geworden ist, können diese Stücke wahrhaftig zu anrührenden Pretiosen werden. Heidi Kommerell hat jene Meisterschaft unbestreitbar erreicht. Gefühlvoll und technisch versiert reiht sie 20 dieser Perlen aneinander, keine gleicht der anderen. Mit empfindsam-zurückhaltendem Respekt geht sie die Stücke an, läßt in jedem eine andere kleine Welt entstehen.

Vor allem aber, und das macht diese Aufnahme so spannend und empfehlenswert: Sie präsentiert sie auf einem ganz besonderen Instrument, einem Nanette-Streicher-Hammerflügel von 1829. Von Instrumenten dieser Bauart sind nur noch fünf bespielbare Exemplare erhalten, eines davon ist im Besitz der Bielefelder Kunstgewerbesammlung "Stiftung Huelsmann", welche die vorliegende Aufnahme auch gefördert hat. Der Streicher-Flügel zeichnet sich durch eine oberschlägige Mechanik aus, Tastatur, Hämmer und Mechanik befinden sich also über den Saiten. Die von oben auf die Saiten prallenden Hämmer ermöglichen einen besonders leichten Anschlag und produzieren einen extrem sanglichen, in der Dynamik gut differenzierbaren Ton. Ideal für die "Lieder ohne Worte".
Die Nachteile deretwegen das Instrument nicht weiter gebaut wurde (v.a. geringere Brillanz im Ton und das Fehlen der schnellen Tonrepetitionsmöglichkeit) fallen hier nicht ins Gewicht, sondern werden zum Vorteil. Ein zusätzlicher Reiz entsteht dadurch, dass sich Mittel-, Ober- und Basslage in der Klangfarbe deutlich unterscheiden, gewissermaßen also drei Instrumente in einem zum Einsatz kommen.

Nun man muss es einfach gehört haben: Das Instrument, die Interpretin und die Stücke.
Das gilt umso mehr, als die Aufnahmetechnik all das sehr präsent zur Geltung bringt und das Booklet mit einem großen Informationsreichtum aufwartet.
Ein Geheimtip also, der hoffentlich nicht lange geheim bleibt.

Repertoire: 4 Punkte
Klang: 5 Punkte
Interpretation: 5 Punkte
Edition: 5 Punkte

Gesamt: 19 Punkte

Sven Kerkhoff

 

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