Musik an sich


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Jean Philippe Rameau: La Guirlande / Zéphire
(Warner Music)
Klassik
 
Es war einmal... irgendwo im Nimmerland Arkadien, wo der Frühling nie endete, wo laue Lüftchen um die Nasen von ewig jungen Hirten und Nymphen strichen, während melodische Vogelgesänge ihr Ohr betörten und köstlicher Blumenduft nicht nur die Bienchen auf den Plan rief ... Es fällt heute schon schwer, sich diese Sehnsuchtswelt des 18. Jahrhunderts, die doch die Kulisse zahlloser Opernlibretti abgab, ernsthaft vorzustellen. Dabei scheint sie manchen unserer pastellfarbenen Hollywoodträume doch näher zu stehen, als die martialische Welt eines Richard Wagners.
Unvorstellbar also, daß einem in so einem Traumland Ungemach widerfahren könnte ... wäre da nicht genau jene Prise Erotik, die auch die beste aller möglichen Welten vor der totalen Langeweile bewahrt! Der Hirt Myrtil, Held der ersten dieser beiden Einakter Rameaus, muß nämlich feststellen, daß er zwei Frauen liebt. Die eine richtig und die andere zum Spaß: „Kann man nicht ebenso zärtlich wie treulos sein?“ Man kann schon, doch gibt es da eine Blumengirlande (Achtung Titel!), das Zeichen der unverbrüchlichen Treue zu Zélide. Nach einem erfolgreichen Tete-á-tete mit Amaryllis beginnt der Kranz prompt zu welken. Da kann nur noch der Gott der Liebe helfen. Tut er schließlich auch – aber bis es so weit ist, ist manche Liebesklage, manches betörende Duett zu singen und der eine oder andere Tanz zu tanzen. Jean Philippe Rameau stattete dieses Opern-Baiser mit ebenso zarter wie inspirierter Musik aus: duftige Texturen in der orchestralen Begleitung, expressive Melodik in den Rezitativen und Arien. Und dann natürlich die unverzichtbare Zutat französischer Barockopern: die Tänze. Verspielt und ernsthaft, graziös und melancholisch, mal schwebend, mal voller Spielwitz, dann wieder mit rhythmischem Drive.
Dass all dies nicht nur im ersten dieser „Acte de Ballet“ so wunderbar gelingt, sondern auch im zweiten, ist nicht zuletzt das Verdienst von William Christie und seinem Ensemble. Für dieses Mal musizierte er nicht mit seinem Haus-Orchester „Les Arts Florissants“, sondern mit der Capella Coloniensis des WDR. Diese realisiert Christies bei aller Leichtigkeit doch nicht unverbindliches Konzept ebenso vollkommen wie sein eingespieltes Sängerteam. Insbesondere Paul Agnews jugendlichem Tenor und dem anrührenden Sopran Sophie Danemans ist es zu verdanken, daß Mirtyll und Zélide nicht zu bloßen Glanzbildchen werden. Im zweiten Acte hat mir vor allem Gaëlle Mechalys ausdrucksvoller, verführerischer Zéphyre gefallen. Bei sommerlichen Temperaturen nur zu empfehlen ... und bei schlechtem Wetter sowieso!
Georg Henkel

18 von 20 Punkten

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